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Wahlkampf der Konservativen in Frankreich
Laut und nationalistisch gegen moderat und souverän

Im Lager der Konservativen in Frankreich bewerben sich derzeit sieben Politiker um die Präsidentschaftskandidatur. Als Favoriten gelten dabei der frühere Staatspräsident Nicolas Sarkozy und der ehemalige Premier- und Außenminister Alain Juppé. Ihre Positionen liegen gar nicht so weit auseinander, aber zwischen ihren Auftritten liegen Welten.

Von Jürgen König | 13.10.2016
    Nicolas Sarkozy (rechts) und Alain Juppe im Juli 2011 als Präsident und Außenminister vor dem Besuch des Präsidenten der Republik Niger in Paris.
    Nicolas Sarkozy und Alain Juppe im Juli 2011 als Präsident und Außenminister. Jetzt wollen beide für das Präsidentenamt kandieren. (imago/PanoramiC)
    Zum ersten Mal treffen alle sieben konservativen Präsidentschaftskandidaten in einer öffentlichen Diskussion aufeinander: Eine Frau und sechs Männer treten an – doch das Interesse der Öffentlichkeit gilt vor allem den Hauptkonkurrenten Alain Juppé und Nicolas Sarkozy. Der frühere Premierminister Juppé führt in den Umfragen mit 42 Prozent der Wählerstimmen vor dem ehemaligen Präsidenten Sarkozy, der auf 28 Prozent kommt; Den anderen Kandidaten werden nur Außenseiterchancen nachgesagt. Von allen Wahlkämpfern ist Sarkozy der lauteste, tritt in großen Hallen auf, ist aggressiv, pathetisch, nationalistisch.
    "Welche Nationalität ihre Eltern auch immer haben mögen, junge Franzosen, in dem Moment, da Sie Franzosen werden, sind Ihre Vorfahren: die Gallier!"
    Sein politischer Ziehvater und Amtsvorgänger Jacques Chirac hatte in Wahlkampfreden gerne die "fracture social" thematisiert, die Spaltung der Gesellschaft, die es zu überwinden gelte. Nicolas Sarkozy folgt diesem Schema, für ihn ist "la france déclassé" ein zentraler Begriff geworden, das deklassierte Frankreich: mit einer mehrheitlich "herabgewürdigten" und gegenüber "den Eliten schweigenden" Bevölkerung; die "Auferstehung" des französischen Volkes, so Sarkozy, sei sein Ziel.
    "Ich weigere mich. Ich weigere mich, diesem Niedergang passiv zuzuschauen, diesem allmählichen Auslöschen, dieser Deklassierung, das Wort ist nicht zu stark – es ist genau. Die Deklassierung: Das ist das Versinken unseres Landes in Massenarbeitslosigkeit, während unsere europäischen Partner sich rundum erneuern und zu Wachstum und Vollbeschäftigung finden. Die Deklassierung: Das ist das Verschwinden eines Landes von der Internationalen Bühne, eines Landes, das kein Gewicht mehr hat in Europa, das ist eine Nation, die ohne zu reagieren, der Spaltung des europäischen Projektes zusieht."
    Sarkozy zielt auf die Wähler des rechtsextremen Front National
    Mit dieser Tonlage zielt Nicolas Sarkozy ganz unverhohlen auf die Wähler des rechtsextremen Front National. Inhaltlich liegen Sarkozy und Alain Juppé oft gar nicht so weit auseinander - stilistisch könnte der Unterschied kaum größer ausfallen. Juppé sucht die großen Bühnen ebenso wenig wie die großen Worte, gibt sich vermittelnd, gelassen, oft ironisch - tritt schon auf wie ein Souverän: argumentiert stringent, betont dabei seine Erfahrungen als Premierminister, als Verteidigungs- und zweimaliger Außenminister des Landes. Alain Juppé im Sender BFM:
    "Im Allgemeinen wird die politische Mäßigung als Ausdruck von Schlaffheit angesehen. Nein! Ich ziehe es unbedingt vor, 'moderat' zu sein: um dem Populismus widerstehen zu können und der ganzen Hysterie, die man im Alltag immer wieder erlebt – dazu braucht man neben großer Entschlossenheit eben auch viel kaltes Blut - und viel Mut."
    Juppé: Natürlich brauchen wir Eliten im Land
    Natürlich, sagt Alain Juppé mit freundlicher Miene: Natürlich werde er Nicolas Sarkozy, sollte der die Vorwahlen gewinnen, künftig unterstützen, doch werde es diesen Sieg nicht geben. Angriffen von Sarkozys Seite, die Versuche etwa, selber als "Verteidiger des Volkes" aufzutreten und Alain Juppé als abgehobenen Kandidaten "der Eliten" hinzustellen, begegnet er kühl.
    "Ich werde meine Zeit nicht damit verbringen, Erklärungen von Nicolas Sarkozy ausführlich zu kommentieren. Ich habe meine Vorstellungen von Frankreich dargelegt. Natürlich brauchen wir Eliten im Land: Wir brauchen intellektuelle, politische, sportliche, kulturelle, journalistische Eliten. Diese Idee, das Volk und die Eliten gegeneinander zu positionieren, ist nicht sehr sinnvoll – unter der Bedingung allerdings, dass die Eliten für das Volk da sind."
    Mit seinem gemäßigten Auftreten umwirbt Alain Juppé die politische Mitte des Landes. Und diese Rechnung könnte glatt aufgehen, nicht zuletzt auch, weil - laut einer Umfrage der Zeitung "Le Monde" - nahezu sieben Prozent der linken Wähler an den Vorwahlen der Konservativen teilnehmen und dabei für Juppé stimmen wollen - aus strategischen Gründen: nur um Sarkozy zu verhindern. Dass dessen Ärger darüber groß ist, kann man verstehen: Die Mehrheit der Parteimitglieder steht auf seiner Seite.