Freitag, 19. April 2024

Archiv


Warme Füße dank Rechenpower

Eine Dresdner Firma will ihre Server in Privathäuser auslagern und die Gebäude mithilfe der Abwärme beheizen. Kritiker sehen in dem Konzept aber eine Gefährdung der Datensicherheit.

Von Pia Grund-Ludwig | 15.06.2013
    Computer produzieren Wärme, und das nicht zu knapp. Das mindert aber die Leistung. Deshalb wird in großen Rechenzentren bis zur Hälfte des benötigten Stroms dafür verwendet, zu kühlen. Konzepte, die Abwärme nicht nur entsorgen, sondern sinnvoll verwenden, sind gefragt. So hat sich das Leibniz-Rechenzentrum in München 2012 den Deutschen Rechenzentrumspreis unter anderem mit einem energieeffizienten Konzept der Kühlung gesichert. Gekühlt wird mit warmem Wasser, das im Winter auch zur Heizung der Bürogebäude verwendet werden kann. Auch bei der Deutschen Telekom gibt es Pilotprojekte, um in Wintermonaten in Netzknoten-Rechenzentren mit Abwärme zu heizen. Einer der Gründe für die Zurückhaltung: Die Transportverluste wären zu hoch. Aoterra, ein Unternehmen aus Dresden hat sich nun eine Lösung ausgedacht und bringt Rechner als Teile eines virtuellen Rechenzentrums dahin, wo Wärme benötigt wird. Die Sachsen stellen vernetzte Server in die Keller von privaten Ein- und Zweifamilienhäusern. Dort unterstützen die Server-Farmen die Heizungssysteme. Um sie als Heizung gut nutzen können, dient als Kühlmittel nicht Luft, sondern Wasser, erklärt Jens Struckmeier, Geschäftsführer von Aoterra:

    "Wir haben ein spezielles System entwickelt, bei dem wir die Wärme nicht nur in den Luftkreislauf bringen, sondern wir können die Wärme direkt und sehr effizient in einen Wasserkreislauf bringen. Somit steht diese Wärme dann auch im Heizkreislauf zur Verfügung."

    Für ein Niedrigenergiehaus, das dem aktuellen Stand der Technik entspricht und eine Grundfläche von 150 Quadratmetern hat, kommt ein Schrank mit zwischen 10 und 16 Servern in den "Heizraum". Aber würde man sich als Internetnutzer wohlfühlen bei der Vorstellung, dass die privaten Daten im Keller des Nachbarn liegen? Wohl eher nicht, wenden Betreiber von Rechenzentren für Unternehmen ein: Er begrüße die innovative Idee, sagt Bela Waldhauser. Er ist Leiter der Kompetenzgruppe Rechenzentrumsinfrastruktur beim Internet-Unternehmensverband Eco. Er denke aber, dass sich das nur als Cloud-Lösung für Privatkunden nutzen lasse Geschäftskunden dürften das nicht akzeptieren, schon aufgrund der hohen Sicherheitsanforderungen, die sich im Privathaushalt kaum realisieren lassen. Auch die Dresdner betonen, dass die Daten der Kunden sicher sind. Daten werden nur verschlüsselt gespeichert, die Server-Schränke sind gegen Einbruch geschützt. Versucht jemand, den Schrank unbefugt zu öffnen, schalten sich die Rechner aus. Es soll weitere Sicherungsmaßnahmen geben, so Struckmeier weiter:

    "Wir arbeiten zurzeit an einer intelligenten Fragmentierung und Stückelung, sodass Daten redundant an verschiedenen Standorten liegen, sodass die Datensicherheit gewährleistet ist, wenn einzelne Standorte ausfallen oder auch Festplatten ausfallen."

    Der Vorteil bei diesem Ansatz: Die Heizwärme wird sinnvoll genutzt, und die Rechenpower kostet weniger. Kosten für den Bau oder das Mieten einer eigenen Immobilie für das Rechenzentrum entfallen ebenso wie die Aufwendungen für die Kühlung. Damit könne Rechenleistung um bis zu 20 bis 30 Prozent billiger sein als bislang, verspricht Struckmeier. Und was, wenn das Unternehmen nicht genug Rechenlast zur Verfügung hat? Keiner müsse sich fürchten, dann kalte Füße zu bekommen, betont Struckmeier. Zum einen gebe es eine stabile Grundlast:

    "Unsere Rechenlast setzt sich aus verschiedenen Komponenten zusammen. Wir haben Kunden, die uns eine Grundlast bescheren. Dann gibt es Spitzenlast, die wir anbieten. Es entwickelt sich nach wie vor ein Markt für Spitzenlasten, ein sogenannter Spot-Markt, wo man möglicherweise auch an der Börse auch stundenweise Rechenkapazität kaufen kann. Dass sind natürlich ideale Plattformen für uns, um überschüssige Rechenkapazität loszuwerden. Darüber hinaus haben wir die Möglichkeit, mit kooperierenden Universitäten zusammenzuarbeiten und denen freie Rechenzyklen anzubieten und beispielsweise Rechenzyklen zur Proteinfaltung zu machen."

    Falls das nicht reicht, springt ein Heizstab ab. Im Kalten zu sitzen muss man wohl auch beim Heizen mit der Kraft der Cloud nicht befürchten.