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Wahlkampf, die Mafia und ein Komiker

Unmittelbar vor den Regionalwahlen in Sizilien hat Silvio Berlusconi angekündigt, zukünftig nicht mehr für das Amt des Ministerpräsidenten zu kandidieren. Denn seine Partei "Volk der Freiheit" befindet sich im Niedergang. Bessere Chancen hat zurzeit der Komiker Beppe Grillo.

Von Karl Hoffmann | 26.10.2012
    Immer wenn in Sizilien Wahlen anstehen, dann wird es so richtig laut.

    "Wir wollen, dass die Politiker ihre Versprechen einhalten."
    Hunderte Forstarbeiter verlangen dauerhafte Arbeitsverträge. Die Männer der Müllabfuhr drohen mit Barrikaden, sollten sie ihre Überstunden nicht bezahlt bekommen. Wahlen sind ein günstiger Zeitpunkt, um zu protestieren, weil Politiker um die Gunst der Wähler buhlen, um wiedergewählt zu werden. Wählerstimmen haben in Sizilien einen konkreten Handelswert. Stimmenkauf ist üblich. Bezahlt wird mit vollen Einkaufstüten oder 50-Euro-Scheinen. In den Eingängen der Sozialwohnungsbauten von Palermo, in denen "alta densita mafiosa" herrscht, - also eine erhöhte Mafia-Dichte - klebt nur ein einziges kleines Wahlplakat mit dem Kandidaten der Mafia. Wird er gewählt, werden seine Wähler entlohnt, mit Geld oder Naturalien. Ideologien oder politische Überzeugungen haben hierzulande wenig Wert. Bei 50 Prozent Jugendarbeitslosigkeit und zunehmender Rezession geht es für viele Familien ums Überleben. Nello Musumeci, der von Silvio Berlusconi unterstützte Kandidat, hofft auf Sympathien, indem er sich auf die Seite der Armen stellt. Seine Kinder treffe das gleiche Schicksal wie das der einfachen Leute, behauptet er.

    "Ich sage meinen Kindern immer: Man muss sich auf die Zeiten einstellen. Obwohl ich die Mittel gehabt hätte, habe ich meinen Kindern nie irgendwelche Vorteile verschafft."


    Der elegante, aber dröge Bankmensch Musumeci stellt sich am liebsten als der richtige Mann für alle Sizilianer dar.

    "Sizilien braucht einen Regionspräsidenten, der sich um alle kümmert, und alle Interessen gleich vertritt."

    Was im Land der Vetternwirtschaft par excellence zur Floskel verkommt. Immerhin gilt Musumeci – was die Mafia anbelangt - als ebenso integer wie sein Konkurrent von der Mittelinks-Koalition, Rosario Crocetta, ein bekannter Kämpfer gegen die Mafia, der von der Polizei schwer bewacht werden muss, weil die Bosse ihm nach dem Leben trachten. Ausgerechnet seine demokratische Links-Partei PD hat sich im Wahlkampf mit der sogenannten Zentrumsunion verbündet. Deren wichtigster Vertreter, der vorletzte Regionspräsident Salvatore Cuffaro sitzt im Kittchen, weil er mit der Mafia unter einer Decke steckte und erwischt wurde. Diese unglückliche Koalition dürfte Crocetta mehr schaden als die Tatsache, dass er sich ausgerechnet im konservativen Süden als ein Homosexueller offenbart hat, auch wenn er sich noch ernsthaft in den Kampf gegen Cosa Nostra stürzt.

    "Die Staatsanwaltschaft hat Telefongespräche abgehört, in denen die Cosa Nostra Politikern Unterstützung im Wahlkampf versprachen. Ich hoffe, dass das gestoppt wird und dass die Mafia bei diesen Wahlen endlich mal außen vor bleibt."

    Das wäre für Italien geradezu lebenswichtig. Im vergangenen Juli war der letzte Regionspräsident Raffaele Lombardo zurückgetreten, weil er auch in Mafia-Verdacht geraten ist. Dabei hat Sizilien großes Gewicht auf nationaler Ebene. Hier leben fast zehn Prozent der italienischen Wähler. Die jetzige Wahl ist auch eine Vorentscheidung für die im kommenden Frühling vorgesehenen Neuwahlen des römischen Parlaments. Diesmal ist der Wahlausgang unsicher, denn es gibt noch einen Dritten im Bunde, mit dem zunächst kaum jemand gerechnet hatte.

    "Die Mafia hat gar kein Interesse mehr an Sizilien, hier ist nichts mehr zu holen."

    Der Komiker Beppe Grillo hat einen Wahlkampf ohnegleichen für seine 5-Sterne- Bewegung geführt und behauptet, er sei inzwischen die stärkste Kraft in Sizilien. Was nach dem Erfolg seiner Volksreden in vielen Städten und Gemeinden Siziliens nicht abwegig erscheint. Das Argument seiner Gegner, er betreibe populistische Antipolitik ohne Ziel und Zweck, zieht nicht mehr. Viele Sizilianer werden Grillos Bewegung wählen, weil für sie gerade die traditionellen Politiker die Politik in Misskredit gebracht haben. Wer immer auch gewinnt – die Fäden wird der Mafia-verdächtige Lombardo ziehen. Er hat vor seinem unrühmlichen Abgang alle wichtigen Ämter der Region mit eigenen Leuten besetzt. Dass er den Milliarden-Schuldenberg Siziliens noch weiter erhöht, stört ihn nicht.