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Wahlkampfthema Integration

Anregung für den neuen Innenminister Hans-Peter Friedrich und die nächste Runde der Islamkonferenz: Beim Planspiel Junge Islamkonferenz schlüpften 40 junge Erwachsene in die Rolle der Vertreter der Deutschen Islamkonferenz.

Von Daniel Huhn | 17.03.2011
    "Die Deutsche Islamkonferenz in ihrer zweiten Phase bedeutet eine Fortführung und eine Vertiefung des Dialogs in Deutschland zwischen Muslimen und Nicht-Muslimen."

    Der Bundesminister des Innern eröffnet das Plenum der deutschen Islamkonferenz. Am Pult steht allerdings nicht der neue Amtsinhaber Hans-Peter Friedrich, sondern eine Studentin, 22 Jahre. Marett Katalin Klahn:

    "Was ich essenziell finde ist, dass Integration ein zweiseitiger Prozess ist. Also es geht nicht darum, dass man immer nur davon sprechen kann: Die Muslime, die ja auch als eine große Gruppe kategorisiert werden, dass man denen sagt, sie müssen sich anpassen. Sondern ich glaube wir leben in einer so vielseitigen Gesellschaft, dass man aufeinander zugehen muss."

    Marett ist halb Ungarin, halb Deutsche, hat also selbst keinen muslimischen Hintergrund, wohnt jedoch in Berlin-Neukölln und ist somit durch den Stadtteil und viele Freunde eng mit dem Islam verbunden.

    "Jede Haltung hat eine Biografie, das finde ich einen ganz wichtigen Satz, weil letztlich ist es so, in der zwischenmenschlichen Beziehung, auf einer ganz kleinen Ebene fängt Integration an. Da wo man sich begegnet und den anderen als Mensch und nicht nur als Muslim und mit den ganzen Anhängseln, die damit verbunden werden, sieht."

    Marett hat an einem fein gedeckten Tisch im Bundesinnenministerium Platz genommen. Die, die mit am Tisch sitzen sind nicht älter, viele sogar noch jünger als sie. Es sind 40 junge Erwachsene mit und ohne muslimischen Hintergrund, die in einer Art Planspiel in die Rolle der Vertreter der Deutschen Islamkonferenz schlüpfen.

    "Die Idee, die die Stiftung Mercator hatte, war im Grunde den Dialog, den die Islamkonferenz darstellt, in die Alltagsrealitäten der jungen Generationen zu überführen."

    Esra Kücük, Mitarbeiterin der Stiftung Mercator, hat die Idee zu dieser Konferenz entwickelt.

    "Besonders wichtig war uns das, weil wir zum einen viel die Erfahrung gemacht haben, dass eben genau so ein Forum fehlt, dass innerhalb der jungen Generation das Bedürfnis besteht, sich über diese Themen auszutauschen und auf der anderen Seite wir aus der Wissenschaft die Expertise bekommen haben, dass genau in dieser Generation, der zweiten und dritten Generation der hier in Deutschland lebenden Menschen mit Migrationsgeschichte, das Wissen über eine solche Institution, wie die Deutsche Islamkonferenz, fehlt."

    Doch die Junge Islamkonferenz dient nicht bloß der politischen Bildung der Jugendlichen. Sie bietet ihnen auch eine Plattform, um eigene Vorstellungen zur Rolle des Islams in Deutschland formulieren zu können.

    "Ich denke, gerade diese jungen Menschen sind auch künftige Gestalter dieser Gesellschaft. Deswegen gehören die unbedingt mit einbezogen. Was hat das für einen Sinn, wenn man mit altgedienten Funktionären verhandelt?"

    Professor Haci-Halil Uslucan ist Leiter des Zentrums für Türkeistudien und war selbst Teilnehmer der Deutschen Islamkonferenz:

    "Die jungen Muslime, das sind ja auch deutsche Muslime sind, die sind ja hier geboren, sie werden (die) Geschicke Deutschlands mitbestimmen deshalb gehört es unbedingt dazu, dass junge Menschen einbezogen werden."

    Die Lebensläufe der jungen Teilnehmer sind trotz ihrer noch kurzen Lebenszeit beeindruckend lang: Viele waren schon für längere Zeit im Ausland, sind ehrenamtlich engagiert und manche auch in der Lokalpolitik aktiv. Sie alle sind politisch interessiert und ihre Diskussion findet nicht nur im Tagungsraum statt.

    Selbst bei einer Busfahrt genießen es die Jugendlichen, Meinungen auszutauschen. Ob zu den Demonstrationen in der arabischen Welt, zur Hartz IV-Reform oder zur Integrationspolitik. Stets mittendrin ist Mazlum Doğan aus dem Bergischen Land. Wer den 18jährigen beobachtet, könnte meinen, er bewegt sich seit Jahren auf dem politischen Parkett in Berlin. Doch er ist das erste Mal in der Bundeshauptstadt. Politische Arbeit ist Mazlum dennoch nicht fremd. Der junge Mann mit türkischen Wurzeln ist Schülersprecher seines Gymnasiums, er ist in der Jugendorganisation der Aleviten und bei den Jusos aktiv. Sein Engagement nennt er gelungene Integration:

    "Integration ist für mich, dass ein Mensch die Gesellschaft mitgestalten kann und dass er sie mitgestaltet. Und da finde ich es ganz interessant, dass Menschen, die hier in dieses Land gekommen sind und vielleicht mehr für die Gesellschaft tun, als vielleicht manche "Bio-Deutsche", dennoch als Migranten, als Ausländer gesehen werden. Ich bin der Meinung, jeder hat sich zu integrieren und das ist auch eine Aufgabe, die jedem zusteht. Sich in die Gesellschaft einbringen, mit gestalten, mitzumischen. Das sind ja auch die Vorteile, die eine Demokratie mitbringt. Gerade diesen Aspekt zu nutzen und ich denke, dass wir das gerade hier tun, und das erachte ich als sehr positiv."

    Positiv – weil hier junge Erwachsene verschiedener Herkunft über ihre gemeinsame Zukunft diskutieren. Beeindruckend, weil sie selbstbewusst auftreten und mit Überzeugung für ein multikulturelles Miteinander eintreten. Auf der jungen Islamkonferenz sind nicht nur Ideen, es ist auch ein Gefühl für ein Zusammenleben in Deutschland entwickelt worden: eines, dass sich im medialen Diskurs über den Islam nur selten wiederfindet.

    "Ich denke - und das ist eine hier unter uns Teilnehmern sehr verbreitete Meinung - dass man versuchen muss Einfluss auf die Medien zunehmen. Ich empfinde das von der Bundesregierung nicht als ein superwichtiges Ziel, diesen Akzeptanzprozess zu befördern. Da werden viele Phrasen geschwungen, aber mir fehlt da das wirkliche Bewusstsein, die Selbstreflexion fehlt mir absolut. Also ich denke ein Hauptteil wie man auch breitflächig die Fremdwahrnehmung von Muslimen beeinflussen kann sind die Medien."

    Ihre Ideen werden die Jugendlichen nicht für sich behalten. Die Studentin Marett wird am nächsten Plenum der Deutschen Islamkonferenz teilnehmen, dort den Bundesinnenminister kennenlernen und ihm Empfehlungen der Jungen Islamkonferenz vorstellen.

    Mehr zum Thema:

    Stiftung Mercator: Projekt Junge Islamkonferenz 2011
    Der Innenminister gibt den Auftakt: Marett Katalin Klahn alias Thomas de Maiziere eröffnet offiziell die Sitzung der Islam Konferenz.
    Der Innenminister alias Marett Katalin Klahn eröffnet offiziell die Sitzung der Planspiel Junge Islam Konferenz. (Stiftung Mercator -Dirk Enters)