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Wandel im Wald

Klima.- Wälder binden das Treibhausgas Kohlendioxid und wirken auf das lokale Klima kühlend und ausgleichend. Nicht zuletzt deshalb galten sie bisher oft als kaum betroffen, wenn es um die Folgen des Klimawandels ging. Doch inzwischen mehren sich die Anzeichen, dass auch die Wälder durch die globale Erwärmung unter Druck geraten.

Von Katrin Zöfel | 24.01.2012
    In jedem Wald gibt es Waldbrände, Stürme reißen Lücken in die Baumdecke, und hin und wieder vermehren sich schädliche Insekten so stark, dass ganze Landstriche kahl gefressen werden. Das alles sind ganz normale Störungen, die ein Wald normalerweise gut übersteht. Doch der Klimawandel scheint dieses Gleichgewicht durcheinander zu bringen.

    "Die größte Sorge betrifft diese Störungsmuster, also die Häufigkeit von Waldbränden, Stürmen und Schädlingsplagen, die ganze Wälder entlauben."

    Das sagt der Forstökologe Malcom Hunter von der Universität von Maine in den USA. In seiner Gegend der Welt, der Nordostküste der USA, gebe es bisher kaum Anzeichen für diese Folgen der Klimaerwärmung.

    "Für uns ist das eine Sorge, die nur die Zukunft betrifft. Wenn ich aber im Westen Kanadas leben würde, also in British Columbia oder Alberta oder im Westen der USA, in Idaho oder Washington State, dann wäre ich wahrscheinlich ziemlich beunruhigt."

    Dort häuften sich in den vergangenen Jahren Borkenkäferplagen, und zwar eindeutig drastischere Plagen als bisher. Ganze Hänge, die sonst dicht von immergrünen Nadelbäumen bedeckt waren, leuchteten rot: weil die Nadeln abstarben. Der mögliche Zusammenhang mit dem Klimawandel ist schnell erklärt: Die Schadinsekten überleben die milderen Winter, vermehren sich im Frühjahr, und werden so zur Riesenplage. Auf längere Sicht könnten große Waldgebiete deshalb zu Treibhausgasquellen werden, statt wie bisher Kohlendioxid zu speichern.

    Mac Hunter betont allerdings: Es gebe zwar viele solcher Beobachtungen, wie der Klimawandel Wälder verändert, doch meist fehlen verlässliche Fakten. Es gebe zu wenig Langzeitstudien. Eine gerade veröffentlichte Arbeit zu Waldbränden in Kanada ist eine der wenigen Ausnahmen. Forscher von der US-Universität von Michigan und dem Umweltforschungszentrum Leipzig werteten Daten kanadischer Forstämter aus, Daten aus immerhin vier Jahrzehnten von 1959 bis 1999.

    "Wir schauen uns vor allem die Angaben zur Größe der Feuer an, und wie sich die mit der Zeit verändert haben. Da zeigt sich in einigen Regionen, dass große Feuer häufiger wurden."

    Die Ökologin Mercedes Pascual interessiert sich für Muster in komplexen Systemen und wie man diese statistisch abbilden kann. Sie gab die kanadischen Daten in verschiedene, relativ einfach gestrickte Computermodelle ein. Sie wollte testen, ob sich im Modell abbilden lässt, wo Brände entstehen, wie sie sich ausweiten und wieder verlöschen. Dabei zeigte sich: Waldfeuer verhalten sich ganz ähnlich wie ansteckende Krankheiten - etwa wie Masern oder Cholera.

    "Also bei Masern, und bei jeder anderen ansteckenden Krankheit, gibt es diesen Schwellenwert. Liegt die Anteil der anfälligen Menschen in einer Population unterhalb dieser Schwelle, breitet sich die Krankheit schlecht aus, liegt der Anteil darüber, greift die Infektion dagegen schnell um sich. Es gibt also einen regelrechten Sprung im Ausbreitungsverhalten. Und bei Waldbränden ist das ganz ähnlich: da ist natürlich nicht die Infektionsanfälligkeit entscheidend, sondern die Frage, wie leicht ein Gebiet Feuer fängt, also wie viel brennbares Material an einem Ort vorhanden ist."

    Die Idee, Waldbrände mit einem so einfachen Modell zu beschreiben, ist neu. Und dass es tatsächlich funktioniert, hat selbst Mercedes Pascual überrascht. Danke dieser Einsicht lassen sich in den kanadischen Daten neue, klare Tendenzen erkennen.

    "Wir können zeigen, dass sich die Feuerdynamik in einigen Regionen gewandelt hat. Wir sehen, dass die sogenannte boreale Ebene, eine Region im mittleren Westen, diesem kritischen Schwellenwert schon ziemlich nahe ist. Vor 1980 war das eine Gegend mit wenigen großen Feuern, jetzt breiten sich Feuer dort plötzlich viel leichter aus. Zwei weitere Regionen, die Hudson Ebene und der boreale Schild, entwickeln sich auch in diese Richtung, aber sie sind noch nicht so nah am Grenzwert, ab dem es den sprunghaften Wechsel hin zu mehr großen Feuern gibt."

    Dass ganz allmähliche Entwicklungen – wie der Klimawandel – zu sprunghaften Veränderungen führen können, ist für Wissenschaftler nichts Neues. Diese Studie ist aber eine der ersten, die zeigt, dass dieses Muster offenbar auch auf Wälder zutrifft. Waldökosysteme sind also womöglich gefährdeter als bisher gedacht.