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Wahlkampf in Hessen
Grün-rot-rot nicht ausgeschlossen

Bis vor Kurzem schien eine Regierungsbeteiligung der Linken nach den Landtagswahlen in Hessen illusorisch. Das hat sich geändert. Eine grün-rot-rote Koalition ist durchaus denkbar. Ein Grund: Janine Wissler. Die Linken-Spitzenkandidatin punktet bei den Bürgern mit Themen, die bisher eher parteiuntypisch waren.

Von Ludger Fittkau | 26.10.2018
    Hessen, Bad Vilbel: Die Spitzenkandidaten Janine Wissler (Die Linke, l-r), René Rock (FDP), Priska Hinz (Bündnis 90/Die Grünen), Volker Bouffier (CDU), Ministerpräsident des Landes Hessen, Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD), und Rainer Rahn (AfD) stehen zu Beginn einer Diskussionsrunde im Besucherzentrum von Radio Tele FFH
    Die Spitzenkandidaten der Landtagswahl in Hessen: Janine Wissler (Die Linke, l-r), René Rock (FDP), Priska Hinz (Bündnis 90/Die Grünen), Volker Bouffier (CDU), Ministerpräsident des Landes Hessen, Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD), und Rainer Rahn (AfD) (dpa/ picture alliance/ Arne Dedert)
    Die Wandergruppe drängt sich an den Holzzaun, der den Waldweg von der Niddaquelle trennt. Der kleine, nur 90 Kilometer lange hessische Fluss Nidda entspringt im Vogelsberg-Vulkangebiet und mündet im Frankfurter Westen in den Main. Die Wandergruppe besteht aus Mitgliedern der hessischen Linkspartei der Mainmetropole und der ländlichen Wetterau, die an den Vogelsberg angrenzt.
    Janine Wissler, die Spitzenkandidatin der Linkspartei für die Landtagswahl in Hessen, wandert mit. Ein Naturschützer aus der Region erklärt ihr auf dem Weg zur Niddaquelle, dass die Stadt Frankfurt am Main tendenziell zu viel Trinkwasser aus dem Vogelsberggebiet entnimmt.
    "Wir hatten hier vor wenigen Tagen Rekordwerte - ich glaube, 400.000 Kubikmeter, die man entnommen hat. Aber da sehen Sie hier, wie trocken alles ist. Da ist einfach das Grundwasser-Dargebot zu gering und die Entnahme zu hoch."
    In diesem regenlosen Sommer sind hier oben einige Quellen komplett ausgetrocknet. Für eine Vogelsberggemeinde musste bereits ein Tankwagen Wasser heranfahren, während Frankfurt am Main weiter abzapfte. Janine Wissler lebt selbst in der nahen Großstadt:

    "Natürlich ist es auch wichtig für uns, uns anzuschauen, welche Probleme es hier mit der Wasserentnahme gibt. Und ich finde, dass Wege gefunden werden müssen, im Rhein-Main-Gebiet Dinge zu tun, die man nicht mit kostbarem Frischwasser tun muss."
    Brauchwasser für die Toilettenspülung- das sollte etwa bei dem nun in Frankfurt geplanten neuen Wohnsiedlungen verbindlich werden, um Frischwasser zu sparen, fordern die Umweltschützer aus dem Vogelsberg bei der Begegnung mit der linken Spitzenfrau an der Niddaquelle. Janine Wissler nickt zustimmend:
    "Weil, was wir jetzt hier hören, ist natürlich schon besorgniserregend. Dass die Wasserentnahme hier ökologische Probleme mit sich bringt und das eben mit Blick auf den Klimawandel alles problematisch ist, dann muss man jetzt schauen, wie Frankfurt ein eigenes Brauchwassersystem aufbaut."
    Bei Grünen-Wählern punkten
    Dass die als rhetorisches Talent geltende Janine Wissler das ur-grüne Thema "Klimawandel" zum Wahlkampfthema macht, ist kein Zufall. Die hessische Linkspartei konkurriert in den Alternativmilieus der Großstädte mit den Grünen um das gut gebildete urbane Wählerklientel. Das Thema Klimawandel bewegt nach den trockenen Monaten dieses Jahres besonders viele potenzielle Wähler. Die Wanderung an der Niddaquelle ist deshalb auch ein Signal an die Großstädter.
    Ein paar Wochen später – am Gemeinschaftstand kleiner hessischer Buchverlage bei der Buchmesse in Frankfurt am Main. Janine Wissler hat mit einem kulturkritischen Sachbuchautor diskutiert und blickt jetzt am Bücherregal auf die Neuerscheinungen der hessischen Verleger. Ihr Blick fällt auf den Titel "Die Wut wächst" von Oskar Lafontaine. Wissler kritisiert Stimmen in der Linkspartei aus dem Wagenknecht- Lafontaine-Lager, die Flüchtlinge und alteingesessene Stelleninhaber gegeneinander ausspielen. Wissler will, …
    " ... dass wir als Linke deutlich machen, dass die Grenzen zwischen oben und unten verlaufen. Dass die guten Löhne und die Tarifverträge nicht dadurch gefährdet sind, dass mehr Migranten auf dem Arbeitsmarkt sind, sondern dass der Arbeitsmarkt dereguliert wurde. Und immer deutlich zu machen, die Grenze verläuft zwischen oben und unten."
    Grün-rot-rote Koaltion nicht ausgeschlossen
    An diesem Punkt ist Janine Wissler deutlich näher bei den hessischen Grünen und der SPD als bei etwa bei Sahra Wagenknecht. Auch deshalb ist eine grün-rot-rote Koalition in Hessen nicht ausgeschlossen. Als Wissenschaftspolitikerin will Janine Wissler in Hessen in Wiesbaden künftig für mehr Hochschullehrer sorgen:
    "Ja, das Betreuungsverhältnis an den hessischen Hochschulen ist schlecht und das wird zunehmend schlechter und das liegt natürlich daran, dass die Hochschulen chronisch unterfinanziert sind. Dass die Studierendenzahlen steigen, aber das den Hochschulen das nicht finanziert wird."
    Dass der amtierende CDU-Ministerpräsident Volker Bouffier nun in den letzten Tagen vor der Wahl vor sozialistischen Experimenten mit den Linken warnt, weist Wissler als Rhetorik von gestern zurück.