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Was macht eigentlich der EU-Kommissar für Bildung?

Jan Fígel ist kein Mann der lauten Worte. Er redet - übrigens egal ob in seiner Muttersprache Slowakisch oder in Englisch - ruhig, bedacht und ohne Eile. Nur sehr selten werde der EU-Kommissar für Bildung, Kultur, Jugend und Sport laut, sagen seine Mitarbeiter - vorsorglich nur vor abgeschaltetem Mikrofon. Und dabei hätte Fígel manchmal allen Grund dazu - bei den vollgepackten Tagen.

Von Ruth Reichstein | 26.02.2007
    " Ich sage immer: Kommissare haben lange Tage und kurze Nächte. Normalerweise fange ich gegen acht Uhr an. Dann überfliege ich zu aller erst meine Emails und die Nachrichten. Und dann fangen auch schon die Termine an - mit meinen Beamten, mit Lobbyisten. "

    12-Stunden-Tage sind normal für den Kommissar und bis zu zehn Termine an einem Tag auch. Trotzdem behält er die Ruhe, die er auch körperlich ausstrahlt: Fast zwei Meter groß, schlank, schwarze Scheitelfrisur, warme Augen.

    Die erste Sitzung an diesem Tag beginnt um kurz nach neun. Experten aus allen EU-Mitgliedsstaaten sind gekommen, um mit Fígel über die Rolle der Sprachkenntnisse in der europäischen Wirtschaft zu sprechen. Sitzungen wie diese sind Vorbereitungen für mögliche, spätere Gesetzesvorschläge der Kommission.

    " Wir können die europäischen Universitäten fördern und gegen die Abwanderung von Wissenschaftlern aus Deutschland, Frankreich und anderen Mitgliedsstaaten kämpfen. Studenten sollten froh sein, dass es immer mehr europäische Kooperationen gibt. Erasmus ist das größte EU-Programm und es ist viel beliebter als die Landwirtschaftssubventionen. "

    Tatsächlich ist es beeindruckend, was EU-Programme wie Erasmus in den vergangenen Jahren bewirkt haben. 1,5 Millionen junge Menschen haben zeitweise in einem anderen EU-Land studiert, dort Kultur und Sprache kennen gelernt. Daraus hervor gegangen sind nicht nur unzählige Freundschaften, sondern auch Ehen und Erasmus-Kinder.

    Für Fígel sind genau das die kleinen Erfolge seiner täglichen Arbeit. Er will die Teilnehmerzahl am Erasmus-Programm bis 2010 verdoppeln. Eigentlich ist Bildungspolitik nach wie vor Aufgabe der Mitgliedsstaaten, aber als Kommissar kann Fígel Anregungen, Impulse geben.

    Zum Beispiel hat die Kommission - gemeinsam mit Mitgliedsstaaten und EU-Parlament - dafür gesorgt, dass Bildungsabschlüsse nicht nur im Ursprungsland, sondern auch in anderen Mitgliedsstaaten anerkannt werden. Das macht für viele das Arbeiten im Ausland einfacher. Auch die europäischen Systeme Bachelor und Master sind dem EU-Kommissar und seinen Vorgängern zu verdanken.

    And diesem Nachmittag ist Jan Fígel Ehrengast bei der Unesco. In einem Brüsseler Museum feiern Politiker aus ganz Europa die Unterzeichnung der Charta für kulturelle Vielfalt. Die eigentliche Arbeit beginnt für den Kommissar aber erst nach dem Ende der offiziellen Veranstaltung. Dann schüttelt er unzählige Hände, redet mit den Gästen und den Politikern aus den Mitgliedsstaaten.

    " Am Anfang ist das gar nicht so einfach, alle Personen und ihre Meinungen zu kennen. Es gibt ja nicht einfach nur 25 Minister, mit denen ich sprechen muss - vor allem dann, wenn sich mehrere Bereiche vermischen: Bildung, Kultur, Jugend, Sport. Da habe ich viele Ansprechpartner in Deutschland, die Ministerpräsidenten der Länder zum Beispiel. Und das muss man erst einmal herausfinden. Dazu kommen dann noch Lobbyisten und Vereine."

    Einer der Gesprächspartner von Jan Fígel ist der deutsche Kulturstaatsminister Bernd Neumann. Auch er ist zu den Unesco-Feierlichkeiten nach Brüssel gekommen. Der Posten des EU-Kommissars sei alles andere als überflüssig, meint er:

    " Das, was Europa ausmacht, was die Identität Europas ausmacht, basiert auf der Kultur. Und deshalb ist es schon ganz wichtig, dass dieser Bereich überhaupt auf der politischen Ebene der EU stattfindet und es ist deshalb noch wichtiger, dass sie von einem extra dafür zuständigen Kommissar verantwortet wird. "
    Und noch dazu von einem, der überzeugt ist von seinem Job. Fígel hat nicht nur lange Arbeitstage. Er muss auch ständig versuchen, Arbeit und Familie unter einen Hut zu bekommen. Immerhin hat er zwei seiner vier Kinder, die in Brüssel studieren. Aber bereut hat er seine Entscheidung, in Brüssel für Bildung und Kultur zu kämpfen, trotzdem nicht:

    " Ich habe mir das ausgesucht aus ein paar Vorschlägen, die Kommissionspräsident Barroso, mir gemacht hat. Und heute kann ich sagen, dass es eine gute Entscheidung war. Ich sollte eigentlich Kultusminister in meinem Heimatland werden. Aber ich habe abgelehnt. Jetzt kann ich mich um echt wichtige Themen für Europa kümmern."