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Wahlkampf in der Slowakei
Angst vor offener Islamfeindlichkeit

In wenigen Wochen wird in der Slowakei ein neues Parlament gewählt. Im Kampf um den Erhalt seiner absoluten Mehrheit hat Ministerpräsident Fico seinen Ton deutlich verschärft. Der Sozialdemokrat warnt vor der Bedrohung durch muslimische Flüchtlinge. Das Multi-Kulti-Europa sei gescheitert. Andere Religionen ließen sich in einer christlichen Gesellschaft nicht integrieren. In der kleinen muslimischen Gemeinde in der Slowakei wächst deshalb die Angst vor einer offenen Islamfeindlichkeit in Politik und Gesellschaft.

Von Stefan Heinlein | 19.01.2016
    Teilnehmer einer Demonstration gegen Flüchtlinge in der slowakischen Hauptstadt Bratislava halten Flaggen und ein Banner mit der Aufschrift "Go Home" hoch.
    Stimmungsmache gegen Flüchtlinge: In der slowakischen Hauptstadt Bratislava wurde mehrfach gegen eine bevorstehende Islamisierung Europas protestiert. (afp / Samuel Kubani)
    Freitagsgebet in Petrezalka. Die riesige Plattenbausiedlung liegt am Rand der Hauptstadt Bratislava. Rund 70 Gläubige haben sich in dem kleinen Gebetsraum versammelt. Doch die Muslime in der Slowakei sind vorsichtig geworden, seit Ministerpräsident Fico sie in das Zentrum seiner scharfen Wahlkampfreden stellt: "Wir machen uns wirklich Sorgen. Viele haben auch Angst. Wenn ein hoher Politiker solche Aussagen verwendet glaubt ihm die breite Masse der Bevölkerung. Das kann sehr gefährlich sein."
    Mohamed Hasna lebt seit 25 Jahren in der Slowakei. Der gebürtige Syrer kam als Student nach Bratislava. Nie hätten er und die rund 5000 in der Slowakei lebenden Muslime bisher Probleme mit ihren Mitbürgern gehabt, so der Vorsitzende der Islamischen Stiftung. Doch jetzt bringe Regierungschef Fico das friedliche Zusammenleben in Gefahr: "Er betreibt eine Politik der Kollektivschuld. Das erinnert mich an die 30er Jahre. Wir Muslime werden zu den neuen Juden in Europa."
    Kampf gegen EU-Quoten zur Flüchtlingsverteilung
    "Die Slowakei den Slowaken. Wir sind hier zuhause" - so die Parole einer fremdenfeindlichen Demonstration in Bratislava. Das kleine EU-Land ist jedoch bisher nicht von den Folgen der weltweiten Flüchtlingskrise betroffen. Im vergangenen Jahr beantragten nur 169 Menschen Asyl. Acht Anträge wurden genehmigt. In Brüssel kämpft Ministerpräsident Fico mit allen Mitteln gegen die Pflichtquoten zur Verteilung der Flüchtlinge. Diesen Weg werde er auch in Zukunft weiter gehen und darüber hinaus: "... werden wir auch auf freiwilliger Basis keine Entscheidung treffen die die Entstehung einer muslimischen Gemeinde in der Slowakei ermöglicht."
    Jeder Muslim werde künftig überwacht. Es gebe einen klaren Zusammenhang zwischen der Flüchtlingswelle, den Attentaten von Paris und der Gewalt in Köln. Andere Religionen seien in der christlichen Gesellschaft der Slowakei nicht zu integrieren: "Der Gedanke eines multikulturellen Europas ist nicht realisierbar. Er lässt sich nicht ins wirkliche Leben umsetzen."
    Hohe Unterstützung für Anti-Flüchtlingspolitik der Regierung
    "Wir schützen die Slowakei" ist deshalb das Motto auf den Wahlkampfplakaten der Sozialdemokraten. Eine Parole die bei einer großen Mehrheit gut ankommt. Fast 90 Prozent der Bevölkerung unterstützt die Anti-Flüchtlingspolitik der Regierung. Die Sozialdemokraten können deshalb bei den Wahlen Anfang März auf die Verteidigung ihrer absoluten Mehrheit hoffen, so der Journalist Marian Lesko: "Robert Fico hat genau erkannt. Er hat mit dem Flüchtlingsthema eine politische Goldmine. Daraus versucht er möglichst viel politisches Kapital heraus zu schürfen. Er will nicht nur wieder gewinnen, sondern auch eine Verfassungsmehrheit erreichen."
    Nicht wenige befürchten deshalb in der Slowakei in diesem Fall durchaus ähnlich weitreichende politische Umbrüche wie in den Nachbarländern Ungarn und Polen nach dem Sieg der rechtskonservativen Parteien. Andere Beobachter warnen dagegen vor Panikmache. Nach den Wahlen werde der Sozialdemokrat Robert Fico verbal abrüsten, so der Politikwissenschaftler Meseznikov. "Ich erwarte, dass er diese radikalen Äußerungen nicht mehr verwendet. Robert Fico wird zur Rückkehr in den europäischen Mainstream gezwungen sein."
    Eine Entwicklung die auch in Brüssel mit großer Aufmerksamkeit verfolgt werden wird. Mit dem europäischen Ratsvorsitz übernimmt die Slowakei Mitte 2016 große politische Verantwortung in Europa.