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Warnung vor Sonnenschein

Meteorologie. - Nicht nur extreme Schlechtwetterlagen wie flutartiger Regen oder immense Schneefälle fordern Opfer und verursachen große Schäden, auch außergewöhnliche Hitze wie im Sommer 2003 fordert ihren Tribut. Der Deutsche Wetterdienst reagiert darauf mit einem neuen Hitze-Warnsystem.

Von Volker Mrasek | 09.08.2007
    "Das ist jetzt schon die spezielle Hitzewarnseite. Im Moment sind wirklich Warnungen. Allerdings: "Aber keine Hitzewarnungen." "Das sind das keine Hitzewarnungen." Wir haben also die Schwellenwerte heute noch lange nicht erreicht."

    Den Deutschen Wetterdienst wähnt man in Offenbach. Doch da sitzt nur die Zentrale. Tatsächlich hat der DWD auch noch eine Reihe regionaler Standorte im Lande. Zum Beispiel in Freiburg im Breisgau:

    "Wir befinden uns hier in der Vorhersagezentrale Biosynoptik. Biosynoptik bedeutet: Einfluss des Wetters auf biologische Systeme. Das heißt jetzt in unserem Fall auf den Menschen."

    Ein Computer-Raum, ein halbes Dutzend Bildschirme auf den Tischen, und davor Christina Koppe und Klaus Bucher. Sie ist Hydrologin, er Meteorologe. Beide arbeiten in der Abteilung Medizin-Meteorologie des Deutschen Wetterdienstes. Der extrem heiße Sommer 2003 hat den Freiburgern zusätzliche Arbeit beschert. In Deutschland starben damals nach offiziellen Zahlen rund 7.000 überwiegend alte Menschen. Und zwar auch dort, wo man sie eigentlich gut betreut glaubte: in Krankenhäusern und Pflegeheimen. Der Wetterdienst hat daraufhin ein neues Hitzewarnsystem entwickelt, auf Empfehlung einer Expertengruppe des Bundesgesundheitsministeriums. In der Öffentlichkeit ist das Warnsystem weitgehend unbekannt. Inzwischen sind alle 16 Bundesländer daran angeschlossen:

    "Die Warnung wird herausgegeben, per E-Mail oder per Fax versendet. Sie wird verteilt in Deutschland an die Regionalzentralen, die dann wiederum die Warnung weiterleiten an die Endabnehmer, nämlich Altenpflegeheime, Krankenhäuser, Gesundheitsämter und was immer alles da dran hängt."

    Die Warnungen gehen an etwa 15.000 Stellen, wie Bucher sagt. Und es sollen noch mehr werden:

    "Ich denke jetzt an die mobilen Pflegeeinrichtungen. Da sind wir gerade dabei, ein Verteilungssystem einzurichten, was dann eventuell über SMS laufen wird. So dass wir einen Weg finden eben auch zu diesen häuslichen Pflegeeinrichtungen."

    Das Wetter. Der Tag bleibt erstmal überall sonnig. Dazu gibt’s heute Grilltemperaturen. Sonne bis 33 Grad, später Gewitter.

    "Wir haben hier eine historische Situation mit einer Warnsituation im Südosten Deutschlands. Da kann man sich jetzt in den Landkreis reinklicken. Wir machen das hier gerade mal. Und jetzt hier, in diesem Beispiel, muss mit einer extremen Wärmebelastung gerechnet werden bis 400 Meter, mit einer starken Wärmebelastung bis 800 Meter. Die gefühlten Temperaturen liegen über 39 Grad."

    Die gefühlte Temperatur. Das ist die Größe, mit der die Freiburger Experten arbeiten. Das Außenthermometer mag 33 Grad anzeigen. Doch an einem schwülheißen Tag fühlt es sich manchmal eher wie 40 Grad Celsius an. Noch einmal Chef-Biometeorologe Bucher:

    "Unser Modell ist ein Anschlussmodell an die numerische Wettervorhersage. Wir setzen also unser Wärmehaushaltsmodell des Menschen auf die allgemeine Wettervorhersage, holen uns die Werte, die eben dieses allgemeine Wetter-Vorhersagemodell ausspuckt, nämlich Temperatur, Feuchte, Wind, Strahlungsverhältnisse. Die benutzen wir für unser Modell."

    Alle diese genannten Größen beeinflussen das thermische Empfinden des Menschen. Ist es draußen sommerlich warm, die Luft feucht und es weht kein Wind, dann erreicht die gefühlte Temperatur viel höhere Werte als die real gemessene. Das wird im Wärmehaushaltsmodell berücksichtigt. 32 Grad Außentemperatur- das ist so in etwa der kritische Schwellenwert für eine Hitzewarnung. Er schwankt je nach Jahreszeit und Region. Zwei Tage lang muss es mindestens so heiß sein, dann geben die Experten des Wetterdienstes unter Umständen eine Warnung heraus. Was dann geschieht, ist Ländersache. Klaus Bucher verweist gerne auf Hessen. Dort kontrollierten die Behörden im Fall einer Hitzewarnung, ob Krankenhäuser und Altenpflegeheime die nötigen Vorkehrungen träfen - zum Beispiel ältere Patienten und Bewohner mit genügend Flüssigkeit zu versorgen.

    "Es wird also oft das Argument benutzt: dass es heiß ist, merken wir selbst, dazu brauchen wir keine Warnung! Aber es ist so, dass das wirklich ein Management-Instrument ist, ein Kontrollinstrument für Maßnahmen, die also bei Hitze durchgeführt werden müssen."

    Anders als 2003 und 2006 gab es übrigens in diesem Jahr bisher nur eine kurze Warnepisode Mitte Juli...

    "... und wir hoffen auf weitere warme, aber nicht heiße Tage."