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War's das mit dem Doktor?

In Sachsen wurden jährlich bisher rund 100 Promovenden über das Landesstipendienprogramm finanziert. Nun muss das Land 1,1 Milliarden Euro einsparen. Für den Hochschulstandort Sachsen bedeutet das nichts Gutes.

Von Thomas Matsche | 20.12.2010
    Georg Herold hat Glück gehabt. Der Geschichtsdoktorand konnte mit seinen Eltern vereinbaren, dass er von ihnen so lange Geld bekommt, bis er ein Stipendium in der Tasche hat. Dieses Privileg haben nicht alle und Georg Herold will es nicht unendlich auskosten. Falls es mit einem Stipendium nicht klappen sollte, gibt’s für den 26-jährigen nur zwei Alternativen.

    "Ich denke, ich würde versuchen den Weg übers Berufsleben zu nehmen, wobei ich mir nicht sicher bin, ob mein Arbeitgeber immer einverstanden ist. Ansonsten müsste ich halt das Ganze als Hobby betreiben und dann acht oder zehn Jahre dazu brauchen und dazu habe ich eigentlich keine Lust. Also ich würde wenn’s hart auf hart kommt, auch eher dazu neigen, die Promotion abzubrechen und voll ins Berufsleben einzusteigen anstatt da so zu versuchen, zweigleisig zu fahren weil das ist dann nichts Ganzes und nichts Halbes."

    So oder ähnlich denken wohl zurzeit viele Doktoranden in Sachsen. Denn die Landesregierung will die jährlichen Mittel für die Landesstipendien massiv kürzen. Schon jetzt im Wintersemester konnten an der Uni Leipzig erstmals keine Landesstipendien mehr vergeben werden. Üblich waren vier Stipendien pro Semester. Und im nächsten Jahr soll noch mehr gespart werden. Von 1,3 Millionen in diesem auf 870.000 Euro im nächsten Jahr. Für die Sprecherin Annett Hofmann ist das aber kein Einschnitt. Sie verweist auf Finanzierungsalternativen.

    "Wir sagen ganz klar, bei uns ist die Graduiertenförderung gesichert. Zusätzlich zu den Landesstipendien gibt es die Möglichkeit über den ESF, den europäischen Sozialfonds, Stipendien zu beantragen. Wir gehen davon aus, dass die Kürzungsbeiträge bei den Landesstipendien durchaus aufgefangen werden können, weil wir über den ESF-Bereich deutlich mehr Stipendien ausreichen werden können."

    Damit betreibe die Landesregierung allerdings Augenwischerei, meint Benjamin Bigl, Sprecher des Leipziger Promovierendenrats. ESF-Gelder seien stark themengebunden und förderten keine exzellenten Themen. Rechne man zudem die ESF-Gelder weg, dann liege Sachsen im deutschlandweiten Vergleich auf dem vorletzten Platz. Und gerade die Uni Leipzig werde unter dem Wegfall der Landesgelder zu leiden haben, sagt Benjamin Bigl.

    "Die Staatsregierung hält diese Förderung ein bisschen wie ein Feigenblatt vor sich, um zu verschönigen, dass sie selber keine weiteren Mittel bereitstellt. Ist im Prinzip eine gute Sache, diese Stipendien aus dem Europäischen Sozialfonds. Die Regierung hat dazu zwei Programme aufgelegt, einmal diese Landesinnovationspromotionen, auf der anderen Seite die Industriepromotionen. Da muss man aber wissen, dass gerade hier in Leipzig die Fächerkultur und die Fächerstruktur sehr geistes-und sozialwissenschaftlastig ist. Das heißt von diesen ESF Promotionen profitieren alle anderen Universitäten mehr als die Leipziger Universität."

    Weshalb sich wohl auch nur wenig Widerstand in Sachsen regt. Denn vor allem die technischen Universitäten in Freiberg und Dresden werden ihre Doktoranden über den ESF fördern können. Die Leipziger kämpfen bislang alleine gegen die Kürzungen an. Gleichwohl prophezeit Geschichtsdoktorand Georg Herold einen Imageschaden für den gesamten Hochschulstandort Sachsen.

    "Für den höher qualifizierten akademischen Nachwuchs kann es im Zweifelsfall bedeuten, ja, kommt nicht nach Sachsen, geht lieber in andere Bundesländer wo es eventuell nicht nur die Landesgraduiertenstipendien gibt, sondern auch Stellen an der Universität. Ja, also ich denke, dass jemand, der eine Promotion anstrebt sich davon im Zweifelsfalle abschrecken lässt, wenn er erfährt, dass das Land Sachsen selbst verhältnismäßig wenig für seine Promovenden tut."