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Warten auf den großen Knall

Geologie. - Seit dem großen Tsunami-Beben 2004 ist die Region Sumatras nicht mehr zur Ruhe gekommen, alle paar Monate bebt die Erde erneut. Neue Simulationen geben Anlass zu der Sorge, dass wieder ein starkes Erdbeben bevorstehen könnte.

Von Dagmar Röhrlich | 12.03.2007
    Die geologische Karte Indonesiens ähnelt einem Schnittmusterbogen: Die Erdkruste zerfällt dort in große und kleine Platten, die an komplizierten Störungssystemen miteinander kollidieren oder aneinander vorbeirutschen. Immense Kräfte wirken, bauen Spannungen auf, die sich immer wieder in verheerenden Beben wie dem Tsunami-Seebeben aus dem Jahr 2004 entladen.

    "Nach dem Tsunamibeben von 2004 haben wir einen Artikel veröffentlicht. Wir schrieben, dass dieses Beben die Spannungen im Untergrund verändert habe und es deshalb am Sundagraben vor der Küste Indonesiens ein Seebeben der Stärke 8,5 auslösen könnte. Elf Tage nach unserer Veröffentlichung ist das auch passiert. Im März 2005 bebte es an dieser Tiefseerinne mit der Stärke 8,7 auf der Richterskala."

    John McCloskey von der Universität Ulster in Londonderry. Die Forscher arbeiten mit einem neuen mathematischen Modell. Mit ihm wollen sie die Stellen im Untergrund aufspüren, an denen die Bebengefahr am höchsten ist:

    "Wir füttern das Modell mit den Daten früherer Erdbeben und berechnen dann, wie diese Beben die Spannungen im Untergrund verlagert haben. Große Erdbeben verformen die Erdkruste in ihrem Umfeld sehr stark und verändern so die Spannungen im Gestein. Damit steigt die Gefahr eines neuen Bebens. Herauskommt das neue Spannungsmuster in der Umgebung."

    Die Gruppe um McCloskey fütterte auch diese Daten dieses Märzbebens in ihr Modell ein – und berechneten, wie sich das Spannungsfeld verändert hat:

    "Heraus kam, dass eine Störung versagen könnte, die Sumatra der Länge nach durchzieht. Wir sahen ein ganz bestimmtes Stück dieser langen Störung, in der die Gefahr am größten zu sein schien. Und genau da hat dann am vergangenen Montag die Erde mit der Stärke 6,3 gebebt."

    Der zweite Erfolg in zwei Jahren. Aber auch dieses Beben hat die Verhältnisse in und um Sumatra verändert. Nach einer Woche sind die neuen Modellrechnungen fertig. Es sieht so aus, als braue sich an einem weiteren Teilstück der gerade gebrochenen Verwerfung ein neues Beben zusammen. Die wirkliche Gefahr aber droht aus dem Meer vor der Südwestküste Sumatras:

    "Wir haben beunruhigenderweise festgestellt, dass am Sunda-Graben, an dem im Meer vor Sumatra die indisch-australische Erdkrustenplatte ins Erdinnere abtaucht, die Spannungen sehr hoch sind – und zwar genau vor der Großstadt Padang. Seit 1797 hat es dort nicht mehr gebebt. Wir halten ein ganz großes Seebeben der Stärke acht oder neun für möglich."

    Also wieder ein Seebeben der stärksten Kategorie – und auch dieses Beben könnte einen Tsunami auslösen. Bis Padang braucht eine Flutwelle von dort aus aber nur 20 Minuten. Da bleibt kaum Zeit für die Warnung. Also haben die Geophysiker mehr 100 Simulationen berechnet, wie hoch die gefürchtete Welle werden könnte. Das Ergebnis: Das Maximum läge bei etwa 15 Metern, am wahrscheinlichsten wären fünf bis sieben Meter Höhe.

    "Ich möchte nicht melodramatisch sein, aber die wissenschaftlichen Daten zeigen ganz klar, dass es hier ein Erdbeben geben wird, die Frage ist nicht ob – sondern nur: wann."