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Warten auf Wendelstein

Geplant war der Startschuss eigentlich für 2010: Dann sollte im vorpommerschen Greifswald "Wendelstein 7-X" loslegen - ein Experimentalreaktor, der die Kernfusion voranbringen soll. Kernfusion heißt die kontrollierte Verschmelzung von Wasserstoff zu Helium. Manchen Experten gilt sie als viel versprechende Energiequelle der Zukunft. Doch beim Bau von Wendelstein gibt es massive Schwierigkeiten: Der Reaktor ist teurer und wird später in Betrieb gehen als geplant, wie Experten auf der SOFT 2008 - einer internationale Tagung für Fusionstechnologie diese Woche in Rostock - berichten.

Von Frank Grotelüschen | 17.09.2008
    "Es war ein Riesenaufwand, das Ding zu bauen."

    Schon heute weiß Thomas Klinger, was er einmal denken wird, wenn er im Jahre 2014 an den Bau von Wendelstein zurückblickt.

    "Es ist 50 Prozent teurer geworden. Es hat Jahre länger gedauert. Es war ein großes Theater, das auf die Beine zu stellen!"

    Thomas Klinger ist Direktor am Max-Planck-Institut für Plasmaphysik in Greifswald. Und Wendelstein 7-X heißt der Versuchsreaktor, den er und seine Leute derzeit aufbauen. Wendelstein soll dazu beitragen, eine alte Vision zu verwirklichen: die kontrollierte Verschmelzung von Wasserstoff zu Helium, um in Kraftwerken Strom zu erzeugen. Dazu müssen die Forscher Wasserstoffgas auf 100 Millionen Grad erhitzen und in einem Magnetkäfig eingesperrt halten - ein Magnetkäfig von der Form eines Ringes und der Größe eines Klassenzimmers.

    "Dieses ringförmige Magnetfeld ist in der Lage, ein heißes Gas von der Wand zu isolieren. Dieses Magnetfeld hat quasi die Funktion einer Isolation - wie die Styroporplatten beim Hausbau, mit denen man vermeidet, dass die Wärme aus dem Haus nach draußen dringt."

    Die Gestalt dieses Magnetkäfigs ist die Besonderheit von Wendelstein: Er ist eigentümlich gedreht und gewendelt - ganz anders als bei den meisten anderen Fusionsreaktoren, insbesondere dem geplanten Riesenexperiment ITER, das in Südfrankreich gebaut wird und der Kernfusion zum Durchbruch verhelfen soll. ITER ist ein sogenannter Tokamak, sein Magnetkäfig sieht vergleichsweise einfach aus. Wendelstein dagegen mit seinem kompliziert verdrillten Magnetfeld zählt zum Typ des Stellarators. Zwar ist die Tokamak-Entwicklung deutlich weiter fortgeschritten als die des Stellarators, sagt Klinger. Dennoch: Theoretisch habe der Stellarators klare Vorteile.

    "Tokamaks haben die Eigenschaft, dass sie schwer zu bändigen sind. Sie neigen dazu auszubüchsen, und man muss gegensteuern. Man hat also eine große Steueraufgabe. Unsere Anlage in Greifswald, der Wendelstein 7-X, ist im Vergleich dazu handzahm. Das heißt, man füllt das Plasma ein, und es bleibt einfach dort. Es macht also keine solchen Ausbruchsversuche, gegen die man sofort wieder ankämpfen muss."

    Aber: Wo Licht ist, ist auch Schatten.

    "Der Nachteil ist, dass man dieses Stellarator-Magnetfeld nur aufbauen kann, indem man ein komplizierter geformtes Magnetfeld erzeugt. Sprich: Die Magnete sehen kompliziert aus."

    Es sind supraleitende, also tiefgekühlte Magneten, und sie haben eine überaus seltsame Form: stark verdreht und in sich verdrillt. Ihre Herstellung war heikel - und deutlich schwieriger als geplant.

    "Es war für unsere industriellen Partner wirklich nicht leicht, diese Dinge herzustellen. Auch die Industrie baut so was das erste Mal. Das kennt man ja vom Kochen oder Backen: Beim ersten Mal geht's schief. Da haben wir uns mit allerlei Schwierigkeiten herumschlagen müssen."

    Die Folge: Eigentlich hätte Wendelstein in zwei Jahren loslegen sollen. Doch nun wird's deutlich später.

    "Wir haben jetzt einen Plan vorgelegt, der eine Fertigstellung bis Mitte 2014 sicherstellt. Wir haben darin auch ein paar Reserven für die noch verbleibenden Unsicherheiten vorgesehen, sodass wir dieses Datum wirklich einhalten."

    Und: Wendelstein wird deutlich teurer, 430 Millionen Euro statt 300 Millionen wie vorgesehen. Die Mehrkosten, sagt Klinger, werden durch das Institutsbudget gedeckt. Und wenn Wendelstein eines Tages so funktioniert wie geplant, könnte es durchaus sein, das in ein paar Jahrzehnten ein Fusionskraftwerk nach dem Stellarator-Prinzip gebaut wird.