Dienstag, 19. März 2024

Archiv

Waffenrecht
Sportschützen wollen Rassismus-Prävention

Nach den rassistisch motivierten Morden von Hanau wird wieder über eine Verschärfung des Waffenrechts diskutiert, denn der Täter war Sportschütze. Der Deutsche Schützenbund lehnt eine Verschärfung ab, will aber bei der Demokratieförderung mit den hessischen Sicherheitsbehörden zusammenarbeiten.

Von Ludger Fittkau | 28.02.2020
Ein Sportschütze schiesst während des Trainings des Unteroffiziersvereins Limmattal auf der 25-Meter Pistolen-Schiessanlage im Steinacker in Schlieren im Kanton Zuerich mit einer SIG Sauer P21
Sowohl der Täter von Hanau als auch der mutmaßliche Mörder des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke waren Sportschützen (picture alliance/KEYSTONE/GAETAN BALLY)
Der Schock saß tief bei Rainer Burg. Er ist Vorstandmitglied des Schützenvereins Diana Bergen-Enkheim e.V.. Das ist der Schützenverein im Rhein-Main-Gebiet, in dem der rassistisch motivierte Attentäter von Hanau trainierte:
"Wir sind vom kompletten Vorstand natürlich betroffen, tief betroffen, und ich weiß nicht, was ich dazu sagen kann. Aber im Moment sind wir uns einfach von den Ereignissen halt geplättet."
Auch mehr als eine Woche nach der Amokfahrt von Hanau hat deshalb der Schützenverein in Bergen-Enkheim weiterhin seinen Übungsbetrieb eingestellt. Auf seiner Homepage verweist er auf die Erklärung, die der Deutsche Schützenbund zum Massaker von Hanau verfasst hat.
"Wir müssen mehr aufeinander achten"
Die Geschäftsstelle des Verbandes, in dem 1,3 Millionen Schützinnen und Schützen in Deutschland organisiert sind, liegt am anderen Ende des Rhein-Main-Gebietes – in Wiesbaden. Thilo von Hagen, dem Öffentlichkeitsreferent des Verbandes, ist dort die Betroffenheit über Tat in Hanau noch deutlich anzumerken. Seit Tagen denke man intensiv darüber nach, was im Verband getan werden könne, um Taten von rechtsextremen oder rassistischen Sportschützen wie in Hanau oder auch im Fall Lübcke künftig verhindern zu helfen:
"Die Frage stellt sich der Schützenbund natürlich auch. Wie können wir vorgehen, damit solche Taten nicht mehr vorkommen beziehungsweise sich nicht mehr wiederholen? Wir glauben, dass Menschen, die so etwas vorhaben, letztendlich nicht zu stoppen sind. Aber wir wollen natürlich auf unsere Vereine zugehen und ihnen sagen: Wir müssen mehr aufeinander achten. Das Stichwort Schützenhilfe ist bekannt: Was macht mein neben Mann am Schießstand? Geht es ihm gut? Wir müssen mehr zusammenhalten, nicht nur am Schießstand und im Schützenheim, sondern das gilt auch für die gesamte Gesellschaft."
"Sportschützen dürfen mit Mordwaffen schießen"
Auch der Vater des Amokläufers von Winnenden vor elf Jahren war Sportschütze und die damalige Tatwaffe stammte aus dessen Besitz. Bereits nach Winnenden gründete sich deshalb die Bürgerinitiative "Keine Mordwaffen als Sportwaffen". Roman Grafe ist ihr Sprecher und hat seit 2002 270 Opfer gezählt, die durch Schusswaffen von Sportschützen getötet wurden:
"In Deutschland ist es erlaubt, dass Sportschützen mit Mordwaffen schießen, sogenannten Gebrauchtwaffen und solange Sportschützen mit solchen tödlichen Waffen schießen dürfen, werden sie damit nicht bloß auf Scheiben schießen, sondern es wird immer wieder Sportschützen geben, die sie dafür gebrauchen, wofür sie gemacht sind: Zum Töten und Verletzen von Menschen."
Der Deutsche Schützenbund, der auch von Waffen- und Munitionsfirmen gefördert wird, lehnt allerdings eine weitere Verschärfung des Waffenrechts ab, wie sie nach Hanau nun vor allem die Grünen fordern. Etwa die räumliche Trennung von Waffen und Munition hält der Verband angesichts des Sportbetriebs, der vor allem am Wochenende stattfindet, für wenig praktikabel. Auch die generelle Umstellung auf die ungefährlicheren Laser-Pistolen, wie sie inzwischen in der Olympia-Disziplin "Moderner Fünfkampf" verwendet werden, lehnt der Verband ab, sagt Thilo von Hagen:
"Wenn man mit Schützen spricht: Es ist einfach etwas anderes, wenn man Laser schießt oder eine Kugel durch einen Lauf jagen lässt. Die Technik spielt eine Rolle, dann die Ballistik, der Windeinfluss, Sonnenlicht. Alles spielt eine Rolle und macht das Gefühl für die Schützen erst aus. Ich vergleiche das immer - auch wenn man es sicherlich Äpfel und Birnen so ein bisschen nennen - kann: Auf der Autobahn sieht man auch nicht nur E-Autos, sondern da fährt der eine den Porsche, der andere den Mercedes, weil er eben auch mal aufs Gaspedal drücken möchte. Und das ist die Freiheit in unserem Land. Und die haben eben auch die Schützen, die Kleinkaliber oder Großkaliber schießen wollen."
Demokratiekurse und andere Präventivmaßnahmen möglich
Doch der Deutsche Schützenbund will die Prävention gegen Rechtextremismus in den Schützenhäusern verbessern. Dazu will man nun auch mit dem hessischen Innenministerium kooperieren. Das hatte bereits nach dem Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke und rechtsextremen Chats von hessischen Polizisten eine neue Sondereinheit zur Bekämpfung des Extremismus geschaffen. Thilo von Hagen:
"Wir werden in Kürze mit dem Leiter des hessischen Informations- und Kompetenzzentrums gegen Extremismus im hessischen Innenministerium sprechen. Die ja Präventivmaßnahmen für die hessische Polizei entwickelt haben, weil es damals ja auch rechtsradikale Tendenzen dort gab. Und das sind sicherlich Szenarien und Dinge, die wir angehen werden, um Präventivmaßnahmen zu ergreifen, um an der Basis direkt auch einwirken zu können."
Demokratiekurse, wie sie nun verstärkt in hessischen Behörden stattfinden, könnte es also künftig auch in Schützenhäusern hierzulande geben. Großkalibrige Waffen jedoch wird der Deutsche Schützenbund nicht freiwillig niederlegen.