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Was alles bei Bacardi geht

Familienname und Produkt sind Synonyme: Bacardi und Rum, ob weiß oder braun, sind seit über hundert Jahren zu einer Einheit verschmolzen. Vor den Bacardis galt Rum als billiger Matrosenfusel, als Bacardi-Rum fand er auch in höchsten Kreisen Anklang. Doch dem Namen der Hersteller haftet ein übler Beigeschmack an: Bestechung einflussreicher US-Politiker, Verbindung zur CIA und der Mafia wird dem Clan nachgesagt. Sogar in Mordanschläge auf Fidel Castro soll der Clan verwickelt gewesen sein.

Von Michael Schulte | 11.08.2005
    Familienname und Produkt sind Synonyme: Bacardi und Rum, ob weiß oder braun, sind seit über hundert Jahren zu einer Einheit verschmolzen. Bacardi-Rum ist der erfolgreichste der Welt und sicher einer der besten, wenn vielleicht auch nicht der beste. Immerhin, vor den Bacardis galt Rum als billiger Matrosenfusel. Die geniale Idee des Firmengründers war, das Zeug so schmackhaft zu gestalten, dass es auch in höchsten Kreisen Anklang fand. Und als man dann noch entdeckte, dass sich dieser Rum vorzüglich für Mixgetränke eignete, war die Erfolgsstory vorprogrammiert. Doch im Gegensatz zu dem feinen Branntwein haftet dem Namen der Hersteller ein übler Beigeschmack an - Bestechung einflussreicher US-Politiker, Verbindung zur CIA und der Mafia wird dem Clan nachgesagt, widerspruchslos übrigens. Immer wenn von amerikanischer Seite, legal oder illegal, das sozialistische Experiment auf Kuba torpediert wird, gewaltsam oder durch Sanktionen und allerlei Schikanen, taucht unweigerlich der Name Bacardi auf. Sogar in Mordanschläge auf Fidel Castro soll der Clan verwickelt gewesen sein. Die entsprechenden Dokumente in Washington seien Fälschungen, heißt es dazu. Na klar. Aber dass Firma und Familie jeden mit großherziger Finanzhilfe, sprich Schmiergeldern, versehen, der Castro und seiner Insel Schaden zuzufügen bereit ist, wird nicht geleugnet. Jeb Bush, Präsidentenbruder und Governor von Florida, steht ebenso auf der Spendenliste wie Senator Jesse Helms, Rassist und Rechtsaußen der Republikaner, ein Mann, gegen den George W. wie ein linksliberaler Intellektueller anmutet.

    Es ging nicht immer so schlimm zu in dieser Familie. Seit Facundo Bacardi, ein spanischer Einwanderer, in Santiago de Cuba mit einem gebraucht gekauften Brennkessel 1862 den Grundstein zu einem der weltweit größten Unternehmen der Spirituosenbranche legte, hatten die Bacardis sich auch stets politisch engagiert. Emilio, der älteste Sohn Facundos, kämpfte so vehement gegen die Kolonialmacht Spanien, dass er gleich zweimal in die Verbannung geschickt wurde. Nachdem die Spanier endlich vertrieben waren, geriet Kuba in amerikanische Abhängigkeit. Und wieder waren es Bacardis, die korrupte, von Washington eingesetzte Inseldiktatoren bekämpften, zuletzt den üblen Fulgencio Batista. Sie unterstützen sogar dessen ärgsten Rivalen - Fidel Castro. Der aber enteignete sie nach seinem Sieg, sperrte die Firmenkonten und schickte die Familie ins Exil. Hungern mussten die Bacardis gleichwohl nicht; längst hatten sie Zweigniederlassungen auf den Bahamas, in Puerto Rico, Mexiko und den USA gegründet. Es ging munter aufwärts, die Umsätze stiegen und steigen von Jahr zu Jahr.

    Ursula Voss, Redakteurin beim Norddeutschen Rundfunk, hat nun ein glänzend recherchiertes und spannend zu lesendes Buch über Bacardis vorgelegt, das weit mehr ist als die Biografie einer Familie und ihres Imperiums. Sie versteht es, ihre detailfreudige, aber nicht mit Details überladene Chronik in die Geschichte der Zuckerinsel einzubetten, beschreibt anschaulich den langen Weg in die Unabhängigkeit, die alten und stets neuen Versuche der USA, das Land zu unterjochen und wirtschaftlich auszubeuten, was lange Zeit gelang. Kopfschüttelnd liest man, wie sämtliche amerikanischen Präsidenten von Eisenhower bis Bush versuchten, Castro und sein Regime in die Knie zu zwingen oder zu beseitigen. Eine Außenpolitik, die kontinuierlich von Borniertheit und Dummheit diktiert war. Aber das sagt Ursula Voss nicht, sie überlässt Urteile und Rückschlüsse dem Leser, lässt sich nie zu Polemik verleiten.

    Zwei Kleinigkeiten seien bemängelt: Immer wieder beschreibt die Autorin Fotos, die sie zu Gesicht bekam, schildert wer wie aussieht, welchen Eindruck er oder sie macht. Einfacher wäre es gewesen, hätte der Verlag das Buch mit diesen und noch ein paar anderen Fotos geschmückt. Schwerer wiegt ein anderes Manko. Wann kapieren die Verlage endlich, dass es ich einfach nicht gehört, Biographien ohne Namensregister zu veröffentlichen!

    Sei's drum. Es macht Spaß, dieses Buch zu lesen, durch das wir unter anderem erfahren, wie man durch die Veredelung eines Produkts Millionen scheffeln kann. Die deutschen Leberwursthersteller sollten zugreifen.

    Ursula Voss: "Die Bacardis. Der Kuba-Clan zwischen Rum und Revolution". Campus 2005. 24,90 Euro