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"Wandel statt Krise"
Berliner Diskussion über den Strukturwandel in der Kulturpolitik

Die Berliner Festspiele, eine Kulturinstitution des Bundes, haben zum Thema "Strukturwandel in der Kultur" eine Diskussionsreihe mit Gästen aus anderen europäischen Ländern organisiert. Die Abschlussveranstaltung war mit "Wandel statt Krise – am Beispiel Deutschland" überschrieben.

Von Franziska Buhre | 14.01.2014
    "Für mich ist der entscheidende Unterschied, wenn ich Institutionen betrachte im Augenblick, ob sie so konstruiert sind, dass sie exklusiv produzieren oder kooperativ. Nicht ob da ein Ensemble ist oder nicht, sondern im Gegenteil, man könnte sagen, das freie Theater ist in weiten Feldern tatsächlich der Ort realer Ensemblebildung, während unsere Ensemble-Theater in der Regel bespielt werden von Gruppen durchreisender Gastarbeiter."
    Thomas Oberender, Intendant der Berliner Festspiele, regt auf der Podiumsdiskussion in seinem Hause dazu an, das Programm eines Theaterbetriebes eher von den beteiligten Akteuren her zu denken als von den Massgaben der Institution. Leichter gesagt als getan, denn in Deutschland zielen die meisten Instrumente öffentlicher Finanzierung nach wie vor auf Strukturen mit langer Tradition, wie etwa bei Stadttheatern. Diesem Modell stehen die unzähligen freien Künstler und Künstlergruppen gegenüber, die in flexiblen und oftmals unsicheren Produktionsstrukturen arbeiten. Hortensia Völckers, künstlerische Leiterin der Kulturstiftung des Bundes, sieht Handlungsbedarf in der Politik und beschreibt die Rolle der Stiftung auf Ebene der Kommunen.
    "Der Bund muss sich jetzt viel weiter bekennen zu seiner Rolle in der Kultur- und in der Kunstförderung und eine Position einnehmen – was machen wir jetzt, wo ganze Regionen wegbrechen? Aber ich würde jetzt nicht dafür plädieren, dass wir freie Gruppen in Kommunen unterstützen, weil wir dazu nicht die Richtigen sind. Ich finde, das müssen die Kommunen machen vor Ort, und die muss man dazu ein bisschen mit in die Verantwortung nehmen, indem man sagt, wir geben Geld, ihr müsst auch Geld geben. Das ist einfach ein ganz primitives Wunderrezept."
    Ein ganz primitives Wunderrezept
    Das Theater Freiburg hat die Förderung aus dem Fonds Doppelpass der Kulturstiftung für eine grundlegende Reflexion des Theaterbetriebes genutzt, wie Intendantin Barbara Mundel erzählt:
    "Wir haben uns eigentlich mit uns selber beschäftigt. Das Thema hiess, Zukunft der Arbeit‘, und wir haben versucht herauszubekommen, mithilfe einer freien Gruppe als künstlerisches Projekt, die Mitarbeiter an einer solchen Zukunftsfrage einer Institution zu beteiligen."
    Wie vereinbart man an einem Drei-Sparten-Haus die Arbeitszeiten eines Schauspielers und eines Orchestermusikers? Wie kann man Beleuchtungsmeister schon am Entstehungsprozess einer Produktion beteiligen? Seit dem Projekt absolvieren die Mitarbeiter am Theater Freiburg betriebsinterne Praktika und lernen so den Betrieb in ganz anderen Bereichen als den eigenen noch einmal neu kennen. Weil Barbara Mundel die Institution von innen her befragt, kann sie den Blick nach aussen auf den Standort richten.
    "Wenn man sozusagen nicht über die Metropolen spricht, dann hat ein Stadttheater oder was auch immer, es muss ja kein Stadttheater sein, es kann auch ein freies Produktionshaus sein, hat aber trotzdem eine Chance und eine Möglichkeit, sich viel spezifischer auch mit dem Ort, an dem es ist, auseinanderzusetzen."
    Sandra Klöss vom Landesverband der freien darstellenden Künste in Berlin hingegen plädiert dafür, freie Gruppen beim Prozess der Institutionalisierung in selbst gewählten Strukturen zu unterstützen, statt sie mehr an die örtlichen Institutionen zu binden.
    Grundsätzliches Umdenken im Kulturbetrieb angemahnt
    Hortensia Völckers mahnt ein grundsätzliches Umdenken im Kulturbetrieb an, das sowohl Fördermodelle als auch Strukturen betrifft.
    "Was ich extrem bedaure, ist, dass wir nicht bereit sind, gewisse Brüche auch zu vollziehen. Wir können nicht alles behalten. Es wäre schön, wenn wir mal was abgeben und nicht auf den Sachen sitzenbleiben, weil das ist erstickend."
    Völckers bedauert das Festhalten an Positionen, Posten und Einrichtungen, sowohl bei freier Szene, als auch bei den institutionalisierten Kulturbetrieben. Bündnisse zwischen Kulturpolitikern und Intendanten gehören ihr zufolge viel früher aufgekündigt, damit andere künstlerische Prozesse die Chance bekommen, frischen Wind an ein Haus zu bringen.
    Ebenso muss regelmässig überprüft werden, ob sich Anschlussförderungen freier Ensembles noch mit der von ihnen erwarteten künstlerischen Qualität vereinbaren lassen.
    Evaluationen gehören maßgeblich dazu – um die Arbeit nach innen zu überprüfen und nach aussen darzulegen, dass die öffentlichen Fördermittel gut angelegt sind.