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Wahl in Brandenburg
Die Not der kleinen Parteien

Bei der Landtagswahl in Brandenburg am Sonntag treten elf Parteien an. Die kleineren unter ihnen kämpfen darum, überhaupt wahrgenommen zu werden. Dabei greifen sie manchmal zu ungewöhnlichen Mitteln, wie unser Landeskorrespondent beobachtet hat.

Von Axel Flemming | 09.09.2014
    Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke von der SPD
    Ist jedem fünften Wähler in Brandenburg unbekannt: Regierungschef Woidke (SPD) (picture alliance / dpa / Julian Stratenschulte)
    Brandenburger Straße, Ecke Jägerstraße: Mitten in der Potsdamer Fußgängerzone liegt ein Mann auf dem Boden.
    Die Situation ist allerdings nicht dramatisch, denn der Mann liegt auf einem grünen Kunstrasenteppich. Es ist der Pressesprecher von Bündnis 90/Die Grünen Brandenburg. Eine Erst-Helferin ist auch dabei: Ursula Nonnemacher, Ärztin und Spitzenkandidatin der Brandenburger Bündnisgrünen. Sie sagt zu der ungewöhnlichen Wahlkampf-Werbung: "Wir gucken, wie wir noch ein paar witzige, pfiffige Aktionen machen können."
    Mit Erste-Hilfe-Kurs um Wähler werben
    Den Grünen fehle schlicht das Geld, um Bühnen aufzubauen und Bands zu verpflichten, sagt Nonnenmacher. Umfragen sehen die Partei zwischen fünf und sechs Prozent, jede Stimme hilft bei Wiedereinzug ins Landes-Parlament.
    Die Spitzenkandidatin gibt in Potsdam interessierten Passanten einen Erste-Hilfe-Schnell-Kurs und kommt so mit den Leuten ins Gespräch.
    Die meisten wissen nicht, wer sie ist.
    "Kennen Sie diese Frau?"
    "Welche? Nee!"
    "Nein."
    Das mit der Bekanntheit ist so eine Sache.
    Noch im August war der Spitzenkandidat der Partei Die Linke, Christian Goerke, für 61 Prozent der Bürger unbekannt. Dabei ist er Finanzminister. Michael Schierack, den Partei- und Fraktionsvorsitzenden der CDU kannten sogar 64 Prozent der Befragten nicht.
    Vor einem Wahlplakat, das ihn mit einem Bauarbeiter zeigte, fragten Passanten: 'Wer von den beiden ist denn der Spitzenkandidat?' Rund 19 Prozent kannten selbst den brandenburgischen Ministerpräsidenten Dietmar Woidke (SPD) nicht.
    "Keine Sau braucht die FDP"
    Für die FDP geht es nicht um Bekanntheit, sondern um die Existenz. Nachdem sie aus dem Bundestag geflogen ist und aus dem Landtag in Sachsen, fürchtet sie, künftig auch dem Parlament in Potsdam nicht mehr anzugehören. Anfangs plakatierte sie noch mutig bis verzweifelt: "Keine Sau braucht die FDP."
    Nachdem die Demoskopen das auch so sehen und sie zuverlässig zwischen nicht messbar und maximal drei Prozent einordnen, schießen sich die Liberalen jetzt argumentativ auf den Newcomer der Deutschen Parteienlandschaft ein: die Alternative für Deutschland (AfD). Der FDP-Landesvorsitzende Gregor Beyer warnt vor der AfD und spricht von einem "geradezu beängstigenden Ausmaß an rückwärts gerichtetem Populismus" und einer "nebelhaften Rückkehr von momentan noch populistisch getarnten Thesen rechtskonservativer Eiferer".
    Beyers Fazit: "Es scheint mir, als könne es sich am Ende als ein Treppenwitz der Geschichte erweisen, dass der Mief der alten Bundesrepublik ausgerechnet über die Landesparlamente der neuen Bundesländer zurückzukehren droht."
    Die AfD glaubt fest an den Einzug
    Spitzenkandidat der AfD in Brandenburg ist Alexander Gauland, über Jahrzehnte CDU-Politiker. Die Partei tue alles, um in den neuen Landtag zu kommen, sagt er. Aber mit Voraussagen und Zahlen sei er vorsichtig: "Bei der Bundestagswahl hatten wir auch alle mit sechs bis sieben Prozent gerechnet, und dann waren es 4,7 Prozent." Diesmal glaube er aber an einen Einzug.
    Jüngste Forderung von AfD-Spitzenkandidat Gauland: Öffentlich-rechtliche Sender könnten sehr gut nur mit Werbeeinnahmen und ohne Gebühren leben. Dass ein Teil von ihnen - wie das Deutschlandradio - per Staatsvertrag zur Werbefreiheit verpflichtet ist, ignoriert er.
    Kaum eine kleine Partei über fünf Prozent
    Außer den drei großen Parteien - SPD, Linke und CDU - sowie FDP, Grünen und AfD treten noch weitere Parteien mit Landeslisten an. Darunter sind die NPD, die Piraten, "Die Partei" als politischer Arm der Satirezeitschrift Titanic, die Republikaner, die DKP und die Freien Wähler. Nach Umfragen werden sie alle deutlich unter fünf Prozent bleiben.
    Einzig ein Außenseiter kann auf ein Direktmandat hoffen. Christoph Schulze sitzt seit 1990 im Landtag, trat 2012 im Streit um den Schallschutz am neuen Flughafen aus der SPD-Fraktion aus. Jetzt tritt er als Spitzenkandidat für die Freien Wähler an.