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Was die Haut über Alzheimer verrät

Medizin. - Mit dem Älterwerden verändern sich auch die Hormonkonzentrationen in der Haut. Offenbar liefert die Haut dabei nicht nur Informationen, wie es ihr selbst geht, haben Hautforscher in Berlin und Dessau herausgefunden. Auch über den Zustand anderer Organe kann sie etwas verraten.

Von Philipp Graf | 29.07.2009
    Faltiger, dünner und trockener: Mit den Jahren trägt gerade die Haut untrügliche Zeichen des Älterwerdens. Selbst wirksame Kosmetikprodukte können biologische Alterungsprozesse letztlich nicht aufhalten. Gut verstanden ist, wie äußere Faktoren, also etwa UV-Licht, dabei der Haut zusetzen. Die Dermatologin Eugenia Makrantonaki interessiert sich jedoch mehr dafür, wie der älter werdende Körper selbst die Alterung unserer äußeren Hülle beeinflusst. Um die inneren Mechanismen der Hautalterung zu verstehen, beschäftigt sich die gebürtige Griechin besonders mit Talgdrüsenzellen. Diese stellen unter anderem Lipide her, die die Haut gerade in jungen Jahren feucht und weich halten.

    "Die Talgdrüse spielt eine zentrale Rolle in der Haut, sie ist in der Lage sehr viele Hormone selbst zu produzieren, auch im Vergleich zu den anderen Hautzellen, und aus diesem Grund betrachten wir die Talgdrüsenzelle als das Hirn unserer Haut."

    Am Institut für Pharmakologie und Toxikologie der Berliner Charité will Eugenia Makrantonaki mithilfe dieser Zellen im Labor nachvollziehen, wie die Haut altert. Dabei untersucht die Medizinerin besonders die Rolle von Hormonen im natürlichen Alterungsprozess. Mit zunehmenden Jahrzehnten sinken im menschlichen Körper die Hormonspiegel von Östrogenen, Androgenen und Wachstumsfaktoren. Das wirkt sich stark auf das Innenleben der Hautzellen aus und hinterlässt Spuren in ihrem Erbgut. Doch diese Folgen sind bisher nur in Ansätzen verstanden. Die Forscherin hat deshalb die hormonelle Hautalterung in der Zellkulturschale nachgestellt. Dazu badete sie die Zellen in einem Mix aus wichtigen Hormonen, und zwar in Konzentrationen, wie sie natürlicherweise im Blut von 20- und 60-jährigen Frauen vorkommen:

    "Dann haben wir Talgdrüsenzellen verglichen, die die 20-jährige Hormonmischung bekamen mit Zellen, die die 60-jährige Hormonmischung bekamen. Und da haben wir gesehen, wie sich die biologische Aktivität geändert hat unter den 60-jährigen Bedingungen und auch wie die Expression der Gene sich geändert hat."

    Etwa sechs Prozent der untersuchten Erbgutabschnitte waren in den "älteren" Hautzellen anders aktiv als in den "jungen". Darunter etliche Gene, die Alterungsprozesse in der Zelle steuern. Doch bei ihrer Analyse stieß Eugenia Makrantonaki noch auf ein völlig unerwartetes Ergebnis:

    "Es gab darunter auch Gene, die normalerweise in Nervenzellen exprimiert sind und diese Gene zeigten sogar eine Hormonabhängigkeit. Und ein paar von diesen Genen sind auch mit neurodegenerativen Erkrankungen in Verbindung gebracht worden und das war das Interessanteste von allen, zu sehen, dass unsere Hautzellen Informationen über das Nervensystem geben können."

    Gene, die an der Entstehung von Parkinson und Alzheimer in Nervengewebe beteiligt sind, waren also plötzlich auch in Hautzellen aktiv. Ein erster, wenn auch indirekter Hinweis, dass diese Krankheiten im Alter durch sinkende Hormonkonzentrationen beeinflusst werden könnten. Noch mehr fasziniert die Forscher die Idee, dass womöglich einmal Hautzellen helfen können, Informationen über Alzheimer zu sammeln.

    "Jetzt im Rahmen eines neuen Projektes isolieren wir auch Hautzellen von Alzheimerpatienten, um zu sehen, ob es da eine Korrelation gibt, ob zum Beispiel die Alzheimerpatienten in ihrer Haut zusätzliche Gene exprimieren und ob man eventuell prophylaktisch sehen könnte, ob jemand eine Alzheimer-Erkrankung entwickeln wird, durch seine Hautzellen."

    Dass die Haut besondere Ähnlichkeiten mit dem Nervensystem aufweist, liegt wohl auch an der entwicklungsbiologisch gleichen Herkunft. Der medizinische Vorteil liegt aber auf der Hand: Hautproben sind sehr viel leichter zu gewinnen als Biopsien von Nervengewebe. Und an Hautzellen könnte man, so die Hoffnung, in Zellkulturen wesentlich bequemer testen, wie und ob neue Alzheimer- oder Parkinson-Medikamente bei Patienten wirken.