Donnerstag, 25. April 2024

Archiv


Was bringt das Jahr für die Globalisierungskritiker?

"attac" - unter diesem Label finden sich seit nunmehr über zehn Jahren Globalisierungskritiker aus aller Welt zusammen. Ursprünglich in Frankreich als "Vereinigung für eine Besteuerung von Finanztransaktionen zum Nutzen der Bürger" gegründet, beschäftigt sich "attac" heute mit allen Auswirkungen der Globalisierung - auch im Jahre 2010.

Von Philip Banse | 04.01.2010
    Bilanz und Ausblick der Globalisierungskritiker von "attac" fallen erwartungsgemäß düster aus. Die Wirtschaftskrise habe die Grenzen des kapitalistischen Systems aufgezeigt, die Reaktion der Politik darauf sei nicht angemessen, sagte Alexis Passadakis vom "attac"-Koordinierungskreis und sprach von einer Demokratiekrise:

    "Bei vielen Bürgern grassiert Angst, denn der Wahlkampf wurde simuliert und die Kernprobleme unserer Gesellschaft spielten da kaum eine Rolle. Viele Leute merken, dass was in den politischen Institutionen passiert, stimmt hinten und vorn nicht und das würde ich als Demokratiekrise bewerten, weil die Kernprobleme kaum Repräsentation finden im politischen Raum."

    Bankenrettung, grassierende Staatsverschuldung, Klimakrise - einzig positiv vermerkte "attac" im Jahr 2009, dass im Rahmen des G20-Treffens über eine Finanztransaktionssteuer debattiert wurde, also eine Steuer auf Finanztransaktionen wie Aktiengeschäfte, um etwa die Folgen der Finanzkrise zu bezahlen. Der damalige Finanzminister Peer Steinbrück und Angela Merkel waren für so eine Steuer eingetreten - allerdings zu zaghaft, kritisierte Jutta Sundermann, von "attac":

    "Die haben sie die Hintertür dazu gebaut und gesagt, dass es nur geht, wenn alle mitmachen. Wir haben schon vor Jahren nachgewiesen, dass es auch in Europa gehen würde und auch schon ein Fortschritt wäre, wenn man anfangen würde. Wir haben dann 50.000 Unterschriften gesammelt für eine Petition, das heißt, es wird im Bundestag noch mal eine Auseinandersetzung geben wird über diese Finanztransaktionssteuer."

    Im Dezember schließlich der Klimagipfel in Kopenhagen. Dort haben die großen Industrie- und Schwellenländer sich das Ziel gesetzt, die Erderwärmung auf zwei Grad zu begrenzen - allerdings nicht bindend und ohne die nötigen Maßnahmen, um dieses Ziel zu erreichen. Attac verbucht den Gipfel daher als gescheitert. Ursache sei eine nullpolare Weltordnung, so Alexis Passadakis von "attac", die Konkurrenz zwischen EU, den USA und aufstrebenden Schwellenländern wie China, Indien und Brasilien führe zum politischen Stillstand:

    "Es gibt keine Global Governance, die funktioniert und das hat sich dort gespiegelt. Das Scheitern kam nicht von ungefähr, sondern ist strukturell bedingt in dieser starken Konkurrenz, die es eben gibt und in der mangelnden Fähigkeit der bisherigen Institutionen, damit umzugehen, mit dieser Verschiebung vor allem vom Norden in Richtung der Schwellenländer."

    Doch auch mit einer Reform der UNO: Wenn die Nationalstaaten ihre Politik nicht änderten, sei eine gerechte Lastenverteilung zwischen Nord- und Süd nicht machbar. Dementsprechend düster fällt auch der Ausblick ins Jahr 2010 aus. Der sich andeutende Aufschwung sei auf Pump finanziert und nicht nachhaltig. Es werde weitere Konjunkturpakte geben, sagte Alexis Passadakis, da gehe er jede Wette ein. Die Folge seien höhere Steuern, mehr Arbeitslose und Sozialabbau. Als eine Bedingung für einen nachhaltigen Weg aus der Krise beschreibt Alexis Passadakis, dass Ersatz für die USA als Nachfragemotor der Weltwirtschaft gefunden wird:

    "Das ist der zentrale Knackpunkt. Solange der Nachfrager USA keinen Ersatz findet - denn das war der Wirtschaftsmotor der letzten Jahre - wird es keinen Wachstumspfad geben und damit kein stabiles Umfeld. Nur wenn hier etwas passiert, wird sich eine stabile Ökonomie ergeben und hier ist der zentrale Punkt wieder die Umverteilung. Denn Nachfrage erreicht man nur dadurch, dass Menschen Geld in der Tasche haben."

    Mehr Nachfrage, mehr Wachstum - das ist für eine wachstumskritische Organisation wie "attac" dann doch eine erstaunliche Forderung.