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Wahlinszenierung nach Autokratenart

Seit 1994 ist Alexander Lukaschenko Präsident von Weißrussland und missbraucht seitdem seine Position. Er hat zwar kein totalitäres Herrschaftssystem wie zu Sowjetzeiten installiert, aber er regiert autoritär und sichert seine Macht mit Gewalt und Einschüchterung. Nun lässt er ein neues Parlament wählen.

Von Sabine Adler | 22.09.2012
    Nie waren die Erwartungen niedriger. In den 18 Jahren, seitdem Präsident Aleksander Lukaschenko an der Macht ist, sind die Weißrussen vier Mal aufgefordert worden, ein neues Parlament zu wählen, drei Mal gab es Präsidentschaftswahlen. Jedes Mal wurden sie enttäuscht. Nicht ein Urnengang genügte demokratischen Anforderungen. Die Abstimmung morgen wird auch keine Wende einleiten.

    Der Vorsitzende der Vereinigten Bürgerpartei, Anatoli Lebedko, fragt sich angesichts des erwartbaren Ablaufs, weshalb die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa ihre Wahlbeobachter überhaupt noch schickt. Die Hausaufgaben habe die OSZE schon vor Jahren formuliert. Nun erneut schlechte Noten fürs Nichterledigen zu vergeben, sei Geld- und Zeitverschwendung, bestenfalls ein Tätigkeitsnachweis der Organisation.

    "Wir verwenden nicht die Worte 'Wahl' oder 'Parlament', weil in Weißrussland damit nicht das gemeint sein kann, was sonst diese Bezeichnung trägt. Wir nehmen auch nicht an einer Wahl teil, denn das ist keine, aber wir nutzen diese Zeit jetzt für eine Kampagne, in der wir ein Bewusstsein für ehrliche Wahlen wecken wollen. 2004 und 2008 haben wir an den Parlamentswahlen teilgenommen und uns an die von der Regierung aufgestellten Regeln gehalten. Wir aber wurden im Gegenzug weder zur Wahlkommission noch zum Auszählen der Stimmen zugelassen, sondern lediglich zum Verkünden des glänzenden Sieges der Regierungskandidaten."

    Auf keiner Ebene, in keiner der beiden Kammern des Parlaments, nicht in den Regionen, nicht in den Städten oder Gemeinden sitzen auch Oppositionspolitiker in den Volksvertretungen. Nicht, dass es sie nicht oder zu wenig gäbe. Sie werden nur regelmäßig blockiert.

    Alexander Milinkjewitsch, der 16 Jahre lang Vizebürgermeister in Grodno ganz im Westen Weißrusslands war, legte sein Amt nieder, als er sah, wozu Lukaschenko die 1994 errungene Macht missbrauchte. Statt das 1991 souverän gewordene Land zu neuer Blüte zu führen, stoppte Lukaschenko den Umstieg auf die Marktwirtschaft. 1996 löste er das Parlament auf. In den Jahren 1999/2000 ließ er vier Journalisten und politische Gegner verschwinden, vermutlich sogar umbringen, werfen ihm Oppositionelle und Menschenrechtler bis heute vor. 2004 schließlich veranlasste er eine Verfassungsänderung, um sich unbegrenzt viele Amtszeiten zu sichern. Die gerade erst gewonnenen demokratischen Freiheiten wurden stark beschnitten: die der Presse, das Organisations- und Versammlungsrecht. Seit acht Jahren kann sich keine neue politische Partei registrieren lassen, Demonstrationen im Stadtzentrum sind verboten, selbst Schweigemärsche duldet das Regime nicht, die Stadtverwaltung der Hauptstadt Minsk erließ im vorigen Jahr ein entsprechendes Gesetz. Lukaschenko hat kein totalitäres Herrschaftssystem wie zu Sowjetzeiten installiert, dennoch: Er regiert autoritär, sichert seine Macht mit Gewalt, Einschüchterung, Angst. Milinkjewitsch, der frühzeitig das autoritäre Potenzial des damals neuen Präsidenten erkannte, nennt es das Lukaschenko-Know-how. Nach drei Jahren politischer Abstinenz hatte es der gelernte Physiker Milinkjewitsch satt. Statt sich nur über Lukaschenko im Familien- und Freundeskreis zu empören, beschloss er, dem Minsker Alleinherrscher den Kampf anzusagen. Doch der erwies sich bislang als ungleich stärker.

    "Als ich mich im Jahr 2000 entschloss, Oppositionspolitiker zu werden, durfte ich nicht mehr an der Universität arbeiten, an der ich 25 Jahre unterrichtete hatte. Wer sich bei uns in der Opposition engagiert, ist meist arbeitslos. Das ist das Know-how, nach dem Lukaschenko vorgeht. Wer sich loyal verhält, kann arbeiten, wer nicht, nicht. Wer als Unternehmer Oppositionspolitiker wird oder diese unterstützt, verliert seinen Betrieb, wer NGOs hilft, läuft Gefahr, dass das ebenfalls passiert."

    Der in Weißrussland bekannte Blogger Viktor Malischewski klagt über eine Opposition, deren Aktivisten überaltert sind.

    "Bei der Vereinigten Bürgerpartei sind von den acht Kandidaten, die sie stellt, fünf Rentner und die anderen drei sind schon nahe am Pensionsalter dran."

    Der 38-jährige ehemalige Journalist schimpft ganz offensichtlich auf die Falschen. Nicht die Opposition, sondern Lukaschenko ist dafür verantwortlich, dass es sich viele drei Mal überlegen, ob sie sich offen als seine Gegner zu erkennen geben. Wie groß die Gefahr ist, seine Existenz zu verlieren, hat Anatoli Lebedko, der noch keine 50 ist, zu spüren bekommen. Der Chef der Vereinten Bürgerpartei, aber auch der Schriftsteller Wladimir Neklajew, insgesamt sieben der neun Oppositionskandidaten, die es im Dezember 2010 gewagt hatten, gegen Präsident Lukaschenko zu kandidieren, wurden ins Gefängnis geworfen, einige sitzen dort noch immer.

    "12 bis 15 politische Gefangene gibt es derzeit. Die bekanntesten sind Statkjewitsch, der sozialdemokratische Präsidentschaftskandidat, Daschkjewitsch, Vorsitzender der Jugendbewegung, und Sewerenjetz von den Christdemokraten. Sämtliche politische Häftlinge sind in der Vergangenheit nur über einen Dialog mit dem Westen freigekommen."

    Wladimir Neklajew erlebte Haft und dort: Folter. Doch auch wenn ihn der Kerker nicht am Schreiben hindern konnte, er es selbst dort nicht aufgab, so genügt es ihm doch schon einige Jahre nicht mehr, sich nur literarisch zu Wort zu melden.

    "Die Literatur ändert absolut nichts an der politischen Situation im Land, ich aber wollte, dass sich etwas ändert. Dieses Regime hat nichts übrig für die weißrussische Sprache, die Geschichte, Kultur, doch damit nicht genug, es handelt auch gegen die Interessen unserer Nation."

    Wie Milinkjewitsch und Neklajew fürchtet die gesamte Opposition um die Unabhängigkeit Weißrusslands, Gründe für ihre Sorge sehen sie mehr als genug.

    "Die Beziehungen zwischen dem Lukaschenkoregime und Russland, das unserem Regime ja sehr ähnlich ist, können sehr gefährlich werden. Uns droht die Russifizierung. Selbst Leute, die ich zu meinen guten Bekannten zählen würde, russische Intellektuelle stellen Weißrussland als Nation immer wieder infrage. Sie akzeptieren unseren Wunsch nach Selbstständigkeit nicht, behaupten, dass unsere Sprache einfach nur ein russischer Dialekt, unsere Geschichte diejenige Russlands sei, unser Land - russisches Land. So war es vor und während der Sowjetzeit und so ist es bis heute."

    Jewgeni Preigmann, ein junger Politologe, stimmt zu: Nicht nur der russische Präsident Putin lege dieses imperiale Gehabe an den Tag, sondern die gesamte russische Elite, einschließlich der russischen Opposition.

    "Daraus speist sich auch dieses Verständnis: Für seine eigenen Leute muss man zahlen, denen muss man helfen. Aber irgendwann kommt natürlich die Rechnung dafür. Und da gefällt es ihnen natürlich nicht, dass Lukaschenko beispielsweise 2008 Südossetien und Abchasien nicht als von Georgien unabhängige Staaten anerkannt hat. Das führte zu einem großen Krach zwischen Minsk und Moskau, aber im Kreml hat man offenbar Angst, es mit jemand ganz anderem zu tun zu bekommen, den man nicht kennt und so wird eine Entscheidung herausgezögert."

    Genaugenommen verbindet Lukaschenko und die Opposition in diesem einen einzigen Punkt ein gemeinsames Interesse. Beide wollen Weißrussland als unabhängigen Staat erhalten, freilich aus höchst unterschiedlichen Beweggründen. Käme eine Fusion oder Föderation zustande, dann gewiss nicht so, wie sie Putins Vorgänger im Amt, Boris Jelzin Lukaschenko schmackhaft gemacht hatte: mit wechselnden Präsidentschaften. Mal hätte ein Russe Präsident der Konföderation sein sollen, mal ein Weißrusse. Seit Putin Lukaschenko rasch klargemacht hat, dass dies mit ihm niemals stattfinden wird, bleibt es bei der russisch-weißrussischen Verteidigungs- und Zollunion. Putin hatte Weißrussland den Status einer russischen Provinz vorgeschlagen, doch dann wäre Lukaschenko die längste Zeit Präsident gewesen.

    Die weißrussische Opposition möchte zwar nichts lieber als seinen Abgang, allerdings nicht zu russischen Bedingungen. Auch, weil Weißrussland - dann nicht mehr souverän - vom Regen in die Traufe käme, es genauso wenig vorwärtsginge in Richtung Demokratie. Keine europäische Volkswirtschaft trägt noch so deutlich planwirtschaftliche Züge wie die weißrussische, versichert der Wirtschaftswissenschaftler Jaroslaw Romantschuk, 2010 ebenfalls Präsidentschaftskandidat. Ihm hatten Lukaschenkos Schergen am Wahlabend übel mitgespielt. Sie sperrten ihn nicht – wie die anderen – ins Gefängnis, sondern erpressten ihn: Er könne Leben retten, zum Beispiel das seines inhaftierten Parteichefs Lebedko, wenn er die Drahtzieher der Massenproteste benennen würde. Romantschuk gilt seitdem manchem in der Opposition als Verräter. Romantschuk indessen kritisiert den Autokraten wieder mit unverminderter Deutlichkeit.

    "75 bis 80 Prozent der Betriebe sind staatlich, nur und 700 bis 800.000 Menschen arbeiten in mittelständischen Betrieben. Die staatliche Seite spricht von 60 bis 65 Prozent nicht staatlicher Betriebe, aber da muss man wissen, dass die Aktiengesellschaften, die herausgerechnet werden aus dem staatlichen Sektor, mehrheitlich vom Staat gehalten werden."

    Die Oppositionskräfte wollen die Marktwirtschaft einführen und so den wirtschaftlichen Niedergang aufhalten, der nirgends so deutlich wird wie beim Wertverfall des weißrussischen Rubels. Die Inflation galoppiert. Über 100 Prozent betrug sie im vorigen Jahr, 50 Prozent bisher in diesem. Die russische Wirtschaftshilfe ist mitnichten selbstlos. Lukaschenko möchte ein Atomkraftwerk. Er bekommt es. Proteste der weißrussischen Bevölkerung, die unter der Tschernobylkatastrophe gelitten hat und weiterhin so leidet wie nirgendwo sonst, werden schon im Keim erstickt. Die Unabhängigkeit von russischem Öl und Gas scheint verlockend. Dass Moskau das AKW nicht nur baut, sondern finanziert und am künftigen Standort Grodno auch gleich einen ganz neuen Reaktortyp testet, wird öffentlich allenfalls nebenbei erwähnt. Kein Wort fällt über das politische Spiel, das Moskau dabei betreibt: Das AKW so nah an der litauischen und polnischen Grenze stellt die Atompläne in Vilnius und Warschau infrage, denn gleich mehrere AKW auf so engem Raum erscheinen vielen Menschen gefährlich, auch wenn sie die Atomkraft weit weniger entschieden ablehnen als in Deutschland. Moskaus Hilfe kann sich für Minsk als Bärendienst erweisen, den Preis wird Weißrussland so oder so doppelt und dreifach zahlen, auch wenn der Zahltag noch in weiter Ferne zu stehen scheint:
    "Das ist ein großes Spiel, bei dem Putin erwartet, dass Weißrussland den Beitritt zum eurasischen Wirtschaftsraum unterschreibt, seine eigene Währung aufgibt und den russischen Rubel übernimmt, dass Weißrussland sich politisch zu 100 Prozent dem Kreml unterordnet. Außerdem soll Weißrussland diverse staatliche Betriebe an russische Geschäftsleute verkaufen. Auf dem Wunschzettel stehen zwei Ölraffinerien, das Kaliwerk, das noch zu einhundert Prozent dem Staat gehört und der weltgrößte Produzent von Dünge-Salzen ist. Dann geht es um die Energiewirtschaft, die bei uns noch gar nicht privatisiert worden ist, um die Telefongesellschaft Bel-Telecom, um Versicherungsunternehmen, die staatliche weißrussische Bank, um Erd-Öl-Betriebe."

    Die Unabhängigkeit in einem Land ohne einen Präsidenten namens Lukaschenko zu bewahren – diese beiden Ziele vereinen die Opposition. Dennoch scheint sie so schwach zu sein wie selten zuvor. Ihr fehlen neue Köpfe. Dass den sich jahrelang verkämpfenden Spitzenfiguren allmählich die Puste ausgeht, kann ihnen nur verdenken, wer nicht an ihrer Stelle steht.

    "Ich habe sehr darum gekämpft, dass die Opposition gemeinsam vorgeht, einheitlich agiert. Egal, ob sie nun kandidiert, nicht teilnimmt oder zum Boykott aufruft, Hauptsache gemeinsam","

    beteuert Wladimir Neklajew. Er hätte eine gemeinsame Verweigerung unterstützt. Als die nicht in Sicht war, half er Unterschriften für unabhängige Kandidaten zu sammeln, genau wie Milinkjewitsch von der Bürgerbewegung "Für die Freiheit", für den es ganz und gar nicht infrage kommt, die Wahl tatenlos vorüberziehen zu lassen.

    ""Boykott mag ja eine sehr moralische Haltung sein, aber das ist keine Politik. Man erzählt den Menschen doch nichts Neues, wenn man sagt, dass Lukaschenko ein Diktator ist. Das wissen selbst die, die ihn unterstützen, denn sie finden es sogar gut und richtig, dass wir einen Diktator haben. Wir müssen den Menschen zeigen, dass es eine Alternative gibt. Sie haben in Lukaschenko kein Vertrauen mehr und in uns noch keins."

    Was nicht zuletzt am Hü und Hott innerhalb des Oppositionslagers liegt. Die Vereinigte Bürgerpartei von Anatoli Lebedko hat zwar Kandidaten aufgestellt, sie aber vorige Woche wieder zurückgezogen. Was die meisten Wähler kaum verstehen dürften. Zumal die anderen unabhängigen Kandidaten bis zuletzt kämpfen, trotz fehlender Aussicht auf einen Sitz im Parlament. Lukaschenkos Gefolgsleute dagegen machen innerhalb der Opposition keinen Unterschied, alle Kritiker sind ihnen gleich lästig, deren Zahl ist deshalb auf ein Minimum zu begrenzen. Somit finden sich morgen nur wenige Namen unabhängiger Kandidaten auf dem Wahlzettel für die 110 Mandate der zweiten Parlamentskammer, die allermeisten Bewerber sind gar nicht zugelassen worden. Alexander Milinkjewitsch hat die Bürger dennoch während der vergangenen Wochen beschworen, morgen trotzdem abzustimmen und dann die wenigen Oppositionsbewerber zu wählen.
    "Die Leute sollten zu Wahl gehen. Und: Unsere Anhänger wollen sehen, dass wir kämpfen, deswegen können wir die Kandidaten nicht zurückziehen. Für sie haben die Leute mit ihren Unterschriften schließlich etwas riskiert. Sie haben sich auf den Listen offiziell zur Opposition bekannt. Die Regierung weiß das jetzt. Sie laufen Gefahr, ihre Arbeit zu verlieren. Selbst wenn unsere Stimmen nicht gezählt werden, sehen die Funktionäre doch immerhin, dass es sie gegeben hat."

    Immerhin wissen die Oppositionellen, dass die Wahl für die Repräsentantenkammer des Parlaments durchaus eine Station auf dem Weg zur nächsten Präsidentschaftswahl ist, auch wenn sie dort morgen aller Voraussicht nach keinen einzigen Sitz erobern werden. Auf Hilfe von außen, in Gestalt finanzkräftiger Unternehmer, die mit ihrem Geld die Sache der Opposition unterstützen, können Neklajew, Milinkjewitsch, Lebedko & Co dabei nicht hoffen, ist sich Jewgeni Preigmann, der junge Politologe, sicher.

    "Woanders, in Georgien oder in der Ukraine gibt es sozusagen eine Gegenelite. Einflussreiche Leute mit viel Geld, Milliardäre oder doch Millionäre. Das sind Leute aus der Wirtschaft, die von einem Tag auf den anderen eine Regierung auf die Beine stellen könnten. Bei uns gibt es solche Leute nicht. Niemanden, der hinter den Menschen steht, die nach den Wahlen auf der Straße protestieren. Dafür hat dieses Regime gesorgt. Dass nicht so etwas wie in Serbien geschieht. Aus diesem Grund werden Jugendorganisationen aus Prinzip nicht zugelassen. Der größte Teil der Oppositionspolitiker ist bereits Ende der 1990er-Jahre gegangen. Jetzt wird zwar niemand umgebracht, aber so vieles ist nicht mehr erlaubt."

    Alexander Milinkjewitsch, der schon einmal 2006 als gemeinsamer Kandidat der Opposition bei den Präsidentschaftswahlen nominiert worden war, macht sich keine Illusionen darüber, wie weit die Lukaschenko-Gegner von einem Sieg über den Despoten entfernt sind.

    "2006 gingen rund 30.000 Menschen nach der Wahl auf die Straße. 2010 waren es auch so viele, aber es hätten weit mehr sein können, wenn wir uns geeinigt hätten. Die Opposition wird seit zehn Jahren von rund einem Viertel der Bevölkerung unterstützt. Und dass die Zahl nicht weiter wächst, ist unsere Schuld. Wir müssen uns zusammenschließen, so wie 2001 und 2006 zu den Präsidentschaftswahlen, stattdessen gibt es innerhalb der Opposition irgendwelche Kämpfe."

    Viele Weißrussen sind nicht nur wegen der Uneinigkeit der Lukaschenko-Kritiker keineswegs davon überzeugt, dass nach einem Abgang des Autokraten alles besser werden würde. Und der wird nicht müde, über seine gleichgeschalteten Medien die Angst zu schüren, dass ohne ihn in Weißrussland Bürgerkriege, Nationalitätenkonflikte, Terrorismus ausbrechen oder auch die Korruption zu blühen beginnen würde, so wie in Russland. Oder auch, dass die Regierung dann im Streit versinken würde, so wie einst nach der "Orangenen Revolution" in der Ukraine. Die fast 18-jährige außenpolitische Isolation des Landes erleichtert die Verbreitung solcher Thesen. Freundschaftliche Kontakte pflegt der ehemalige Kolchos-Direktor Lukaschenko nur zu den Führern solcher Länder wie Iran, Venezuela, Kuba oder Nordkorea, Länder, die nach Lukaschenkos Geschmack oder noch autokratischer beherrscht werden. Jeder Zehnte hat Lukaschenkos Reich inzwischen verlassen, eine Million Menschen. Von den Dagebliebenen erklärten kürzlich 41 Prozent in einer Umfrage, dass sie, wenn sie könnten, ihrer Heimat auf der Stelle den Rücken kehren würden.