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Wahl in Mecklenburg-Vorpommern
Was die AfD erfolgreich macht

Wieder ein politischer Erfolg für die AfD, diesmal in Mecklenburg-Vorpommern. Dabei haben die Rechtspopulisten dort, wo sie bereits in Parlamenten sitzen, bisher nur wenig Substanzielles zustande gebracht. AfD-Politiker fallen eher durch verbale Entgleisungen auf. Der künftige Erfolg der neuen Partei hängt vom Verhalten der etablierten Parteien ab, meinen Politologen.

Von Ulrike Winkelmann und Christoph Richter | 05.09.2016
    Die Politiker der AfD freuen sich über den starken Wahlerfolg in Mecklenburg-Vorpommern.
    Politologen warnen die etablierten Parteien davor, die Themen der AfD aufzugreifen, um Wähler zu gewinnen. (dpa/picture-alliance/Daniel Bockwoldt)
    20,8 Prozent der Stimmen, aus dem Stand heraus zweitstärkste Kraft im neuen Schweriner Landtag, die CDU von Angela Merkel überholt – die Landtagswahl von Mecklenburg-Vorpommern kennt nur einen Wahlsieger und das ist die Alternative für Deutschland, die AfD. Jeder fünfte Wähler, vorrangig Männer, Arbeiter und Arbeitslose, hat gestern für die rechtspopulistische Partei gestimmt. Sie konnte von einer im Vergleich zu 2011 um 10 Prozent gestiegenen Wahlbeteiligung und vor allem von einer Proteststimmung gegen den Zuzug von Flüchtlingen nach Deutschland profitierten.
    "Von null auf über 20 Prozent, das ist ein stolzes Ergebnis, was wir uns vor einiger Zeit noch nicht hätten erträumen können. Wir schreiben hier heute in Mecklenburg-Vorpommern Geschichte. Endlich gibt es wieder eine Opposition im Landtag! Und vielleicht ist das heute der Anfang vom Ende der Kanzlerschaft Merkels", jubelte der Spitzenkandidat der Partei in Mecklenburg-Vorpommern, Leif-Erik Holm, am gestrigen Abend.
    Protestwahl gegen Merkel
    Was sich wie der Denkzettel einer abgehängten Region mit 1,3 Millionen Wahlberechtigten anfühlt, werten Beobachter, vor allem aber Politiker der CSU als Protestwahl gegen Merkels Flüchtlingspolitik. Als Beleg dafür dienen ihr die 23.000 Wähler, die die CDU an die AfD verloren hat – ausgerechnet in der Region, in der Angela Merkel ihren Bundestagswahlkreis hat.
    Hinzu kommen 56.000 Nichtwähler, die die AfD zur Stimmabgabe animieren konnte – Wähler, die laut dem Meinungsforschungsinstitut Infratest dimap Angst vor Flüchtlingen haben. Die in einer Nachwahlbefragung auch angaben, dass für Flüchtlinge mehr getan werde als für Einheimische, dass der Einfluss des Islam zunehme, die Kriminalität wachse und der Wohlstand bedroht sei.
    Sind Landtagswahlen also bloß noch Stimmungstests vor allem für die Flüchtlings- und Integrationspolitik? Was heißt das für die Wahl in Berlin in zwei Wochen oder für die Bundestagswahl im nächsten Jahr? Und wie ist mit der Alternative für Deutschland umzugehen?
    Parlamentarisches Klima durch Wahlergebnis verändert
    Eines lässt sich schon jetzt feststellen: Durch den Einzug der AfD in seit gestern neun Landesparlamente hat sich das parlamentarische Klima landauf, landab deutlich verändert. Der Ton in den Länderkammern ist ruppig, rau, bisweilen pöbelnd aggressiv, ja sogar persönlich beleidigend geworden. Deutlich zu erleben ist das auch in Sachsen-Anhalt, wo die AfD bei den Landtagswahlen am 13. März 24,3 Prozent der Stimmen, also 25 Landtagsmandate errungen hat. In Magdeburg haben die Rechtspopulisten damals die Linkspartei verdrängt und sind hinter der CDU zweitstärkste Kraft im Land geworden. Seitdem fallen im Magdeburger Landtag Sätze wie diese:
    "So lange hier Bundestagsmitglieder der Grünen hinter dem Schwarzen Block hinterherrennen und "Deutschland verrecke" rufen, brauchen wir über Volksverhetzung auf dieser Seite nicht sprechen. So ist es! Propaganda betreiben nicht wir, das betreiben diese Leute auf dieser Seite!"
    Oliver Kirchner, Landtagsabgeordneter der AfD, war das. Mit "Leuten auf dieser Seite" meint er die Abgeordneten der Grünen. Es sind verbale Entgleisungen dieser Art, die bei Abgeordneten der etablierten Parteien immer wieder für Kopfschütteln oder gar Entsetzen sorgen. Die aber deutlich machen, wie die AfD die Auseinandersetzungen im Landtag führt.
    Wenn Oliver Kirchner, ein früherer Gebrauchtwagenhändler, die Grünen oder die Linkspartei meint, spricht er immer von Links-Faschisten. Bundespräsident Joachim Gauck beschimpft er als Gaukler, Andersdenkende als Linksextremisten. Das ist selbst AfD-Landeschef André Poggenburg zu viel, sagt er zumindest. Er zählt, ähnlich wie Thüringens AfD-Chef Björn Höcke, zum völkischen Flügel der Alternative für Deutschland.
    "Es gibt Diskussionsbedarf dazu. Es resultiert natürlich daraus, dass auch von der anderen Seite schon lange, schon sehr lange gegen die AfD verbal unter der Gürtellinie geschossen wird. Und das erhitzt natürlich die Gemüter, auch bei uns. Und der eine oder andere hat das eben nicht so im Griff."
    Verbale Entgleisungen kommen immer wieder vor
    Dennoch wird sich der 41-jährige Landeschef André Poggenburg hüten, Leute wie Oliver Kirchner aus der Partei auszuschließen. Aus einem einfachen Grund: Sie sind für die AfD in den Landtagen das Markenzeichen, die der political correctness, wie sie sagen, den Spiegel vorhalten. Ein herausstechender Protagonist in Sachsen-Anhalt ist der AfD-Abgeordnete Hans-Thomas Tillschneider, so etwas wie der Chefideologe der Partei. Der frühere Mitarbeiter der Universität Bayreuth ist Islamwissenschaftler und führendes Bundesvorstandsmitglied der sogenannten Patriotischen Plattform, in der sich die stramm völkisch-rechten Mitglieder der Partei versammeln.
    Im Magdeburger Landtag ist Tillschneider für die AfD so etwas wie der Beauftragte für Schaufenster-Debatten, wie Politologen es nennen. Er sinniert in den Landtagsreden immer wieder darüber, wer eigentlich zu Deutschland gehöre, was das deutsche Volk sei, er fabuliert über eine deutsche Leit-Kultur und spricht darüber, dass eine grundgesetzlich verbriefte Religionsfreiheit nicht mehr zeitgemäß sei.
    "Es kann mir niemand erzählen, dass uns die Religionsfreiheit auch verbietet, die Islamverbände zu bekämpfen. Die mehr mit politischen Parteien zu tun haben, als mit Religionsgemeinschaften. Ich gewinne immer öfter den Eindruck, die etablierten Parteien verstecken sich nur hinter der Religionsfreiheit, um nicht offen eingestehen zu müssen, dass sie gar nicht willens sind, die Islamverbände zu bekämpfen."
    AfD scheint es um Symbolpolitik zu gehen
    Überhaupt scheint es der AfD in den Landesparlamenten vor allem um Symbolpolitik zu gehen. So forderte die AfD in Sachsen-Anhalt als erste parlamentarische Initiative eine Liberalisierung des Waffenrechts. Und vergangene Woche ging es im Magdeburger Landtag um das Verschleierungsverbot.
    Eine vollverschleierte Frau auf einer Straße in Frankreich
    Die AfD diskutiert immer wieder das Thema Verschleierungsverbot. (picture alliance / dpa / Jean Francois Frey)
    "Wer sich hier genauso kleidet wie in Kairo oder Kabul, der gibt zu verstehen, ich passe mich diesem Land nicht an. Ich verändere mich nicht, ich bin gekommen, um dieses Land zu verändern. Und genau diese Verweigerung dürfen wir nicht mehr tolerieren. Wir müssen sie mit allen Mitteln, die uns der Rechtsstaat an die Hand gibt und in der Politik üblich sind, bekämpfen."
    Die AfD attackierte den Islam vergangenen Donnerstag aber nicht nur in Magdeburg, sondern auch in Dresden und Erfurt. Damit kommt eine Praxis der Rechtspopulisten zum Vorschein, die für Außenstehende abgesprochen erscheint: Denn in drei Landtagen von Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen haben die Fraktionen am gleichen Tag eine überraschend ähnliche Anfrage gestellt. Das sei stilbildend und kein Zufall – und schon gar nicht ein Lapsus, der Parlamentsneulingen schon mal passiert, sagt der Soziologe und Rechtsextremismus-Experte David Begrich von der Magdeburger Arbeitsstelle Miteinander e.V.
    "Das ist sozusagen eine Art Fast Food-Parlamentarismus, den die AfD praktiziert. Faktisch ist es einfach so, dass die parlamentarische Kärrnerarbeit der AfD bis jetzt jedenfalls noch nicht stattgefunden hat."
    Wechselndes Personal
    Für Aufsehen sorgte in Magdeburg kürzlich der ehemalige AfD Landtags-Vizepräsident Daniel Rausch. Wegen offensichtlicher Überforderung hat er – bundesweit einmalig - nach nur sechsminütiger Amtszeit aufgegeben. Jetzt wollte man einen neuen Vizepräsidenten wählen, den 69-jährigen politisch völlig unerfahrenen Willi Mittelstädt, ein früheres SED-Mitglied.
    Doch Mittelstädt fiel im ersten Wahlgang durch, einen zweiten Wahlgang lehnten CDU, SPD, Grüne und Linke ab. Für AfD-Landeschef Poggenburg ist damit klar, in Sachsen-Anhalt agiere ein – Zitat - "Ein-Parteien-Kartell", von dem man sich aber nicht beeindrucken lasse. Und das Verhalten sei ein "Armutszeugnis für unsere Demokratie", meinte Poggenburg wörtlich.
    "Der Kandidat Mittelstädt wird unser Kandidat bleiben und wir werden ihn in der nächsten Plenumssitzung auch wieder einbringen zur Wahl. Und wir werden schauen, ob sich das Verhältnis geändert hat."
    Unter Beobachtern ist umstritten, ob das der richtige Umgang mit der AfD sein kann. David Begrich vom Magdeburger Anti-Rassismus Netzwerk Miteinander e.V. meint:
    "Ich habe in allen Parteien eine große Verunsicherung wahrgenommen, sowas wie eine Schockstarre. Und ich glaube die demokratischen Parteien sind sehr gut beraten, wenn sie wirklich den Versuch unternehmen, den Leuten reale Politikangebote zu machen, dann sind wir schon mal einen Schritt weiter."
    Absetzbewegungen wie in der Thüringer Landtagsfraktion, von der nur noch acht von ursprünglich 11 Abgeordneten im Erfurter Landtag vertreten sind, oder eine Spaltung, wie sie in Bremen oder jüngst in Baden-Württemberg zu erleben war, davon ist in Sachsen-Anhalt allerdings nichts zu spüren.
    Wenige Themen bisher von AfD politisch umgesetzt
    Ob es um fehlende Lehrer oder Polizisten geht, um steigende Kita-Gebühren, in den Landesparlamenten habe die Alternative für Deutschland bisher wenig Substantielles zustande gebracht. Das sagt der Politikwissenschaftler Steffen Kailitz vom Hannah-Arend-Institut an der TU Dresden und spricht von – Zitat – "unterdurchschnittlicher parlamentarischer Leistung". Ähnlich sieht es Politik-Psychologe Thomas Kliche von der Hochschule Magdeburg-Stendal.
    "Der künftige Erfolg der AfD wird entscheidend davon abhängen, ob die klassischen Parteien sich aus ihrem Gezänk befreien und ein konstruktives gemeinsames Programm entwickeln können. Wenn das der Fall ist, wird die AfD wieder in Bedeutungslosigkeit zurückschrumpfen. Wenn nicht, wird sie von diesem Protest– und Ausgrenzungspaket zehren."
    Der CSU-Vorsitzende und bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer.
    Viele AfD-Wähler würden auch die CSU unter Horst Seehofer wählen. (picture alliance / dpa / Michael Kappeler)
    Denn nach allem, was die Umfragezahlen hergeben, hat sich in der Wahl in Mecklenburg-Vorpommern eine Vermutung bestätigt: Viele der AfD-Wähler würden auch die CSU unter Horst Seehofer wählen, wenn dies außerhalb Bayerns denn möglich wäre. Damit wird der Streit innerhalb der Union, ob sie "mehr Seehofer" oder "mehr Merkel" braucht, sicherlich verstärkt. Dies dürfte insbesondere auch für das Thema Innere Sicherheit gelten.
    Nach den Anschlägen und Amokläufen in den bayerischen Städten Würzburg, Ansbach und München setzte Seehofer einen typischen Akzent. Seine Staatsregierung präsentierte unverzüglich ein Paket an Maßnahmen:
    "Ich möchte darauf hinweisen, dass es das umfassendste und tiefste Sicherheitskonzept ist, das bisher in der Bundesrepublik Deutschland vorgelegt worden ist."
    Schnelle Vorlage von Sicherheitskonzepten
    Die anderen Unions-Innenminister zogen nach. Mitte August stellten sie die sogenannte "Berliner Erklärung" vor - mit Polizei-Ausbau, Videoüberwachung und einigem mehr. Bundesinnenminister Thomas de Maizière erläuterte den Anspruch von CDU wie CSU:
    "In der ‚Berliner Erklärung‘ untermauert die Union, dass wir wie keine andere Partei dafür stehen, dass Freiheit in Sicherheit gewährleistet sein muss."
    Der Innenminister von Mecklenburg-Vorpommern, Lorenz Caffier, trug die Punkte vor, mit denen die Unions-Innenminister offenbar meinten, potenzielle AfD-Wähler besonders gut ansprechen zu können. Das Burka-Teil-Verbot:
    "Wir wollen als Union durch zusätzliche Maßnahmen und Mittel aber Deutschland langfristiger noch sicherer machen. Die Vollverschleierung beeinträchtigt nach unserer Auffassung den gesellschaftlichen Zusammenhalt und ist damit ein Integrationshemmnis. Deshalb lehnen wir sie ab und fordern, dass alle Menschen in Deutschland ihr Gesicht zeigen."
    Das CDU-Ergebnis in Mecklenburg-Vorpommern von 19 Prozent gibt nun keinen Hinweis, dass die Union Caffier damit geholfen hat. Die Frage ist, ob es bei der Präsentation einer Inneren-Sicherheits-Agenda dann doch noch stärker auf das Wann und Wie ankommt. Aus Sicht der eher CSU-nahen Strategiekritiker haben die CDU-Innenminister natürlich von allem zu wenig und dies auch noch zu spät und zu wenig knackig gebracht.
    Sicherheitspolitik als Wahlkampfthema wahrgenommen
    Auch Manfred Güllner, Chef des Meinungsforschungs-instituts Forsa und gewiss nicht CSU-nah, erklärt: Der Innere Sicherheits-Wahlkampf in Mecklenburg-Vorpommern sei ebenso unglaubwürdig gewesen, wie es der noch laufende in Berlin mit dem dortigen Innensenator Frank Henkel sei.
    "Ich denke, der Hauptfehler war bei den CDU-Innenministern, die hier großspurig etwas angekündigt hatten, was zur Erhöhung der Inneren Sicherheit führt, die ihre Beschlüsse dann durch die Herren Henkel und Caffier haben verkünden lassen. Das wurde dann als blanker Opportunismus von den meisten Menschen gesehen und dem Wahlkampf geschuldet, was ja auch der Fall war."
    In der Tat gebe es in der Bevölkerung seit Jahren wachsende Ängste, etwa vor Einbruchskriminalität. Hier seien Innenpolitiker gefordert. Es gebe aber keinen Grund, nach den Anschlägen in Bayern in Hektik und Hysterie zu verfallen, sagt Güllner.
    "Die Politik muss natürlich sich um die Innere Sicherheit kümmern. Aber das ist etwas anderes, als wenn man plötzlich vor Wahlen das Thema entdeckt oder wenn man zur AfD hin schielt, glaubt, hier ein Thema aufgreifen zu müssen, was die AfD bedient, oder die Abwanderung von eigenen Wählern dorthin zu verhindern."
    Es sei schon in der Vergangenheit schief gegangen, wenn die CDU versucht habe, rechten Parteien auf deren eigenen Themenfeldern etwas entgegen zu setzen.
    Zwei Grossplakate zur Landtagswahl 2016 in Mecklenburg-Vorpommern mit den Spitzenkandidaten der SPD Erwin Sellering (links) und der CDU Lorenz Caffier stehen an einem Einkaufscenter in Rostock. Die Wahl zum 7. Landtag des Landes Mecklenburg-Vorpommern findet am 4. September 2016 statt. Schwerin
    Es gehe oft schief, wenn die CDU versuche, Themen rechter Parteien aufzugreifen, so Manfred Güllner. (Imago / Frank Hormann / Nordlicht)
    "Denken Sie an Baden-Württemberg 1992 und 1996, wo die CDU mit dem Ausländerthema Wahlkampf gemacht hat und damit die rechtsradikalen Republikaner stark gemacht hat, die ja mit fast zehn oder über zehn Prozent 1992 sogar in den Landtag einzogen. Es gibt kommunale Beispiele, bei einer Kommunalwahl in Hessen hatte die CDU in Frankfurt auch mit dem Ausländerthema Wahlkampf gemacht und damit die NPD in den Römer getrieben."
    Keine Themen rechter Parteien aufnehmen
    Dies gelte im Übrigen auch für die SPD, sagt Wahlforscher Güllner. Ein berühmtes Beispiel dafür ist der Absturz der SPD in Hamburg am Ende der 90er Jahre. Die Sozialdemokraten, seit Jahrzehnten fast ununterbrochen an der Macht, wollten damals einen Impuls aus Großbritannien aufnehmen. Tony Blair hatte 1995 als strahlender neuer Labour-Chef verkündet, Recht und Ordnung seien sozialdemokratische Themen: "Law and order is a Labour issue today."
    1997 gewann Blair die Wahl. Prompt plakatierte die SPD in Hamburg: "Law and order is a Labour issue". Das nützte ihr jedoch 1997 schon nicht, und nach der Wahl 2001 übernahm ein CDU-Bürgermeister zusammen mit dem Rechtspopulisten Ronald Schill das Rathaus.
    "Diejenigen Politiker der Mitte, die versucht haben, die Rechtspopulisten rechts außen zu überholen, haben dadurch selten Erfolg. Auch in Österreich sehen wir, dass die Versuche der Bundesregierung, durch Großinvestitionen in Polizei und Militär die Wählerinnen und Wähler zu beruhigen, nicht funktionieren."
    Christoph Hofinger leitet das Wahlforschungsinstitut Sora in Wien. Er beobachtet den Aufstieg der rechtspopulistischen FPÖ in Österreich seit Jahrzehnten genau. Hofinger sagt:
    "Wenn in einem Parteiensystem rechtspopulistische Parteien wie die AfD kandidieren und wahlkämpfen, macht es keinen Sinn für die Zentrumsparteien, die Themen Innere Sicherheit, Kriminalität, aktiv anzusprechen. Es ist praktisch unmöglich, über Sicherheitsthemen zu reden, ohne ein Gefühl der Unsicherheit zu verstärken."
    Rechtspopulisten nicht aufwerten
    Rechtspopulisten dürften nicht dadurch aufgewertet werden, dass man die Ängste, die sie im Verbund mit der Boulevardpresse schüren, noch bestätigt. Darin sind sich der Wiener Wahlforscher Hofinger und sein Berliner Kollege Güllner einig.
    In anderen Punkten sind sie sich jedoch uneinig – etwa darüber, welche Bedeutung es für Sozialdemokraten hat, sich gegen die Parteilinie behaupten zu wollen. Güllner sagt, es gebe hierfür ein gutes Beispiel: In Person des Innenministers der rot-grünen Bundesregierung von 1998 bis 2005.
    "Es gibt eine Figur namens Otto Schily, der nach dem 11. September durch seine Sicherheitspolitik, auch durch seine recht scharfen Vorstellungen von Sicherheitspolitik, Vertrauen bei den Menschen in Deutschland gewonnen hat, und damit auch seiner Partei, der SPD, auf diesem Feld, was kein originäres Kompetenzfeld der SPD ist, Kompetenz gegeben hat."
    Hofinger dagegen erklärt:
    "Die sozialdemokratischen Politiker, die sich in ihrer Rhetorik in sehr vielen Punkten auch wie Mitte-Rechts-Politiker anhören, haben immer wieder kurzfristige Erfolge, die aber nicht daran liegen. Sondern sie führen langfristig eher dazu, dass diese Mitte-Links-Parteien geschwächt werden, weil das Wertesystem, das zum Beispiel konservative Parteien im Wahlkampf vertreten, dadurch mittel- und langfristig gestärkt wird."