Dienstag, 19. März 2024

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Waldschäden durch Trockenheit
"Wir müssen uns von der Fichte im Tiefland verabschieden"

Die Fichte werde durch den Klimawandel in ihr natürliches Verbreitungsgebiet zurückgedrängt, sagte Maike Wanders von der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald im Dlf. Das seien Hochlagen wie beispielsweise die Alpen. Im Tiefland werde sie dagegen verschwinden. Das Hauptproblem sei der fehlende Regen.

Maike Wanders im Gespräch mit Georg Ehring | 03.08.2020
Vertrocknete und von Borkenkäfern befallene Fichten in Oderbrück, im Juli 2020. Die grauen Silhouetten abgestorbener Fichten ragen in den Himmel oder liegen wild übereinander.
Die Zahl der geschädigten Bäume, die in deutschen Wäldern gefällt werden müssen, wächst rasant - Fichtensterben im Arnsberger Land (imago / Jochen Eckel)
Zu viel Hitze, zu wenig Regen: Der deutsche Wald leidet. Insbesonders die Fichten sterben seit einigen Jahren massenhaft ab. Sie leiden unter Wassermangel und werden geschädigt durch den Borkenkäfer, der sich in dem zunehmend trockenen und heißen Klima vermehrt.
"Wir müssen uns von der Fichte im Tiefland verabschieden, wenn wir den Klimawandel nicht noch in der letzten Sekunde aufhalten können", sagt Maike Wanders, Referentin für Wald, Forstpolitik und Öffentlichkeitsarbeit bei der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald, im Deutschlandfunk.
In der Holzwirtschaft gebe es daher bereits Ideen, die Fichte durch andere Nadelhölzer zu ersetzen, wie die Tanne und die Douglasie. Doch auch andere Baumarten kämen mit dem zunehmend trockenen und heißen Klima nicht klar: "Das Hauptproblem ist der fehlende Regen."
Die Fichte sei von großer wirtschaftlicher Bedeutung, weil sie sehr schnell wachse und weil sie sehr gutes Bauholz liefere, betonte Maike Wanders: "Fast jeder Dachstuhl unserer Häuser ist aus Fichte gebaut!"
Expertinnen und Experten würden schon nach alternativen Baumarten im Süden oder Südosten Ausschau halten und überlegten, ob man diese hier versuchsweise oder beigemischt anpflanzen könnte. Doch die Aufforstung sei nicht so einfach. Das größte Problem: "Im Wald dauert alles sehr sehr lange. Wenn wir jetzt anfangen, Mischkulturen zu pflanzen, dauert es 100 bis 150 Jahre, bis wir da ein Ergebnis sehen."
Julia Klöckner (CDU), Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, steht am Rande eines Treffens der für den Wald zuständigen Fachminister der Union in einem Waldstück
Julia Klöckner, CDU: - "Jeder muss sich um seinen Wald kümmern"
Angesichts massiver Schäden durch Trockenheit und Borkenkäfer in den deutschen Wäldern bezeichnet Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) im Dlf die Lage als dramatisch.

Das Interview in voller Länge:
In den 1980er-Jahren setzten einzelne Schadstoffe dem Wald zu, saurer Regen, unter anderem verursacht durch Schwefeldioxid war eine Ursache dafür, dass die Wälder unter Druck gerieten. Heute ist immer öfter die Rede von einer Neuauflage des Waldsterbens durch die Erderwärmung, doch nicht jede Baumart ist gleichermaßen betroffen. Wer mit offenen Augen durch die Natur geht, sieht besonders häufig abgestorbene Fichten. Damit trifft es einen Baum, der wirtschaftlich von besonders großer Bedeutung ist. Über das Fichtensterben sprach der Deutschlandfunk mit Maike Wanders, Referentin für Wald, Forstpolitik und Öffentlichkeitsarbeit bei der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald.
Georg Ehring: Frau Wanders, ist die Fichte bei uns vom Aussterben bedroht?
Maike Wanders: Vom Aussterben bedroht ist sie, würde ich sagen, nicht unbedingt, aber sie wird natürlich durch den Klimawandel jetzt in ihrer eigentlich natürlichen Verbreitungszentrum wieder zurückgedrängt.
Ehring: Wo ist denn das?
Wanders: In den Hochlagen normalerweise, in den Alpen zum Beispiel. Da wird die Fichte hoffentlich auch noch länger vorkommen, aber im Tiefland, wo sie flächendeckend in den letzten Jahrhunderten angebaut wurde, da wird sie sicherlich in den nächsten Jahrzehnten und Jahrhunderten verschwinden.
"Fast jeder Dachstuhl unserer Häuser aus Fichte gebaut"
Ehring: Das heißt, wenn beispielsweise in der Nähe von Bonn, in Kottenforst, die Förster sagen, die Fichte stirbt hier in der Region aus, dann stimmt das durchaus.
Wanders: Ja. Das kann man so sagen.
Ehring: Gibt es denn Erfolgschancen bei dem Versucht, die Bedingungen für die Fichte zu verbessern, oder muss man sich einfach von ihr verabschieden, wo sie standortungerecht gepflanzt worden ist?
Wanders: Ich schätze, wir müssen uns im Tiefland einfach von ihr verabschieden. Wenn wir den Klimawandel jetzt nicht noch irgendwie in letzter Sekunde gedreht bekommen und ihn aufhalten können, dann wird das sonst leider nichts.
Gefällte Holzstämme vor abgestorbenen Fichten  - Waldsterben im Naturpark Arnsberger Wald, über 70 Prozent der Fichten Bäume sind erkrankt, beschädigt, meist durch den Borkenkäfer, der sich durch Trockenheit und Wärme, dem Klimawandel, verbreiten konnte.
Wichtig für die Holzwirtschaft: Fichtenholz wird vor allem im Bau verwendet (imago / Jochen Tack)
Ehring: Die Fichte muss also durch andere Bäume ersetzt werden, sie ist aber auch wirtschaftlich von großer Bedeutung. Welche Bäume könnten das denn sein?
Wanders: Die Fichte ist bei uns einfach von großer Bedeutung, weil sie sehr schnell wächst und sehr gutes Bauholz liefert. Fast jeder Dachstuhl unserer Häuser ist aus Fichte gebaut. Das bedeutet, wir können auf Nadelholz nicht komplett verzichten. Es gibt verschiedene Ideen, welche Baumarten denn infrage kommen könnten, dieses Nadelholz der Fichte zu ersetzen. Da werden die Tanne und die Douglasie genannt.
"Borkenkäfter hat momentan sehr viel Hunger"
Ehring: Wenn Fichten im Flachland absterben, werden sie auch durch den Borkenkäfer gefressen. Bringt das nicht die Gefahr mit sich, dass auch andere Bäume oder Wälder angesteckt werden und die dann auch nicht mehr mit dem Klima klarkommen?
Wanders: Mit dem Klima kommen ja sehr viele Baumarten nicht klar, es ist ja nicht nur die Fichte. Die Fichte hat das Problem mit der Trockenheit in erster Linie, das nutzt der Borkenkäfer aus. Der Borkenkäfer hat momentan sehr viel Hunger, in unserer Region weiß ich schon, dass der auch auf andere Baumarten draufgeht, dass der also auch schon die Kiefer befallen hat. Und das kann natürlich grundsätzlich mit jeder Baumart passieren, deswegen ist das große Rezept, was momentan gefahren wird: Wir mischen das Ganze einfach so stark durch, dass selbst wenn ein Käfer kommt, dass der nicht den ganzen Bestand auffrisst, sondern es eben nur einzelne Bäume trifft.
Ehring: Machen denn da die Waldbesitzer mit? Die setzen doch gerne auf Monokulturen, um hinterher leichter ernten zu können.
Wanders: Es ist sicherlich leichter, Monokulturen zu pflanzen, keine Frage. Aber da hat man ja schon in den letzten Jahrzehnten gemerkt, dass das eben nicht Sinn des Ganzen sein kann. Und da machen auch schon viele Waldbesitzende seit Jahrzehnten mit. Das Problem beim Wald ist nur, das dauert alles sehr, sehr lange. Das heißt, wenn wir jetzt anfangen, Mischkulturen zu pflanzen und Mischwälder zu etablieren, dann dauert das 120, 150, 200 Jahre, bis wir da ein Ergebnis sehen.
Ehring: Die Fichte ist ja nicht besonders schön, so eine Fichten-Monokultur. Gibt es vielleicht auch ein bisschen Freude darüber, dass sich der Anblick des Waldes verändert?
Wanders: Sicherlich, ich glaube, das kommt immer auf das Auge des Betrachters an.
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Trockenheit und Hitze "macht vielen Baumarten den Garaus"
Ehring: Die Erwärmung schreitet voran, heute pflanzen wir Bäume, die es auch bei zwei Grad wärmeren Temperaturen aushalten. Überstehen denn die Bäume, die wir heute pflanzen, auch drei oder vier Grad höhere Temperaturen?
Wanders: Das ist sehr schwierig. Das Wald-Ökosystem ist sehr komplex, das heißt man kann da nicht nur von der Temperatur ausgehen, gerade der Niederschlag macht einen ganz großen Aspekt aus, und es ist sehr vielfältig. Das heißt, was hier im Köln-Bonner Raum passieren könnte, wissen wir auch nicht, können wir nur absehen ungefähr, wie sich das Klima verändert, das ist aber noch einmal etwas anderes, was im Bayerischen Wald passiert. So komplex, wie das System ist, müssen wir auch die Baumarten angehen und hoffen dann, dass sie auch andere Veränderungen noch mittragen. Wissen können wir das nicht.
Ehring: Welche Veränderungen sind das, ist das dann auch weniger Regen?
Wanders: Das ist zum Beispiel weniger Regen. Es gibt sehr viele Regionen in Deutschland, wo man eben prognostiziert, dass es da deutlich weniger regnen wird. Und das ist eigentlich das Hauptproblem: Es sind weniger die Temperaturen, sondern es ist vor allen Dingen der fehlende Regen. In Kombination mit der Temperatur macht es dann eben vielen Baumarten, zum Beispiel momentan der Fichte, komplett den Garaus, aber vor allem ist es eben das fehlende Wasser.
Ehring: Gibt es denn dann auch Regionen, die für Wald unter Umständen gar nicht mehr geeignet sind, wo dann besser tropische Baumarten gepflanzt werden müssen?
Wanders: Das hoffe ich nicht, ich hoffe schon, dass wir den Wald in Gänze erhalten können. Ob wir tropische Baumarten brauchen, so weit ich noch nicht gehen, aber Expertinnen und Experten schauen sich schon um, was momentan im Süden oder Südosten Europas für Baumarten wachsen und überlegen, ob man die vielleicht nicht auch hier versuchsweise oder beigemischt auch anpflanzen könnte.
Mehr zur Fichte: Die Fichte (Picea abies) ist in Mitteleuropa der wichtigste Baum der Holz- und Forstwirtschaft. Natürlich heimisch ist sie in den Alpen oder hohen Mittelgebirgen wie dem Harz oder den Vogesen. Die Vorteile der Fichte für die Forstwirtschaft: gerader Wuchs, sehr schnelles Wachstum und geringe Ansprüche - nur kühl und nicht zu trocken muss es sein.
Wald bedeckt etwa elf Millionen Hektar Fläche und damit ziemlich genau ein Drittel Deutschlands. Davon wiederum sind ein knappes Drittel Fichtenbestände (drei Millionen Hektar). Die Holzindustrie macht landesweit rund 15 Milliarden Euro Jahresumsatz.
(Quelle: AFPD)
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.