Samstag, 20. April 2024

Wahlkampf in Belgien
Alles für die grüne Sache

Der belgische Grünen-Politiker Philippe Lamberts hat es im Europawahlkampf mit einem mächtigen Gegner aufgenommen: der Finanzwelt. Die kennt er gut als ehemaliger Manager beim IT- und Beratungsunternehmen IBM. Daher sieht er sich selbst als "seltenes Tier" bei den Grünen.

Von Annette Riedel | 14.05.2014
    Die Partei "Écolo" hat zu einem Wahlkampf-Aperitif mit Spitzenkandidat Philippe Lamberts eingeladen. Ein paar Écolo-Fahnen und Banner in weiß-grün werden im Raum verteilt, ein paar Plakate mit Lamberts Konterfeit mit Tesa-Film notdürftig an den Wänden befestigt. Etwa 30 junge Leute sind gekommen.
    Philippe Lamberts redet über den Lärm hinweg, kommt nach kurzer Begrüßung schnell zur Sache. Zu seiner grünen Sache: Nachhaltigkeit quer durch alle Politikfelder - einschließlich der Finanzmärkte. Die Begrenztheit sämtlicher Ressourcen, soziale Fairness, Integration. Europa, ja, natürlich, aber ein anderes Europa. Das sind grüne Themen; das sind Philippe Lamberts Themen. Der 50-Jährige trägt dunkle Hosen, ein dunkles Jackett mit feinen Nadelstreifen, lindgrünes Hemd, hellblau gemusterte Krawatte. Sein konstantes, freundliches Lächeln verlässt ihn erst sehr viel später an diesem Abend. Nach rund anderthalb Stunden verlässt Philippe Lamberts die Bar, sucht im Regen sein Auto.
    Philippe Lamberts wirkt im Auftreten und in der Kleidung nicht unbedingt wie der sprichwörtliche typische Grüne: "Ich bin bei den Grünen ein bisschen ein 'seltenes Tier', denn ich war 22 Jahre lang Geschäftsmann, beim amerikanischen Großunternehmen IBM. Ich kenne also beide Welten – die der Unternehmen und die der Politik. In der Politik, für Écolo, engagiere ich mich seit 1991, habe dann 18 Jahre lang beide Welten parallel gelebt, bevor ich vor fünf Jahren, 2009, das erste Mal ins Europaparlament gewählt worden bin. Da habe ich IBM verlassen, um mein Mandat als Europaabgeordneter anzunehmen."
    Rigoros für Regulierung, Kontrolle und Beschränkung von Banken
    Im Europäischen Parlament engagiert sich Philippe Lamberts dann fast zwangsläufig im Wirtschafts- und Finanzausschuss. Dabei hat es der "Newcomer" in der Finanzwelt zu einiger Berühmtheit gebracht – nicht misszuverstehen als Beliebtheit – weil er sich rigoros für die Regulierung, Kontrolle und Beschränkung von Banken eingesetzt hat. Inklusive der Beschränkung der Boni, der umsatzabhängigen Gehaltszulagen, für Banker. Dafür haben ihn einige europäischen Zeitungen zum meist gehassten Europaabgeordneten, zum Feind Nummer 1 der Londoner Bankenwelt erklärt. "Den Ruf haben wir nicht umsonst! Wir sind extrem motiviert, die Finanzwelt zu kontrollieren. Ich bin der Meinung, dass die Finanzwelt der Wirtschaft zu dienen hat und die Wirtschaft der Gesellschaft."
    Philipp Lamberts nächste Station dieses Wahlkampf-Abends ist in Uccle, einem der wohlhabendsten Stadtteile Brüssels. Ein repräsentatives, dreistöckiges Familienhaus, großes Wohnzimmer, Blick in den riesigen Garten. Etwa ein Dutzend Bekannte haben die Gastgeber eingeladen, um mit Philippe Lamberts in privater Umgebung zu diskutieren. Und auch ihm gefällt diese Art von Wahlkampf: "Wenn man ein paar Stunden zusammensitzt und mit Bürgern diskutiert, bekommen sie am besten einen Eindruck davon, wer ich bin und wofür ich stehe."
    Wofür er steht, gefällt keineswegs jedem in diesem Wohnzimmer. Wenn es um Steuern geht, um individuelle Mobilität, um sozialen Ausgleich, um die richtige Wirtschaftspolitik, wird die Debatte fast hitzig. Aber, sagt er später bei der nächtlichen Heimfahrt, er könne zumindest davon ausgehen, wiedergewählt zu werden.