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Wahlkampf
Die letzte Bastion der CDU

Deutsche Großstädte sind nicht dafür bekannt, eine Wählerhochburg der CDU zu sein. Eine seltene Ausnahme bildet Wuppertal. Doch auch dort kann sich das bald ändern: Am zwölften September wird entschieden, ob Oberbürgermeister Jung weiter regieren kann.

Von Moritz Küpper | 13.08.2015
    Peter Jung (CDU), Oberbürgermeister von Wuppertal
    Peter Jung (CDU), Oberbürgermeister von Wuppertal (dpa/picture alliance/Matthias Balk)
    "So, schönen guten Tag, meine Damen und Herren, ich finde nett, dass sie heute gekommen sind".
    Ein Konferenzraum im ersten Stock eines Geschäftshauses in der Wuppertaler Innenstadt. Fast die Hälfte des Raumes hat eine Glasfront, an der Wand hängen Porträts von einer jüngeren Angela Merkel, von Bundespräsident Joachim Gauck und auch von Konrad Adenauer. Es ist die Geschäftsstelle der CDU-Wuppertal, die Pressekonferenz vor dem morgigen Kreispartei-Tag. Vier Journalisten und ein Fotograf sind gekommen. Rainer Spieker, Landtagsabgeordneter und Chef der örtlichen CDU findet die ersten Worte – verweist auf das Wahlprogramm, dass erstellt wurde.
    "In Zusammenarbeit mit Partei und Fraktion."
    Und gibt schließlich das Wort an den Spitzenkandidaten und Oberbürgermeister:
    "Peter."
    "Ja, herzlichen Dank. Mir ist erst einmal wichtig: Das ist die erste reine Personenwahl, die wir in Wuppertal haben. Sie entspricht im Grunde genommen".
    Peter Jung, 60 Jahre alt, einst Unternehmer, ein großer, kräftiger Mann mit dunklen Haaren, im hellgrauen Anzug, gibt sich selbstbewusst, strahlt Zuversicht aus. Bereits mit seinen ersten Worten macht er – obwohl in der Parteizentrale sitzend – deutlich, worum es in den nächsten vier Wochen, dem Wahlkampf zur Oberbürgermeisterwahl am 13. September, gehen soll: Und zwar um ihn, Peter Jung.
    "Also für mich ist als Oberbürgermeister immer wichtig gewesen, dass ich weniger als Parteisoldat, sondern mehr als Oberbürgermeister und Person gesehen werde."
    Es ist, könnte man meinen, ein Grundsatz-Konflikt: Denn Jung, der im Oktober 2004 – also vor elf Jahren – zum Oberbürgermeister gewählt wurde, ist nicht einfach nur der Oberbürgermeister von Wuppertal, rund 343.000 Einwohner und damit die 17. Größten Stadt der Bundesrepublik. Jung ist mehr, ist das Oberhaupt der größten Stadt Deutschlands, die von einem Christdemokraten regiert wird:
    "Also, das muss ich sagen, ist ein zweifelhafter Titel. Den ich eigentlich nicht so gerne habe."
    Zuletzt verlor die CDU mit Dresden die Landeshauptstadt Sachsens, sodass sie aktuell – obwohl im Bund als Union in Umfragen nahe der absoluten Mehrheit – nun in keiner der 16. Landeshauptstädten den Ober- oder Regierenden Bürgermeister stellt. Nach Jung und Wuppertal folgt nun Münster, Nummer 20 in Deutschland.
    CDU hofft auf Wiedereinzug in die Rathäuser
    Aber auch dort wird am 13. September gewählt – wie auch Köln, Essen und Bonn, wo die CDU auf die Rückgewinnung der Rathäuser hofft. Doch solange wird Jung das Aushängeschild bleiben, obwohl er selbst lieber über andere, klassische Themen spricht:
    "Vor allen Dingen ist es mir wichtig, Wuppertal einen soliden finanziellen Standpunkt zu geben. Ganz wichtig ist mir unser größtes städtebauliches Projekt, der Döppersberg, den möchte ich im Kosten- und Zeit-Rahmen zu Ende führen."
    Dazu Kita-Ausbau, Schulmodernisierung, Wohnen, das Thema Flüchtlinge. Fast eine Stunde redet Jung über sein Programm. Person statt Partei, so könnte das Motto lauten, weshalb Jung auch seinem Frust über den geändert Wahlmodus freie Lauf lässt. Denn: In NRW werden die kommunalen Wahlen, sprich: die Wahl der Räte, Kreistage und Bezirksvertretungen in kreisfreien Städten sowie des Stadtoberhauptes und der Landräte wieder auf einen Termin, dann im Jahr 2020, zusammengeführt.
    "Damit machen wir eigentlich einen Schritt zurück. Denn: Wir haben uns ja eigentlich mal als Vorbild genommen, die süddeutschen Kommunen, bei denen sind diese Wahlen unabhängig."
    Und damit aus Sicht Jungs genau richtig. Denn:
    "Ich finde nicht, dass man gewählt werden muss, weil man einer Partei angehört, sondern weil man gut oder schlecht ist."
    Ironie der Geschichte: Mit seiner These liegt Jung, obwohl der Großstadt-König seiner Partei, genau richtig, glaubt man jedenfalls Politikwissenschaftler Karl-Rudolf Korte von der Universität Duisburg-Essen:
    "Dass sie in der Lage ist – oder er – zukünftige Probleme für die Stadt zu lösen. Und das traut man einem zu, der so ein Beheimatungsgefühl ausstrahlt, dass er von dort kommt, dass man ihm zutraut, sich auch in Dinge einzuarbeiten, das ist so ein Zukunftsoptimismus, den man mit einer Person verbindet, nicht mit einer Partei."
    Person statt Partei
    So wie eben mit Jung in Wuppertal. Fast anderthalb Stunden dauert es beim Pressegespräch, bis auch hier, im ersten Stock in der Wuppertaler Innenstadt, die Rede auf das Thema Großstadt und CDU kommt. Ob es denn Wahlkampfunterstützung durch die Landes- oder Bundespartei geben würde? Jung winkt ab:
    "Also, ich kämpfe für mich. Ich möchte mir auch von Niemand hier in meinen Wahlkampf reinreden lassen und ich möchte den auch nicht überdecken mit landes- und bundespolitischen Themen. Also, mehr brauchst Du dazu jetzt mal nicht zu zu sagen."
    Wuppertals CDU-Chef Spieker, der neben Jung sitzt, schluckt seine Worte herunter. Später, nach der Pressekonferenz, auf dem Flur, wird er seinen Stolz auf die Wuppertaler Ausnahmestellung im rot-grün-regierten Nordrhein-Westfalen dann allerdings nicht zurückhalten können:
    "Ich bezeichne mich nicht als das gallische Dorf, wie bei Asterix und Obelix, was von den Römern umzingelt ist, sondern: Wir hier in Wuppertal machen die Politik, die wichtig ist und wir haben einen CDU-Oberbürgermeister. Und: Warum ist Peter Jung zweimal gewählt worden? Weil er gute Politik macht. Und dann hoffe ich natürlich, dass auch Städte wie Essen und Münster natürlich auch wieder an die CDU zurückfallen."
    Und damit wäre dann OB Jung – trotz potentieller Wiederwahl – als Großstadt-König der CDU abgelöst.