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Wahlkampf in den USA
Biden - der Mittelschichts-Joe

In Pennsylvania eröffnete Joe Biden als letzter von 20 Kandidaten der Demokraten für die US-Präsidentschaftswahl seinen Wahlkampf. Er empfahl sich besonders den Gewerkschaften und will die Mittelschicht wieder zum Rückgrat des Landes machen. Viele sehen in Biden aber auch einen Mann von gestern.

Von Thilo Kößler | 30.04.2019
Biden spricht in Pittsburgh
Prominentester und politisch erfahrenster Bewerber der Demokraten: Joe Biden (AP)
Es gehört zu den Ritualen des amerikanischen Wahlkampfs, dass ein Bewerber bereits vor seiner ersten Wahlkampfrede als der nächste Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika angekündigt wird.
Dieses Ritual verkennt jedoch, wie lang der Weg bis zum Ziel tatsächlich ist. Und das Ziel muss für die Demokraten lauten, Donald Trump im November 2020 aus dem Amt zu verdrängen. Mit Joe Biden, der 36 Jahre als Senator für Delaware im Kongress saß und zuletzt als Vizepräsident Barack Obamas loyal seinen Dienst versah, macht sich einer der prominentesten und politisch erfahrensten Bewerber im unübersichtlichen Feld der Demokraten auf den Weg: Wenn es ihm gelinge, Trump zu schlagen, dann hier in Pennsylvania, ruft Biden in die Menge.
Verletzte Seele der Nation heilen
Tatsächlich müssen die Demokraten versuchen, im Rostgürtel Amerikas und im Mittleren Westen die Stimmen enttäuschter Stammwähler zurückzuholen, die 2016 für Donald Trump votierten. Er sei der Mittelschichts-Joe, stellt sich Biden vor, er sei ein Mann der Gewerkschaften.
Drei Gründe nennt Biden für seine Kandidatur. Er wolle die verletzte Seele der Nation heilen, er wolle die Mittelschicht wieder zum Rückgrat des Landes machen und die Vereinigten Staaten von Amerika wieder vereinen.
Trump habe nicht nur das politische System des Landes ruiniert, sondern auch die Arbeiter verraten, ruft Biden: Dass sich die Oberschicht unter Trump weiter schamlos bereichern könne, sei eine politische und ökonomische Einbahnstraße.
Landesweiter Mindestlohn von 15 Dollar
Joe Biden fordert einen landesweiten Mindestlohn von 15 Dollar. Er fordert Bildung für alle und eine Krankenversicherung für jedermann - Obamacare sei ein riesiger Fortschritt für das Land gewesen.
Doch so recht wollte seine nur 26-minütige Rede vor Gewerkschaftern in Pittsburgh/Pennsylvania nicht zünden: Der 76-jährige Joe Biden wirkte beim Start seines Wahlkampfs seltsam kraftlos und rückwärtsgewandt: Zwar führt der elder statesman unter den demokratischen Präsidentschaftsbewerbern die Umfragewerte an - mit derzeit 13 Prozent. Doch das dürfte vor allem seiner Bekanntheit zu verdanken sein und weniger der politischen Programmatik, die weder ein schlüssiges Gegenkonzept zu Donald Trump erkennen ließ, noch tatsächlich Aufbruchsstimmung vermittelte.
Joe Biden stehe für das nostalgische Versprechen, zur politischen Normalität zurückzukehren, schrieb die Washington Post dieser Tage. Die weitaus jüngeren demokratischen Mitbewerber, unter ihnen sechs Frauen und sechs Farbige, dürften versucht sein, Joe Biden auf der langen Wegstrecke bis zur Nominierung des demokratischen Spitzenkandidaten als "yesterday-man" abzuqualifizieren: Als Mann von gestern.