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Was kommt nach Kyoto?

Klimaschützer blicken jetzt auf das Jahr 2012: Dann läuft das Kyoto-Protokoll aus und neue, ehrgeizigere Ziele müssen her. Denn die Welt muss den Ausstoß von Treibhausgasen nicht nur begrenzen, sondern drastisch senken, sonst entwickelt der Klimawandel nach Ansicht der meisten Fachleute eine Wucht, die nicht mehr in den Griff zu bekommen ist.

Von Dieter Nürnberger | 16.02.2005
    Für die meisten Umweltverbände ist das Inkrafttreten des Kyoto-Protokolls Anlass zum Feiern und Mahnung zugleich. Deshalb machen sie in diesen Tagen mit Aktionen auf das Erreichte und das noch Folgende aufmerksam. Die Umweltorganisation World Wide Fund für Nature, der WWF, ließ deshalb auf den Berliner Schlossplatz einen schwarzen Heißluftballon steigen. "Kyoto" wird hier als Rahmen auch für kommende Maßnahmen begriffen, denn Stehen zu bleiben wäre das falsche Signal, sagt Regine Günther, die Klimaschutzexpertin des WWF.

    Nach 2012 müssen wir uns auf einen Weg begeben, der Emissionsreduktionen von 50 Prozent bis 2050 vorsieht - gegenüber 1990. Das heißt, es muss einerseits die Industrie im Rahmen des Emissionshandels zur Kasse gebeten werden. Es müssen mehr marktwirtschaftliche Impulse gesetzt werden, dass man auf emissionsarme Technologien umschaltet. Wir müssen weg von der Kohle. Aber auch jeder einzelne von uns ist gefordert, nach 2012 in seinem jeweiligen Bereich jeweils energiesparend zu handeln.

    Im Kyoto-Protokoll haben sich die rund 140 Unterzeichnerstaaten auf eine Reduzierung um durchschnittlich fünf Prozent bis zum Jahr 2012 geeinigt. Deutschland begreift sich innerhalb dieses Prozesses als Vorreiter. 21 Prozent Emissionsreduktion gegenüber 1990 heißt das Ziel. Derzeit hat man bereits eine Quote von rund 19 Prozent erreicht. Doch auch die rot-grüne Bundesregierung tut sich schwer mit einmal formulierten Zielen. So wurde eine Vorgabe von 25 Prozent bis 2005 inzwischen relativ wortkarg zu den Akten gelegt - dieses nationale Klimaschutzziel - noch von der Regierung Kohl angedacht - wird verfehlt. Doch spricht Jürgen Trittin längst wieder von neuen Marken auf dem Weg zur Vermeidung der CO2-Emissionen. Die Zeit nach "Kyoto" hat somit längst begonnen.

    Wir haben vorgeschlagen, dass die Europäer da ein Angebot machen. Die EU sollte bis 2020 um 30 Prozent reduzieren - verglichen mit 1990. Wir sind dabei willens, für Deutschland eine Reduktionsleistung von 40 Prozent zu erbringen. Das sind rund 200 Millionen Tonnen CO2, die bis dahin in Deutschland einzusparen wären.

    Der Bundesumweltminister verweist dabei auf langsam greifende Instrumente von Rot-Grün - so habe die Ökosteuer inzwischen dazu geführt, dass die Emissionen des Verkehrs, die jahrelang steigend waren, nun wieder zurückgingen. Andere Instrumente würden ihre Wirkung erst noch entfalten - der Emissionshandel in der EU als Beispiel. Für die Zeit nach "Kyoto" seien auch schon weitere Schritte international angedacht. Trittin rechnet mit baldigen Maßnahmen zur Vermeidung von Emissionen bei der Schifffahrt und beim Flugverkehr. Doch im Mittelpunkt seiner Überlegungen stehen jene Staaten, die allein durch ihre Bevölkerungszahl künftig zu den Hauptverursachern weltweit zählen werden - Indien und China als Beispiel, sagt Trittin.

    Diese Länder dazu zu bringen, die Fehler, die wir gemacht haben zu vermeiden. Sich nicht zunächst ineffizient zu entwickeln, und erst später dies dann zu korrigieren - durch den Einsatz von Effizienzsteigerungen als Beispiel. Lieber eine Strategie des Vermeidens, durch die Nutzung moderner Techniken einen Entwicklungspfad zu beschreiten, der Wirtschaftswachstum und einen bestimmten Auswuchs an Emissionen entsprechend abkoppelt.

    Und er hofft auf einen steigenden politischen Druck auf jene Länder, die sich dem Kyoto-Protokoll bislang verweigern. In den USA liegt der Pro-Kopf-Ausstoß an CO2 zweieinhalb Mal höher als etwa in der EU. Doch bislang haben die USA kein Einlenken signalisiert. Die Industriestaaten müssten ihre Emissionen bis 2050 sogar um 80 Prozent senken, fordert beispielsweise der Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland, die Instrumente dafür bräuchten nicht unbedingt neu entwickelt werden, sagt Angelika Zahrnt, die Vorsitzende des BUND.

    Wir brauchen ein Mehr an Gebäudesanierung. Wir müssen ein Markteinführungsprogramm für energieeffiziente Produkte und Techniken vorantreiben. Wir brauchen generell eine Energie-Effizienz-Strategie - nicht nur durch erneuerbare Energien, auch die Kraft-Wärme-Kopplung muss nachgelegt werden. Die ökologische Steuerreform muss fortentwickelt werden. Da ist also eine ganze Menge zu tun.

    Doch ob dies ausreicht, um diese ehrgeizigen Ziele zu erreichen? Nicht zuletzt hoffen Umweltschützer auch auf den technischen Fortschritt. Beispielsweise abgasfreie Kohlekraftwerke. Das ist Zukunftsmusik, doch bis zum Langfristziel 2050 sollte noch Einiges möglich sein, was heute noch nicht sichtbar ist - für die Zeit nach "Kyoto" gilt somit auch das Prinzip Hoffnung.