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Wahlen im Tschad
Das Volk rebelliert

Trotz pulsierender Ölförderung gehört der Tschad zu den ärmsten Ländern der Welt. Statt in Bildung und Infrastruktur zu investieren, fördert Präsident Idriss Deby Itno nur die militärische Aufrüstung seines Landes - das Vertrauen der Bevölkerung in das Regime ist erschüttert. Bei den kommenden Wahlen könnte ihm das nach 25 Jahren sein Amt kosten.

Von Stefan Ehlert | 09.04.2016
    Idriss Deby Itno, Präsident des Tschad und seine Frau Inda, winken Unterstützern bei einer Wahlkampfveranstaltung in Ndjamena.
    Präsident Idriss Deby Itno bei einer Wahlkampfveranstaltung in Ndjamena. (AFP / SSOUF SANOGO)
    Wird diese junge Frau das Schicksal des Tschad ändern? Eine 17-Jährige Oberschülerin, Zouhoura. Mutig blickt sie in die Kamera und erzählt, wie sie Opfer einer Gruppenvergewaltigung wurde:
    "Sie wusste nicht wo sie war, die Täter hätten sie ausgezogen, Fotos gemacht, gefilmt, alles, alles. Und gedroht, alles ins Netz zu stellen, wenn sie zur Polizei ginge."
    Fall Zouhoura ist nur die Spitze des Eisbergs
    Doch sie ging zur Polizei und stellte sich der Gefahr, die ihr drohte, weil die mutmaßlichen Täter mächtige Verbündete haben, es sollen ein Minister- und vier Generalssöhne sein. Die offenbar glaubten davonkommen zu können und das Video ins Netz stellten. Daraufhin kam es in der Hauptstadt Ndjamena zu wütenden Straßenprotesten, die Demonstranten forderten Gerechtigkeit für Zouhoura, ein Student wurde von der Polizei erschossen. Dann die Festnahmen und das Versprechen des Generalstaatsanwalts im Fernsehsender France 24, den Fall aufzuklären:
    "Ich informiere die nationale und internationale Öffentlichkeit darüber, dass die Ordnungskräfte eingreifen und die Verantwortlichen für ihre Taten vor Gericht stellen werden."
    Der Fall Zouhoura ist nur die Spitze des Eisbergs - das Vertrauen der Bevölkerung in das Regime von Idriss Deby Itno ist erschüttert, obwohl die meisten nie einen anderen Präsidenten als ihn erlebt haben: die meisten der 13 Millionen Tschader waren noch nicht einmal geboren, als sich Deby vor 25 Jahren an die Macht putschte. Mehrfach selbst von Putschversuchen und Aufständen bedroht, klammert sich der in Frankreich ausgebildete Offizier an sein Amt:
    "Mehr Basisdemokratie verspricht er bei einem Wahlkampfauftritt, mehr Kompetenzen für die Regionen, die heute nicht mehr Krieg gegeneinander führten."
    Vielvölkerstaat mit mehr als 200 ethnischen Gruppen
    In der Hand hält Deby den Wimpel seiner Patriotischen Wohlstandsbewegung, auf dem sich die Symbole Hacke und Gewehr kreuzen – das Gewehr, die Armee ist nach wie vor sein wichtigstes Instrument, um den Vielvölkerstaat aus 200 ethnischen Gruppen zusammenzuhalten. Den Strategen nennen sie ihn, der immer am Nationalfeiertag die Parade der Truppenteile abnimmt:
    Debys Armee half Frankreich in Mali aus der Bredouille. Jetzt führt sie die regionale Allianz gegen Nigerias Terrorsekte Boko Haram an – die Allianz hat in Ndjamena ihr Hauptquartier. Außenpolitisch ist de als Sohn eines Schafhirten aufgewachsene Deby so angesehen wie nie zuvor: Vorsitzender der Afrikanischen Union, von Obama im Weißen Haus empfangen, von Frankreich hofiert, weil nur Debys Armee dem Terror in der Region gewachsen zu sein scheint:
    "Natürlich sind wir wegen der Nachbarn in Sorge, die Konsequenzen beeinflussen uns ja auch."
    Wachsender Unmut im Land
    Gefahr droht aus Libyen im Norden, der Terror kommt aus Nigeria im Süden. Boko Haram fielen am Tschadsee und in der Hauptstadt Ndjamena schon viele Menschen zum Opfer. Deby reagierte mit Ausnahmezustand an der Grenze, mit Burka-Verbot und Todesurteilen für Terror-Kämpfer. Doch gegen die wachsende Unzufriedenheit im Land hat er kein Rezept. Auf Proteste reagierte die Polizei mit willkürlichen Verhaftungen und Versammlungsverboten. Der Sprecher der zivilgesellschaftlichen Plattform "Ca suffit", Mahamat Nour Ibedou, fordert Debys Abdankung – im Februar organisierte die Plattform unter dem Motto "Es reicht, die Stadt steht still" einen weithin befolgten Generalstreik.
    "Er ist jetzt 25 Jahre an der Macht, und wir finden, es reicht, die Bilanz ist katastrophal. Wir wollen Deby nicht erlauben, die Bevölkerung noch weitere 5 Jahre leiden zu lassen."
    Beamte fordern mehr Gehalt, Schüler bessere Bildung – nur ein Drittel der Menschen kann lesen und schreiben, und alle fragen sich, wann es endlich aufwärts geht mit dem Tschad. Die Menschen werden immer ärmer: Obwohl seit Beginn der Ölförderung 2003 viel mehr Geld ins Land kommt, gehört der Tschad weiter zu den ärmsten Ländern der Welt. Deby steckt in einer Zwickmühle: Das Leben wird immer teurer für die Menschen, weil der Boko-Haram-Terror den Handel mit den Nachbarn Kamerun und Nigeria bedroht. Der Krieg dagegen verschlingt Mittel, die Deby dringend zur Entwicklung seines Landes einsetzen müsste. Gleichzeitig lässt der Absturz der Ölpreise die Staatseinnahmen schrumpfen wie Butter in der Sonne. Der Oppositionelle Gali Ngothé Ghatta mahnt, Deby müsse aufhören, nur auf militärische Lösungen zu setzen:
    "Öleinnahmen werden völlig undurchsichtig verwaltet"
    "Man sagt immer: der Tschad ist ein Land der Krieger, und Idriss Déby ist ein guter Militär. Er hat in Mali interveniert und in der Zentralafrikanischen Republik… dabei hat der Tschad für solche Einsätze nicht die Mittel! Das Geld, das ins Militär investiert wird, fehlt dann in den Schulen, im Gesundheitswesen, im Wohnungsbau! Die Öleinnahmen werden völlig undurchsichtig verwaltet, ohne Mitsprache des Parlaments."
    Die Kritik findet Widerhall in der Bevölkerung. Deby hat viele Gegenkandidaten, darunter Oppositionsführer Saleh Kebzabo von der Union für Demokratie und Erneuerung. Er umgarnt die jungen Leute, indem er Investitionen in die Bildung verspricht:
    "Wer den Tschad regiert und nicht begriffen hat, dass die Schulbildung absolute Priorität genießt, der hat nichts begriffen, weil er nicht verstanden hat, dass eine schlecht ausgebildete Bevölkerung keine Fortschritte machen kann."
    Deby hat angekündigt, die 5. Amtszeit werde seine letzte sein. Einen Nachfolger hat der 63-Jährige nicht aufgebaut – was nach ihm kommt? Ungewiss. Für Zouhoura, die junge Frau in Ndjamena, ist es nicht so wichtig, WER Präsident wird. Sondern dass er dafür sorgt, dass ihre Vergewaltiger auch wirklich vor Gericht gestellt werden.