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Wald und Klimawandel
Aufforsten in Zeiten von Hitze und Dürre ist schwer

Nie war der Wald als CO2-Speicher und Kühlelement so wichtig wie in den Zeiten der globalen Erwärmung. Doch nie war er so krank, sagen Experten. Politiker debattieren über Aufforstungs- und Waldumbauprojekte - ein Wald in Rheinland-Pfalz zeigt, wo die Probleme liegen.

Von Anke Petermann | 27.08.2019
Abgestorbene Nadelbäume sind im Wald bei Kirchen zwischen Brachbach und Katzenbach in Rheinland-Pfalz zu sehen.
Abgestorbene Nadelbäume in einem Wald in Rheinland-Pfalz (imago / Rene Traut)
Der Lennebergwald im Norden von Mainz steht komplett unter Naturschutz und ist etwas Besonderes: Er wächst sozusagen auf dem Grund des tertiären Meeres, das hier einst wogte.
"Wir haben hier ja Sandboden. Wenn man hier gräbt, findet man Muscheln aus dem tertiären Meer. Und um Mainz rum haben wir ja nur 500, 550 Liter Niederschlag im Jahr, das ist also einer der trockensten Bereiche in Deutschland."
In den vergangenen Jahren trockener und heißer als je zuvor, erklärt Forstwirtschaftsmeister Thomas Köhrer.
Sodass die einzigartige Kiefernsteppenheide mit Sandrasen und seltenen Adonisröschen zur komplett baumlosen Heidelandschaft zu werden droht.
"Die Kiefer ist ein Pfahlwurzler, die geht sehr tief in den Boden rein und kann sich dann unten auch das Wasser noch erschließen."
Neubildung des Grundwassers ist gestört
Doch die Neubildung des Grundwassers ist gestört, Hitze- und Dürreperioden folgen zu dicht aufeinander. Der Forst-Praktiker klingt hilflos:
"Ja, wenn so eine Baumart wie die Kiefer solche Schwierigkeiten bekommt, mit was sollen wir noch arbeiten?"
Wenig erfolgreich bislang die Versuche, die gedrungene Ur-Sandkiefer zu rekultivieren, die hier einst heimisch war. Der Bergahorn, zuvor als trockenresistent eingeschätzt, wird zunehmend von einem schwarzen, allergieauslösenden Pilz dahin gerafft.
Das erzählt Köhrer dem rheinland-pfälzischen CDU-Oppositionschef Christian Baldauf und lenkt dessen Blick auf die flächendeckenden Schäden an Bäumen zwischen vier und 140 Jahren.
Der rheinland-pfälzische Oppositionschef Christian Baldauf, CDU, (rechts) lässt sich die Probleme des Wiederaufforstens von Forstwirtschaftsmeister Thomas Köhrer erklären.
Der rheinland-pfälzische Oppositionschef Christian Baldauf, CDU, (rechts) lässt sich die Probleme des Wiederaufforstens von Forstwirtschaftsmeister Thomas Köhrer erklären. (Deutschlandradio / Anke Petermann)
"Wenn man jetzt hier so in das Waldbild hinter uns reinschaut, sieht man überall die Leichen, die jetzt noch drinstehen, das war bis vor drei Jahren ein geschlossener Wald mit Kiefern."
Baldauf: "Bis vor drei Jahren?!"
Staunt Baldauf über die Dynamik des Baumsterbens. An der Spitze der Rheinland-Pfalz-CDU ist der Pfälzer Stellvertreter von Bundesagrarministerin Julia Klöckner, die unlängst ein "Millionen-Bäume-Programm" forderte, zu bezahlen aus dem Klima-Fonds der Bundesregierung.
"84 Prozent der Bäume sind krank"
Doch Aufforsten in Zeiten von Hitze und Dürre ist schwer. Thomas Köhrer führt Klöckners Parteifreund Baldauf zu einer Lichtung, die durch flächigen Kiefern-Tod entstanden ist:
"Da haben wir 50.000 Eicheln ausgelegt, mit einem Riesenaufwand, und auch gewässert. Die bekommen jetzt Mehltau, das ist ein Pilz, und das kann den Sämlingen hohen Schaden zufügen, und man sieht schon, dass die jetzt vertrocknen."
"Was züchtet ihr, Disteln?"
Witzelt Baldauf mit Blick auf die umzäunte Fläche. Die zum Großteil verdorrten Eichenpflänzchen erkennt der CDU-Politiker vor lauter Unkraut nicht. Doch das Kraut spendet immerhin Schatten, sagt Forst-Mann Köhrer. Schlimmer findet er die Robinien, die sich zwischen den Eichen-Sämlingen breitmachen. An ihren Wurzeln sitzen Knöllchenbakterien, die Stickstoff spenden. Und diese natürliche Düngung vernichtet die Magerrasen-Biotope, die der Dünenwald im Mainzer Norden beherbergt.
"Diese Trockenrasen-Standorte, das sind Standorte, die teilweise nur noch in der russischen Tundra vorkommen, und den gefährde ich mit anderen Baumarten."
Vielleicht funktionieren einheimische Elsbeeren und Speierlinge. Der Frankfurter Förster Holger Scheel ist besuchsweise unterwegs im Binger Wald, weitere 50 Kilometer nördlich von Mainz. An einem Geröll-Hang entdeckt er Exemplare dieser bislang eher seltenen Baumarten.
"Dafür klettere ich sogar mal hier hoch. Ja, die beiden dicken hier: zwei Speierlinge, und das ist noch eine Elsbeere. Wo es so flachgründig ist, alles voller Steine, trocken, da haben die ihre Nische."
Der Frankfurter Förster ist begeistert von den Raritäten im Binger Wald. Vielleicht die Zukunftsbäume für trockenen, erosionsgefährdeten Boden: Tief wurzelnd kommen sie mit wenig Wasser und Nährstoffen aus. Diese Genügsamkeit macht sie in Zeiten des Klimawandels überlebensfähig. Scheel lässt sich den Binger Wald vom Leiter des Forstamts Boppard zeigen. An die Adresse der Laien in seiner Besuchergruppe sagt Axel Henke.
"84 Prozent der Bäume sind krank. Normalerweise, wenn Sie in eine gesunde Eichenkrone gucken, dürften Sie keine Äste oben mehr sehen, die müssten von den Blättern verdeckt sein."
"Chronisch kranke" Bäume
Doch die Eichenkrone ist licht, Äste sind gut erkennbar. Im Forst-Jargon:
"Dieser Baum ist auch mindestens Schadstufe drei."
Die Fotosynthese ausgetrockneter Bäume ist eingeschränkt, bedauert Waldtouristin Daniela Eilers. Damit auch die Speicherfunktion für das Treibhausgas Kohlendioxid:
"Und wenn ein Baum krank ist, ist es wie bei einem Menschen, der eine reduzierte Lungenfunktion hat."
Henke: "Es ist eine chronische Krankheit. Es ist wirklich chronisch, es wird mehr, das ist das Gefährliche, finde ich."
Gemessen am Tempo des Sterbens, glaubt Forstamtsleiter Henke, dauert der Waldumbau zu lange. Er blickt auf eine bräunliche Nadelbaum-Insel, viel Totholz schon darin.
"Wenn wir hier in fünf Jahren lang wandern, das garantiere ich, dann ist hier keine Fichte mehr zu sehen."
Denn im Zuge der Erwärmung vermehrt sich der Borkenkäfer exponentiell und schwächt die ohnehin hitzegestressten Fichten in Rekordzeit so, dass der nächste kräftige Wind ganze Bestände umpustet. Dann auf Naturverjüngung des Waldes setzen? Oder gezielt aufforsten? Derzeit gibt es Geld für Douglasien-Plantagen. Das ist umstritten, weil dieser Nadelbaum nicht ins Ökosystem hiesiger Wälder gehört. Doch welche Baumarten halten dem Trockenstress langfristig stand?
Kritik an der Bundesregierung
Fest steht: Zum klimaverträglichen Umbau muss geforscht werden. "Ökowald statt Forstplantagen" fordern die Grünen. Doch viel Zeit bleibt nicht. Thomas Griese, Staatssekretär im Umwelt- und Forstministerium Rheinland-Pfalz, fürchtet, "dass, wenn wir nicht aufpassen, wir eine großflächige Entwaldung haben werden, die den Klimaschaden noch größer werden lässt. Denn dann fällt der Wald aus als Speicher für CO2, und wir würden eine noch schlechtere CO2-Bilanz haben."
Wie Wald- und Klimaschutz auszusehen hat - da sind sich der rheinland-pfälzische CDU-Oppositionschef Baldauf und der Grünen-Politiker Griese uneins: Der Christdemokrat wirft der Ampel-Koalition von Malu Dreyer vor, für die Windkraft Schneisen in den Wald zu schlagen. Der Forst-Staatssekretär glaubt dagegen, dass die globale Erwärmung nur durch eine Wende hin zu Wind- und Solarkraft zu stoppen ist.
Doch die Bundesregierung, so kritisiert Landespolitiker Griese, halte fest an fossilen Energien und bremse die erneuerbaren aus. Dem Klimawandel samt Waldsterben setze sie nichts entgegen.