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Was Frauen wollen

Beim Girls' Day können Mädchen in technische Berufe hineinschnuppern. Dies soll helfen, Frauen für sogenannte Männerdomänen - wie Ingenieurberufe - zu gewinnen. Seit zehn Jahren gibt es den Girls' Day, doch die Zahl der Frauen in technischen Berufen hat sich nur wenig erhöht.

Von Thomas Reintjes | 22.04.2010
    Blickt man nur auf die Teilnehmerzahlen, ist der Girls' Day ein Erfolg. Beim ersten Girls' Day öffneten gerade einmal 39 technische Unternehmen ihre Türen für Mädchen. Heute sind es mehr als 9500 Veranstaltungen. Insgesamt haben an den bisherigen Girls' Days schätzungsweise mehr als eine Million Mädchen teilgenommen.

    Umfrageergebnissen zufolge zeigt sich bei den Teilnehmerinnen auch ein Effekt. Sie nehmen technisch-naturwissenschaftliche Berufe heute als abwechslungsreicher wahr, als noch vor fünf Jahren. Und sie entscheiden sich auch danach. Ingenieursstudiengänge werden immer öfter von Frauen belegt.

    Doch diese Erfolgsbilanz ist zwiespältig. Beispiel Metallberufe: Zwischen 2006 und 2008 ist der Anteil der weiblichen Auszubildenden nur um einen halben Prozentpunkt gestiegen. Immer noch sind nicht einmal drei von 100 Auszubildenden in der Metallbranche Frauen. Eine Ausnahme bildet der Kölner Autobauer Ford. Birigt Kendziora ist dort zuständig für das Projekt FIT, Frauen in technischen Berufen.

    "Wir haben unsere Zahlen tatsächlich steigern können. Wir haben früher auch so drei bis fünf Prozent Frauen in technischen Berufen bei uns gehabt und Mädchen in der technischen Berufsausbildung und sind jetzt bei 18 Prozent. Das ist überdurchschnittlich viel, weil sonst, bundesweit gesehen, es ungefähr fünf Prozent sind."

    Den Girls' Day bezeichnet Kendziora als guten Einstieg, aber den Erfolg haben bei Ford nur kontinuierliche Bemühungen gebracht. Das Engagement lohnt sich, denn Mädchen machen die besseren Schulabschlüsse, schränken sich aber bei der Berufswahl selbst stark ein.

    Mädchen, die eine Berufsausbildung beginnen, wählen in den meisten Fällen immer aus denselben zehn Berufen: Kauffrau, Verkäuferin, Friseurin stehen an der Spitze. Ein technischer Beruf findet sich nicht in den Top Ten.

    Angelika Puhlmann vom Bundesinstitut für Berufsbildung will das ändern. Sie sieht das Hauptproblem darin, dass Vorbilder fehlen. Junge Mädchen wollen keine Exotinnen sein, wenn sie sich für technische Berufe entscheiden, sagt sie.

    "Man möchte in diesem Alter nicht immer im Rampenlicht stehen, alleine. Man möchte mit seinen Freundinnen und Freunden das Terrain erobern, man möchte auch mit denen in eine Ausbildung gehen, auf dieselbe Berufsschule. Und insofern ist es auch mein Traum, dass man eine ganz große Gruppe von IT-Systemelektronikerinnen zum Beispiel mal ausbildet. Damit man an einer Ecke mal anfängt, damit man auch eben viele Vorbilder hat an der Ecke."

    Vorbilder schaffen, das ist auch das Rezept von Fraunhofer-Forscher Thomas Christaller. Der Informatiker versucht seit mehreren Jahren, Mädchen mit dem Roboterprojekt Roberta für Technik zu begeistern, als Institutsleiter lag ihm die Frauenförderung stets am Herzen. Sein Fazit:

    "Mühselig, absolut mühselig."

    Insbesondere, wenn es darum geht, Frauen für die sogenannten MINT-Fächer zu begeistern: Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik. Selbst wenn das gelänge, würden sich viele gut ausgebildete Frauen lieber um ihre Familie als um ihre Karriere kümmern. Thomas Christaller kennt aber noch einen anderen Grund, der Frauen vor MINT-Studiengängen zurückschrecken lässt. Sein Fachgebiet, die Informatik, beispielsweise sei in den vergangenen Jahren immer weiter formalisiert worden. Der fehlende Praxisbezug sorge für Frust bei den Studenten.

    "Offensichtlich liegt es Männern eher, durch diesen Frust durchzugehen. Und für Frauen wirkt es offensichtlich total abschreckend, dass man einfach viel zu lange braucht, um zu verstehen: Wofür brauche ich den Kram eigentlich?"

    Die Aussicht auf solchen Frust schreckt Elsa Steinfath nicht ab. Die Schülerin eines Mädchengymnasiums hat schon bei vier Girls' Days mitgemacht. Jetzt will sie in den neurotechnisch-medizinischen oder Ingenieursbereich gehen. Dass sie damit eine Ausnahme bildet, stört sie überhaupt nicht.

    "Man fühlt sich tatsächlich als Exot, aber ich frage mich, ob das nicht gerade die schöne Sache daran ist. Also ich mag das gerne, wenn ich als Mädchen unter vielen Männern bin und dann auch angeguckt werde: ""Oh, das ist eine Besondere, die macht mal was anderes.” Allerdings kenne ich das auch viel - ich gehe ja auf eine Mädchenschule, dass die Mädchen sehr in diesem Rollenbild immer noch festhängen und das auch von den Familien stark geprägt wird."

    Es ist ein Anliegen des Girls' Days auch an diesem Rollenbild etwas zu ändern. Nach zehn Jahren ist aber klar: Der sogenannte Mädchenzukunftstag kann nur Anstöße liefern. Ähnliche, kontinuierliche Aktivitäten sind genauso wichtig, um für mehr Ingenieurinnen zu sorgen.