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Waldlobby contra Naturschutz

FFH - drei Buchstaben, die so manchem Waldbesitzer das Fürchten lehren: Die Abkürzung steht für die "Fauna-Flora-Habitat"-Richtlinie der Europäischen Union, eine Naturschutzregelung. In Gebieten, die unter diese FFH-Richtlinie fallen, müssen die Eigentümer Nutzungseinschränkungen beachten und das betrifft im Wald sowohl die Anpflanzung als auch die Abholzung beispielsweise. Die Forstkammer von Baden-Württemberg spricht inzwischen von einem regelrechten Konflikt.

Von Thomas Wagner | 13.11.2007
    Sein Freund, der Baum: Johannes Baron Bodman darf 1500 Hektar Mischwald im westlichen Bodenseeraum sein Eigen nennen – Familienbesitz seit über 700 Jahren. Doch nun droht Ungemach: Der gesamte Bodman’sche Waldbestand ist zur Schutzfläche nach der europäischen FFH-Richtlinie erklärt worden:

    "Eine wichtige Einschränkung ist zum Beispiel die Baumartenwahl. Bisher konnten wir frei auswählen, wie viele Bäume wie auf welchem Standort standortgerecht anpflanzen."

    Doch genau das geht nun nicht mehr: Die Anteile der jeweiligen Baumarten innerhalb der Schutzzone dürfen nur in eng begrenzten Bandbreiten verändert werden – eine Auflage, die in Zukunft nach Ansicht des Großwaldbesitzers vom Bodensee kaum mehr umsetzbar sein wird. Der Grund: Der Klimawandel und die damit einhergehende Erhöhung der Temperaturen, die gleichzeitig zu einem Wassermangel in den Waldböden führt:

    "Aus derzeitiger Sicht ist die Fichte als erste gefährdet und anschließend die Buche, wenn es eine weitere Erhöhung gäbe. Und aus heutiger Sicht reagieren wir darauf schon, weil die Klima-Erwärmung gibt es nicht erst heute, sondern wenn man die letzten Jahrzehnte zurück verfolgt, gibt es eine Klimaerwärmung, die nachweisbar ist hier in unserem Gebiet, und da reagieren wir mit Douglasie drauf."

    Das heißt: Fichten-Bestände wurden bislang durch die aus Amerika stammende Douglasie ersetzt. Die erweist sich nämlich, so Jerg Hilt von der Landesforstkammer Baden-Württemberg, als wesentlich widerstandsfähiger als die Fichte…,

    "...und die eben im Gegensatz zur Fichte durch ihr ausgeprägtes Wurzelsystem diese Trockenphasen deutlich besser verkraftet als die Fichten."

    Doch sobald ein Waldbestand unter FFH-Schutz gestellt wird, dürfen die gefährdeten Fichten nur noch in eng begrenztem Umfang durch Douglasien ersetzt werden – ein ökologischer Unfug, meint Waldbesitzer Johannes Baron Bodman:

    "Holz, wenn man es verbrennt, ist CO2-neutral. Je mehr Holz wächst, desto mehr findet eine CO2-Bindung statt. Auch das spricht dafür, dass man auf diesen Standorten das anbaut, was dort am besten wächst. Damit wird die CO-2-Bindung erhöht.

    Was dazu kommt, ist, dass bei einem Wald, der so unter Schutz gestellt wird, diese CO-2-Speicherung bald aufgebraucht wird. Mehr CO-2 kann da nicht mehr gespeichert werden, weil über die Zerfallsprozesse wieder CO-2 emittiert wird. Wenn wir unsere Wälder bewirtschaften und das Holz darin nutzen und zum Beispiel Häuser daraus bauen, ist dieses CO-2 langfristig gespeichert und kann so nicht wieder das Klima belasten…,"

    …ergänzt Jerg Hilt von der Landesforstkammer Baden-Württemberg, dem Dachverband privater und kommunaler Waldbesitzer. Er fordert, zusammen mit zahlreichen Waldbesitzern, eine Anpassung der FFH-Richtlinie, die den Waldbesitzern beispielsweise freie Hand bei der Sortenwahl lässt, um dem Klimawandel Rechnung zu tragen. Denn gerade vom Klimawandel sei 1992, als die FFH-Richtlinie verabschiedet wurde, bei weitem nicht in dem Maße die Rede gewesen wie heutzutage. Stimmt zwar, sagen die Naturschutzverbände. Sie können allerdings einer Änderung der FFH-Richtlinie zum derzeitigen Zeitpunkt, wie von den Waldbesitzern gefordert, nichts abgewinnen. Jörg Dürr-Pucher ist Präsident der Bodensee-Stiftung in Radolfzell:

    "Wir hoffen, dass die FFH-Richtlinie jetzt erst einmal konkret umgesetzt wird. Da stehen wir ja noch ganz am Anfang. Ich denke, wir sollten drei Jahre warten, um dann in die Diskussion einzutreten, in welcher Hinsicht die FFH-Richtlinie verbesserbar ist. Ich denke, wir haben noch keine Pflege- und Entwicklungspläne für die Gebiete. Erst danach wird man wissen, was wirklich auf die Waldbesitzer zukommt. Und dann können wir in den Dialog treten. Aus unserer Sicht ist die naturnahe Waldbewirtschaftung, wie sie in Deutschland praktiziert wird, mit FFH, mit Natura 2000, kompatibel."

    Allerdings möchte auch Naturschützer Jörg Dürr-Pucher die Augen nicht vor den Auswirkungen des Klimawandels auf die Forstwirtschaft verschließen. Sollten sich im Laufe der Zeit tatsächlich deutliche Schädigungen beispielsweise bei der Fichte zeigen, lasse man mit sich reden:

    "Wir sind ganz sicher, dass wir die FFH-Richtlinie an den Klimawandel anpassen müssen. Da sprechen wir aber von 10 oder 20 Jahren. Und dafür sind die Naturschützer mit Sicherheit offen."