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Waldbrände in Portugal
Angst vor der nächsten Katastrophe

Von Feuer eingekesselte Dörfer, Autos, in denen Menschen verbrennen, Aschefelder: Die Bilder von den verheerenden Waldbränden 2017 in Portugal sind noch frisch. Meteorologen und Waldbrandspezialisten wollen für diesen Sommer schlimmeres verhindern.

Von Tilo Wagner | 16.06.2018
    Waldbrand in Penela, Coimbra, Portugal am 18. Juni 2017
    Experten in Portugal wollen schlimmere Waldbrände als in 2017 verhindern. (PATRICIA DE MELO MOREIRA / AFP)
    In einem Waldgebiet rund 20 Kilometer westlich der zentralportugiesischen Stadt Castelo Branco läuft Luís Andrade eine Landstraße entlang. Er zeigt auf einen Hügel mit einem abgebrannten Waldstück. Im vergangenen Sommer sei hier ein Feuer ausgebrochen, das sich rasend schnell nach Süden ausgebreitet habe, erzählt der 50-jährige Forstwissenschaftler und Gemeindevorsteher. 5000 Hektar Wald seien verbrannt. Doch dieses Jahr, sagt Andrade, habe sich die Bevölkerung besser vorbereitet.
    Ein Pritschenwagen hält am Straßenrand. Im Fahrerhaus ein älteres Ehepaar, auf der Ladefläche ein paar Motorsägen, Benzinkanister und Kettenöl. Die rund 750 Einwohner, die in der 74 Quadratkilometer großen Gemeinde Santo André verstreut im Wald leben, wollen vor dem Beginn der heißen, trockenen Sommermonate das Unterholz beseitigen. "Rund um jede Ortschaft müssen wir einen Sicherheitsabstand von 100 Metern einhalten, wo keine Bäume wachsen dürfen. Und rund um jedes frei stehende Haus im Wald sind es 50 Meter. Dieses Gesetz gibt es seit 2006. Aber jetzt ist der politische Druck sehr groß, dass diese Vorgaben strikt eingehalten werden. Unsere oberste Priorität ist es, die Menschen und ihre Hab und Gut in den Dörfern zu schützen."
    "Heute sehen wir den Wald als Bedrohung"
    Den Grundbesitzern, die ihre Waldstücke vor dem Sommer nicht in Schuss gebracht haben, drohen hohe Bußgelder. Bei vielen einkommensschwachen Familien in den Waldgebieten ist das ein wirksames Druckmittel. Nach den schlimmen Bränden des Sommers 2017, sagt José Andrade, hat sich auch die Art und Weise verändert, wie die Portugiesen auf die Waldgebiete schauen: "Vor zwei, drei Jahren war der Wald noch eine Geldquelle für uns, heute sehen wir ihn als Bedrohung. Warum? Weil wir noch nie so viele Todesopfer zu beklagen hatten, wie im vergangenen Jahr."
    Am 17. Juni 2017 brach in einem Waldgebiet in Pedrogão Grande rund 200 Kilometer nördlich von Lissabon ein Feuer aus. Bei extremer Trockenheit, heftigen Winden und Temperaturen von über 40 Grad raste eine Feuersbrunst über die Kiefer- und Eukalyptuswälder und kreiste Ortschaften, Häuser und Fahrzeuge ein. 64 Menschen starben, Hunderte verloren ihr Eigenheim. Portugal hat seit Jahrzehnten jeden Sommer mit schweren Waldbränden zu kämpfen, aber eine Katastrophe von einem derartigen Ausmaß hatte es noch nicht gegeben. Und es kam noch schlimmer: Mitte Oktober wiederholten sich die dramatischen Bilder. An einem einzigen Tag brachen 443 Waldbrände aus und vernichteten 190.000 Hektar Wald – das entspricht drei Viertel der Fläche des Saarlandes. Der wirtschaftliche Schaden wurde auf eine Milliarde Euro geschätzt. Und die Zahl der Todesopfer erreichte eine schwer nachvollziehbare Dimension: Insgesamt starben in Portugal im vergangenen Jahr 115 Menschen an den Folgen der Waldbrände.
    Feuerwehrleute der Republikanische Nationalgarde versuchen am 18.06.2017 in Avelar (Portugal) einen Waldbrand zu löschen. Bei einem verheerenden Waldbrand im Zentrum von Portugal ist die Zahl der Todesopfer auf 39 gestiegen. (zu dpa «Waldbrand in Portugal tötet mindestens 39 Menschen» vom 18.06.2017) Foto: Armando Franca/AP/dpa +++(c) dpa - Bildfunk+++
    Das Chaos im Zivilschutz wiederholte sich im Oktober 2017. (AP)
    Mangelhafte Kommunikation im Zivilschutz
    Für den sozialistischen Premierminister António Costa waren die katastrophalen Zustände im Landesinneren auch eine persönliche politische Niederlage. Costa hatte als Innenminister in den Jahren zwischen 2005 und 2007 eine Reform des Zivilschutzes bewirkt, um die Bekämpfung der Waldbrände effizienter zu gestalten. "Es wurde eine oberste Instanz des Zivilschutzes geschaffen, die im Falle einer schweren Notsituation alle Operationen der Einsatzkräfte koordiniert. Doch es hatte seit 2005 keine Evaluierung dieser Reform des Zivilschutzes gegeben."
    Duarte Caldeira, ehemaliger Präsident des portugiesischen Feuerwehrverbandes und Leiter eines Forschungszentrums für Zivilschutzfragen: "Im Juni des vergangenen Jahres ist das Zivilschutzsystem zum ersten Mal unter extremen Bedingungen getestet worden. Und es ist heute klar, dass dieses System eine Reihe von schwerwiegenden Fehlern aufgewiesen hat, insbesondere im Bereich der Kommunikation, die teilweise komplett ausgefallen ist. Die Rettungskräfte konnte deshalb nicht zu den Bewohnern gelangen, die vom Feuer eingeschlossen waren."
    Das Chaos im Zivilschutz wiederholte sich im Oktober 2017 – und diesmal mit direkten Konsequenzen für die sozialistische Regierung: Die Innenministerin gab dem Druck der Öffentlichkeit nach und reichte ihren Rücktritt ein. Premierminister Costa, so der Politologe Pedro Adão e Silva, habe vor seiner bis dahin größten politischen Herausforderung gestanden: "Die Waldbrände waren eine menschliche Tragödie und gleichzeitig ein enormer ökonomischer Verlust. Und sie sind zu dem vielleicht wichtigsten Test der Regierung geworden. Portugal hat in jüngster Zeit gute Nachrichten geschrieben im Bereich der Wirtschaft und der Haushaltsdisziplin. Doch hier geht es um etwas anderes: Es sind strukturelle Probleme, die das Handeln des Staates und die öffentliche Politik prinzipiell in Frage stellen."
    Waldbrandkatastrophen schwächten das Vertrauen
    Die Missstände in den portugiesischen Waldgebieten sind seit Jahren bekannt. Doch die Politik habe ignoriert, was die Experten an den portugiesischen Universitäten längst festgestellt hätten, sagt João Silva vom Lissabonner Zentrum für Forstwissenschaft.
    "Wir hatten in den vergangenen Jahren immer wieder schwere Waldbrände mit Todesopfern, zum Beispiel 2003 oder 2005. Und es ist immer dasselbe Spiel. Die Regierung scheint aufgewacht zu sein, sie macht neue Gesetze, ändert die Befehlsstrukturen und präsentiert ambitionierte Pläne. Doch es ändert sich trotzdem nichts."
    Die Minderheitsregierung war jedoch gezwungen, zügig zu handeln, um den politischen Schaden in Grenzen zu halten. Der konservative Staatspräsident Marcelo Rebelo de Sousa hatte bis dato seine schützende Hand über das ungewöhnliche Linksbündnis aus gemäßigten Sozialisten und eurokritischen, radikaleren Linksparteien gehalten, auch weil er ein sehr gutes Verhältnis zu Premierminister António Costa pflegte. Die Waldbrandkatastrophen schwächten das gegenseitige Vertrauen jedoch spürbar.
    Nur wenige Tage nach den Waldbränden vom Oktober vergangenen Jahres stellte Regierungschef Costa die Ergebnisse eines außerordentlichen Ministerrates vor. Zum einen ging es um Entschädigungszahlungen für Opfer und um Hilfen für zerstörte Betriebe. Zum anderen legte die Regierung ein detailliertes Programm vor, wie die strukturellen Probleme bei der Waldbrandbekämpfung gelöst werden können. Ein Kernpunkt der Reform sah die Schaffung einer unabhängigen Experten-Agentur vor, die die Pläne gemeinsam mit allen verantwortlichen staatlichen Institutionen und Akteuren umsetzen soll.
    Schwerwiegende Mängel des Systems
    Seit ein paar Monaten sitzt Tiago Oliveira im Gebäude des Ministerrates in Lissabon. An den Wänden hängen Karten mit rot gefärbten Risikogebieten, Zeitungsartikel und To-Do-Listen. Der promovierte Forstwissenschaftler war jahrelang als Brandexperte für die portugiesische Papierindustrie tätig. Bereits im Jahr 2005 war er an der Ausarbeitung eines nationalen Plans zur Waldbrandbekämpfung beteiligt, der jedoch nie umgesetzt wurde. Jetzt leitet er die Experten-Agentur aus Meteorologen, Klimaforschern und Waldbrandspezialisten, die eine vollkommen neue Strategie für die portugiesischen Waldgebiete entwerfen soll: "Das alte System und seine Akteure haben schwerwiegende Mängel aufgewiesen: Wir sprechen von fehlenden wissenschaftlichen Grundkenntnissen, mangelhafter Berufsqualifizierung und großen Schwierigkeiten, die zugeschriebenen Aufgaben so zu lösen, wie es international gang und gäbe ist. Das werden wir jetzt nachholen müssen."
    Oliveira arbeitet mit den zuständigen Ministerien, mit dem Zivilschutz, der Feuerwehr, der Polizei, dem Militär und lokalen Behörden zusammen, um über 70 konkrete Maßnahmen zeitgerecht umzusetzen. Viele beziehen sich direkt auf die Hauptprobleme des portugiesischen Waldes – ein Gebiet, das seit Jahrzehnten einen drastischen Bevölkerungsschwund erlebt. "Wenn Ackerland brach liegt, dann wachsen erst die Büsche und später die Bäume. Und niemand tut etwas dagegen. Die Vegetation nimmt zu. Die Sommerhitze kommt und alles wird trocken. Dadurch breiten sich die Brände rasend schnell aus. Wir haben also ein Gebiet, das sich stark verändert. Wir haben eine Raumordnung, in der jeder überall in den Wäldern ein Haus bauen und sich damit Gefahren aussetzen kann. Und dann haben wir den Klimawandel, der im vergangenen Jahr zu extremer Hitze und Trockenheit geführt hat."
    Debatte über Demographie und Landflucht
    Portugal ist eines der dichtest beforsteten Länder Europas: Der Wald nimmt 39 Prozent der Fläche ein. Das war nicht immer so, sagt der Forstwissenschaftler João Silva: "Vor 100 Jahren gab es so gut wie keinen Wald in Portugal: Er betrug vier bis fünf Prozent der Fläche. Das war in vielen europäischen Ländern ähnlich, denn damals benutzte man das Holz für alles: Zum Kochen, für die Industrie, zum Heizen, für die Eisenbahn. Doch seitdem ist die Waldfläche in Portugal stark gewachsen. Das sollte eigentlich kein Problem sein – im Gegenteil. Doch es wird zu einem Problem, wenn der Wald nicht richtig verwaltet wird. Deshalb gibt es jetzt Leute, die sagen, wir hätten zu viel Wald in Portugal."
    In den vergangenen Monaten hat sich die politische Debatte nicht nur um die Bekämpfung der Waldbrände gedreht. Es ging auch um prinzipielle Fragen nach Demographie, Landflucht und einer überalterten Gesellschaft. Im Parlament stellte sich Premierminister Costa vor zwei Wochen den Fragen der Abgeordneten. Fernando Negrão, Fraktionsvorsitzender der größten, konservativen Oppositionspartei PSD, legte den Finger in die Wunde: "Herr Premierminister, die Frage, wie wir die Regionen im Landesinneren in Zukunft wiederbeleben können, ist von sehr hoher Bedeutung. Doch das Thema ist bei Ihnen nicht gut aufgehoben. Wir alle wissen, wie die Regierung im Landesinneren mit dem Problemen der Waldbrände im Juni und Oktober des vergangenen Jahres umgegangen ist: Mit großer Nachlässigkeit und sogar Fahrlässigkeit. Wir hoffen, dass Ihre Pläne für die betroffenen Regionen nicht auf die gleiche Art und Weise durchgeführt werden."
    Chance für den Staat
    Die Parteien diskutierten über steuerliche Anreize, mehr Studienplätze an den Hochschulen im Landesinneren und die Versetzung von Teilen der öffentlichen Verwaltung in die Waldgebiete. Für den Waldbrandexperten Tiago Oliveira sind diese Ansätze nur Augenwischerei: "Es gibt einfach nicht genügend Leute im Landesinneren, um neue Generationen zu gründen. Wir haben es mit einem doppelten Alterungsprozess zu tun: Die Jungen ziehen weg und die Alten werden immer älter. Wir können vielleicht junge Leute ins Landesinnere schicken, damit sie unseren Wald in Schuss halten, sei es in der Agroforst-, in der Forstwirtschaft oder im Naturtourismus. Aber ich glaube, die Zeit, in der wir neue industrielle Pole im Landesinneren schaffen, ist vorbei. Nur wenn es eine globale Katastrophe gibt und wir uns wieder sehr primitiv ernähren müssen, würden wir wieder in großer Zahl zurück aufs Land ziehen."
    Der Alterungsprozess im Hinterland kommt Hand in Hand mit einem weiteren Problem: Die portugiesischen Waldgebiete sind unterteilt in unzählige kleine Parzellen mit ebenso vielen Grundbesitzern. Manche wohnen nicht mehr auf dem Land, andere wissen gar nicht, wo ihr Grundstück liegt und viele, die sich bisher um ihr Waldstück kümmern konnten, schaffen das im hohen Alter nicht mehr. Das öffnet eigentlich eine Chance für den Staat. Während in Deutschland rund ein Drittel des Waldes in öffentlicher Hand ist, besitzt der portugiesische Staat nicht einmal drei Prozent der Waldgebiete. Im Zuge des demographischen Wandels im Landesinneren seien die Menschen nun bereit, ihren privaten Wald abzugeben, sagt der Ortsvorsteher José Andrade aus dem Waldgebiet in der Nähe von Castelo Branco: "Fast jeden Tag kommen Leute zu uns, die ihr Grundstück der Gemeinde oder dem Zentralstaat schenken möchten. Sie sagen, die Parzellen sind zu klein, wenn ich sie aufwendig in Stand halten muss, dann lohnt sich das für mich nicht."
    In den Wald investieren
    Dennoch ist weder in der Regierung noch beim Staatspräsidenten politischer Wille zu spüren, den öffentlichen Anteil am portugiesischen Wald deutlich zu erhöhen. Die Gründe liegen auf der Hand: Trotz jüngster wirtschaftlicher und finanzpolitischer Erfolge kämpft Portugal immer noch mit sehr hohen Staatschulden. Allein die Instandhaltung größerer öffentlicher Waldflächen würde hohe Investitionen nach sich ziehen: in den Ausbau und die Wiederbelebung staatlicher Forstbetriebe, in modernere Maschinerie und in die Einstellung qualifizierter Waldarbeiter. In Vorbereitung auf den Sommer 2018 wählte die Regierung eine wesentlich einfachere und kostenneutralere Alternative: Unter Androhung von empfindlichen Bußstrafen sind die privaten Waldbesitzer gezwungen worden, ihre Grundstücke so weit zu säubern, dass die gesetzlich vorgeschriebenen Mindeststandards erreicht werden.
    Letztendlich, so Tiago Oliveira von der neu gegründeten Experten-Agentur, gehe es um eine ganz entscheidende Frage: "Wieviel sind die Portugiesen, die in den Städten wohnen, bereit zu zahlen, damit der Staat den Wald besser verwalten kann? Wir müssen in den Wald investieren. Das bringt schließlich auch einen großen Gewinn für die Gesellschaft: Weniger CO²-Ausstoß; mehr Biodiversität; der Erhalt der Natur, der Fauna, der Flora; die Bewahrung einer kollektiven Vergangenheit; und schließlich das Holz. Reicht das aus, damit wir Bürger ein bisschen mehr für den Wald ausgeben oder lassen wir einfach alles abbrennen?"
    Die Bewohner in den Waldgebieten mögen nur wenig direkte politische Macht haben. Doch mit den Fragen, die das Landesinnere Portugals betreffen, beschäftigen sich weiterhin viele Städter, die noch selbst auf dem Land aufgewachsen sind. Das sagt der Politologe Adão e Silva: "Die Leute sind in die Stadt gezogen und möchten nicht wieder aufs Land ziehen. Aber sie bewahren sich eine verklärte Erinnerung an eine Zeit, die nicht mehr existiert. Diese erste Generation der Städter hat eine sehr emotionale Beziehung zu den Orten im Landesinneren, wo sie aufgewachsen sind. Und ein paar Mal im Jahr fahren sie für ein paar Tage zurück in die alte Heimat."
    Regierung muss jedes Jahr Löschflugzeuge anmieten
    Diese emotionale Seite mag erklären, warum die Tragödie des vergangenen Sommers so vielen Portugiesen so nahe gegangen ist. Und sie erhöht auch den Druck auf die Regierung, konkrete Vorhaben so schnell wie möglich umzusetzen. Dazu gehört das Verbot, neue Waldflächen mit Eukalyptusbäumen zu bepflanzen. Und dazu gehört auch die Frage der Löschflugzeuge.
    Der portugiesische Staat hat es nämlich in den vergangenen Jahrzehnten versäumt, eine Flotte von Hubschraubern und Fliegern zu erwerben, um die Brände aus der Luft zu bekämpfen. Jedes Jahr muss die Regierung von hochspezialisierten Unternehmen Löschflugzeuge anmieten – und in einem Markt fast ohne Wettbewerb werden die Preise von den Privatanbietern diktiert. Jetzt habe die aktuelle Regierung endlich verstanden, dass es so nicht weitergehen kann, sagt der Zivilschutzexperte Caldeira. "Ab dem Jahr 2020 soll die Waldbrandbekämpfung aus der Luft in der Verantwortung der Luftwaffe liegen. Das bedeutet, dass der Staat über die nächsten Jahre eine Flotte von Löschflugzeugen kaufen wird und die Luftwaffe die Piloten ausbildet, die die Maschinen in den Brandgebieten fliegen werden."
    Die Experten in der neu gegründeten Agentur zur Waldbrandbekämpfung verweisen jedoch auch darauf, dass sich die Taktik ändern müsse. Beim Kampf gegen die Flammen soll in Zukunft weniger mit Wasser gearbeitet werden und viel mehr mit schwerer Maschinerie und mobilen Einsatzkräften, die dem Feuer durch das Schlagen großer Schneisen den Weg abschneiden sollen.
    Ein Löschflugzeug wirft  am 20. Juni Wasser über einem Brandherd in Cernache de Bonjardim in Serta/Portugal ab.
    Die Mietpreise für Löschflugzeuge werden von Privatanbietern diktiert. (AFP / Patricia de Melo Moreira)
    Der Aufbau einer Flotte von Löschflugzeugen, neue Taktiken bei der Feuerbekämpfung einzuüben und zu koordinieren oder die kontinuierliche Pflege der Waldgebiete brauchen jedoch Zeit. Deshalb haben die Experten eine Reihe von Prioritäten festgelegt, um die Zivilbevölkerung bereits in diesem Sommer besser schützen zu können: "Die Brände im Juni und Oktober 2017 haben uns gezeigt, dass die Bewohner in den Waldgebieten extrem schlecht vorbereitet sind, um sich bei einem schweren Waldbrand richtig zu verhalten. Deshalb hat die Regierung ein Programm ins Leben gerufen, dass bereits einen großen Teil der Dörfer im Landesinneren mit einschließt. In jedem Dorf wird ein Bewohner zum so genannten Sicherheitsbeauftragten ernannt, der im Falle eines schweren Waldbrandes die Bevölkerung so organisiert, das jeder einen sicheren Rückzugsort zugeteilt bekommt."
    Gleichzeitig haben die Behörden die Menschen in den Waldgebieten ausdrücklich ermahnt, im Sommer auf kontrollierte Brandrodung zu verzichten, die vor allem von der älteren Bevölkerung seit jeher in den ländlichen Regionen betrieben wird. Das ist absolut notwendig, denn weit über zwei Drittel der Waldbrände in Portugal entstehen durch menschliches Fehlverhalten oder Unachtsamkeit. Die Erziehung der Bevölkerung sei deswegen ein entscheidender Faktor bei der Waldbrandvermeidung, sagt der Leiter der Experten-Agentur Tiago Oliveira: "Wir müssen den Menschen Alternativen bieten, damit sie nicht mehr auf Brandrodung zugreifen. Zum Beispiel durch ein Entsorgungssystem, das organische Garten- und Waldabfälle einsammelt, kompostiert und damit sogar noch Energie erzeugt. Wir brauchen gut funktionierende Institutionen, die die wahren Gründe des Problems anpacken. Das ist viel wichtiger, als schwer ausgerüstete Einsatzkräfte aufzustellen, die nur das Problem bekämpfen."
    Zwei Wochen vor dem Beginn der kritischen Phase der Waldbrandsaison in Portugal zieht Tiago Oliveira ein realistisches Fazit: "Die Menschen sind sich der Risiken stärker bewusst. Und die Institutionen sind ein kleines bisschen besser vorbereitet und haben Zugang zu mehr Fachwissen. Doch eigentlich hängt leider immer noch fast alles vom Wetter ab."