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"Wasser als Gestaltungselement der Stadt"

Sturzregen, Überschwemmungen und dann wieder lange Trockenheit - der Klimawandel wird Wasserversorgung und Hochwasserschutz vor ganz neue Probleme stellen. Wie sie nachhaltig gelöst werden können, darüber haben in Hamburg Experten diskutiert - anhand eines Modellprojektes.

Von Verena Herb | 09.11.2009
    Die Winter werden nasser, die Sommer trockener - diese Resultate des Klimawandels sind durchweg bekannt. Weniger bekannt allerdings ist, dass sich auch das Regenverhalten ändern wird: Im Winter wird es mehr Regen geben - und darauf müssen sich, gerade die großen Städte einrichten, sagt Uli Hellweg. Der Geschäftsführer der Internationalen Bauausstellung Hamburg:

    "Unsere gesamte Städtische Infrastruktur ist eigentlich eher auf einen gleichmäßigen Regenfluss, wie es früher üblich war, ausgelegt. Das wird aber nicht so sein. Sondern wir müssen und jetzt überlegen, wie wir mit diesen Folgen des Klimawandels umgehen. Und es kann nicht sein, dass wir immer größere Kanalisationen bauen, immer größere Abwasserkanäle bauen. Sondern wir brauchen intelligente Strategien im Umgang mit dem Regenwasser."
    Einige Strategien wurden beim sogenannten IBA-Labor zur "Ressource Wasser" besprochen. Experten aus der Wasserwirtschaft, Städteplaner und Architekten diskutierten, wie eine nachhaltige Wasserver- und Abwasserentsorgung funktionieren kann. Die konventionellen Systeme funktionieren bislang so: Das Wasser verschwindet in großen Kanälen, landet innerhalb einer Stunde in Flüssen. Und auch das Regenwasser wird auf diese Weise schnell aus den Städten heraus geleitet. Frischwasser indes wird aus weiten Entfernungen in die Städte zurückgeschafft. Forscher sind nun dabei, neue Systeme zu entwickeln, erläutert Thomas Kluge vom Institut für sozial-ökologische Forschung in Frankfurt. Wie kann das Wasser besser genutzt werden?
    "Indem wir einen Grauwasserkreislauf - das heißt das Wasser das ich beim Duschen, in der Küche benutze - dieses wird mit sehr einfachen Techniken aufgereinigt, und wieder dem Haushalt für Wäschewaschen, auch für das Duschen wieder zugeführt. Das heißt diese Kreislaufführung minimiert das Wasser, gleichzeitig nehme ich die Energie raus aus diesem Wasser und kann damit zum Beispiel mein Passiv-Haus absolut gut heizen."
    So könnte es funktionieren: Kosten würden gespart werden, und…

    "… das heißt, wir brauchen sehr viel weniger Frischwasser in der Zuleitung. Dadurch werden Landschaften, Flüsse, Bäche, Quellen geschont und können Trockenzeiten viel besser überleben und das Leben, das daran hängt. Und auf der Abwasserseite wird das Abwasser drastisch reduziert, weil ja viel weniger Frischwasser auch gebraucht wird."
    Dieser Kreislauf leuchtet ein: Wenn auch die weitere Nutzung von Regenwasser für viele nichts neues ist - so manches Blumenbeet wird heute mit Regenwasser aus der Tonne bewässert - geht es nun darum, Systeme zu entwickeln, die nicht nur Regen- sondern auch unser Abwasser wieder nutzbar machen. Im Rahmen der internationalen Bauausstellung IBA, die 2013 in Hamburg stattfinden wird, arbeitet man schon jetzt modellhaft an einem solchen System: In einem Pilotquartier am Haulander Weg in Wilhelmsburg sollen Klimahäuser gebaut werden, in denen neben einer klugen Energieversorgung auch wasserarme Schmutzwasserentsorgung und ein intelligentes Regenmanagement Raum finden. Ein Beispiel wäre, die…

    "… Dächer flächendeckend begrünen. Das ist heute eigentlich auch nichts besonderes. Das macht aber einen besonderen Sinn, wenn man die Kanalisation entlasten will. Weil dann das Wasser sich erst einmal in diesen Gründächern aufhält, stürzt nicht gleich in die Regenrohre und die Kanalisation. Sondern der Abfluss wird gedämpft. Und so gibt es ein ganzes Potpourri von Maßnahmen, wo wir das Wasser als Gestaltungselement der Stadt nutzen."
    Das sind bislang Ideen, entwickelt von Wissenschaftlern wie Architekten und Städteplanern. Das schwierige sei nun, da sind sich die Experten einig, diese Ideen auch flächendeckend in die Praxis umzusetzen, damit ein entsprechender Effekt erreicht wird. Jens Libbe vom deutschen Institut für Urbanistik:

    "Hier braucht's Pioniere. Hier ist die Situation durchaus vergleichbar wie im Bereich der Energiewirtschaft. Wo es ja auch in den letzten 10, 20, 30 Jahren Pioniere gegeben hat, die die entsprechenden Siedlungen angegangen sind, oder die ihre Solardächer betrieben haben. Auch da gab´s Pioniere. Und in einer ähnlichen Situation befinden wir uns heute bei der Siedlungswasserwirtschaft."
    Die Organisatoren der IBA hoffen nun, mit ihren Modellprojekten, wie beispielsweise den Klimahäusern am Haulander Weg, genügend Menschen für die neuen Ideen des 21. Jahrhunderts zu begeistern.