Freitag, 29. März 2024

Archiv


Wahlkampf im Radsport

Am 27. September werden in Florenz 42 Delegierte aus aller Welt über das wichtigste Amt im Radsport entscheiden. Bei der Wahl zum UCI-Präsidenten treten der Brite Brian Cookson und Amtsinhaber Pat McQuaid an. Doch noch ist unklar, ob der umstrittene Ire überhaupt auf dem Stimmzettel erscheinen wird.

Von Jonathan Sachse | 24.08.2013
    Über Jahrzehnte ließ der Radsport-Weltverband UCI jede Kritik an der eigenen Politik abschmettern. Bestechungsgelder von Lance Armstrong, vertuschte Dopingresultate, Diktate an die Nationalverbände – Hein Verbruggen und sein Nachfolger Pat McQuaid um kurvten gemeinsam jeden Sturm. Als die Affäre um den US-Amerikaner Armstrong im vollen Ausmaß öffentlich wurde, änderte sich das. Die kritischen Stimmen gegen die Politik der UCI-Spitze vermehrten sich. Der Ruf nach einem Wechsel wurde lauter.

    Diesen Wandel bekommt McQuaid derzeit auf vielen Ebenen zu spüren. Dennoch möchte der Ire für eine dritte Amtszeit kandidieren. Er gibt sich kämpferisch, scheint zu wissen, dass er bei dieser Wahl mehre Optionen benötigt. Auf kurzem Dienstweg ließ er sich von seinem irischen Heimatverband zur Wiederwahl aufstellen. Die Basis protestierte. Der Verband zog seine Nominierung zurück. McQuaid spielte die nächste Karte. Diesmal ließ er sich von Swiss Cycling auf die Liste der Kandidaten für das Präsidentschaftsamt setzen. Diese Woche annullierten auch die Schweizer ihre Nominierung.

    Wieder hatte McQuaid vorgesorgt. Ende Juli stellte der Radsportverband Malaysia einen Antrag auf eine Satzungsänderung. Diese besagt: Ein Kandidat soll auch von zwei Verbänden in Kooperation vorgeschlagen werden können. Eine Änderung des Paragraphen 51 in der UCI-Satzung. Rückwirkend für diese Wahl gültig. Die bislang eher unbekannten Radsportnationen aus Thai und Marokko würden McQuaid bei einer Zustimmung gemeinsam nominieren. Der deutsche Delegierte Toni Kirsch spricht sich gegen diese Änderung der Wahlordnung aus:

    "Man sollte die Satzung der UCI überarbeiten, aber nicht zu eine Zeitpunkt, wo die Kandidaten gemäß des Reglements schon gemeldet sein mussten. Das musste bis zum 30. Juni passiert sein, um dann nach der Nominierung der Kandidaten dann noch irgendetwas zu ändern. Man kann die Regularien nicht so ändern, wie man sie gerade braucht. Das ist schlecht in einer Demokratie."

    Diese Meinung teilt der Schweizer Kurt Bürgi. Zu Zeiten Hein Verbruggens arbeitete Bürgi für den Schweizer Radsportverband und besaß ein Continental-Team. Bürgi erfuhr, wie Radfahrer Dopingmittel forderten und von höchsten Sportfunktionären beim Doping unterstützt wurden. Seitdem zählt er zu den wenigen lautstarken Kritikern im eigenen Land. Als er erfuhr, dass sein Heimatverband Pat McQuaid nominierte, klagte er. Ein Präsidentschaftskandidat könne nur von seinem Heimatverband nominiert werden, meinten Bürgi und seine zwei Mitkläger. Etwa 150.000 Schweizer Franken hätte Swiss Cycling bei einer Niederlage zahlen müssen. Ein hohes Risiko für den chronisch klammen Verband. Offenbar rechnete sich der Schweizer Verband wenige Erfolgschancen aus. Die Nominierung wurde zurückgezogen. Präsident Richard Chassot musste gehen. Bürgi rechnet mit weiteren Konsequenzen:

    "Ich erhoffe mir schon eine Signalwirkung ausgehend von dieser Klage, dass andere da wachgerüttelt werden und sagen: Ja doch, er ist nicht mehr tragbar. Die Irländer wollen den McQuaid nicht mehr. Die Schweiz will ihn nicht mehr offiziell, ob da nicht andere Länder auch mal eine gewisse Standfestigkeit haben und sagen: Okay, dann können wir auch auf diesen Zug aufspringen."

    In der Öffentlichkeit hielten sich die Befürworter von McQuaid in den letzten Tagen zurück. Selbst sein Vorgänger und enger Vertrauter Hein Verbruggen distanzierte sich, indem er angab, nicht mehr im Sport tätig zu sein. Das verwundert. Schließlich hat Verbruggen noch mehre Ämter im Sport inne, zum Beispiel als Ehrenpräsident der UCI. In den letzten Monaten flog er regelmäßig aus Belgien in die Schweiz. Das belegen Informationen, die dem Deutschlandfunk vorliegen. Der Schweizer Kurt Bürgi glaubt, Verbruggen möchte auch in diesem Wahlkampf vom Ausgang profitieren:

    "Natürlich ist es Verbruggen sehr wichtig, wer es wird und wer nicht, weil er ja auch einige Spuren in dieser UCI hinterlassen hat. Ich habe gelernt, dass diese Sportcliquen immer gleich funktionieren. Wenn einer aus dem Amt geworfen wird, kommt mindestens einer als seiner Seilschaft, der dann die Spuren verwischen muss."

    Am 15. September sind beide Kandidaten zu einer Sondersitzung der Vereinigung der Europäischen Radsportverbände UEC eingeladen. Die 14 Delegierten besitzen die meisten Stimmen bei der kommenden Wahl. Der Brite Brian Cookson wird hier in Europa als Favorit gehandelt, ebenso in Ozeanien. McQuaid rechnet mit einer Mehrheit der Stimmen aus Asien und Afrika. In diesen Entwicklungsregionen des Radsports holt er seit Jahren Talente ins verbandseigene Förderprogramm in die Schweiz und sammelt dadurch Punkte. Bleiben noch neun Stimmen aus Amerika, die am Ende die Wahl entscheiden könnten – vorausgesetzt, es kommt zu einer echten Wahl mit zwei Kandidaten.