Donnerstag, 25. April 2024

Archiv


Wasserfall im Labor

Kann man mit Pflanzen nicht nur in Kläranlagen, sondern auch an den Ufern der Bäche und Flüsse Chemikalien oder Metall-Nanopartikel aus dem Wasser filtern? Das testen Wissenschaftler der Uni Koblenz-Landau nun in einem international einmaliges System aus künstlichen Wasserläufen.

Von Ludger Fittkau | 25.05.2010
    Etwa 30 Wasserräder drehen sich nebeneinander im Keller des Instituts für Umweltwissenschaften in Landau. Jedes Wasserrad ist kaum größer als eine senkrecht gestellte Bratpfanne und etwa 20 Zentimeter breit. Über die Schaufeln läuft klares Wasser in kleine Fließrinnen, die den Kellerraum fast ganz füllen. Der Biologe Ralf Schulz ist als Chef des umweltwissenschaftlichen Institut in Landau auch der Herr über dieses nagelneue Gewässersystem:

    "Ja, wir stellen hier künstliche, kleine Fließgewässer nach. Wir haben hier kleine Edelstahlgerinne, wo Schaufelräder die Strömung erzeugen und wir somit ein Fließgewässer nachstellen können und in diese Systeme Pflanzen oder Tiere einbringen. "

    Die Wasserrinnen im Kellerlabor sind allerdings nur die erste Stufe eine Versuchsanlage, die sich auf dem Campus Landau auch unter freiem Himmel noch weitläufig erstreckt. Die Ökotoxikologie, also die Wissenschaft, die sich mit den Schadstoffen und deren Effekten befasst, braucht auch die Freiland- Forschung. Professor Ralf Schulz:

    "Was wir versuchen hier am Standort in Landau, ist diese Ökotoxikologie in einer Weise anzugehen, dass wir vom Labor, also vom einfachen Becherglassystem über verschiedene komplexere Stufen dann in die nächste Stufe gehen, dass sind größere Fließrinnen, die wir hier am Campus Landau auch haben, die etwa 50 Meter lang sind, bis zum wirklichen Freiland, wo in der Agrarlandschaft oder in der Industrielandschaft Chemikalien angewendet werden, schauen, welche Effekte die haben. Und das ist was ganz Besonderes, das wir all diese Stufen betrachten."

    Mit dem bloßen Auge sieht man die angeblich vorhandenen kleinen Flusskrebse nicht, wenn man in das klare, fließende Wasser in den Metallrinnen des Kellerlabors schaut. Auf dem Grund einiger Rinnen sind jedoch kleine Pflanzenstücke zu erkennen. Blätter von Bäumen, die sich im Wasser langsam zersetzen, werden von bläulichen Lampen beleuchtet, die knapp über den Rinnen befestigt sind:

    "Und dieser Zersetzungsprozess, der wird durch Chemikalien beeinflusst unter Umständen und den untersuchen wir hier."

    Dabei geht es nicht nur um umweltwissenschaftliche Grundlagenforschung. Ziel ist es unter anderem, herauszufinden, wie man Bäche und Flüsse selbst künftig wieder mehr zu natürlichen Kläranlagen machen könnte.

    "So schauen wir zum Beispiel in dem Gerinnesystem, ob Pflanzen, die in den Rinnen vorhanden sind, in der Lage sind, die Schadstoffe anhaften zu lassen und damit zu helfen, diese Schadstoffe abzubauen."

    Denn trotz Kläranlagen und anderer Wasserschutzmaßnahmen dringen immer noch viele Chemikalien aus Produktion und Haushalten in die Gewässer. Auch neuartige Nanopartikel aus Wandfarben finden sich inzwischen in den Gewässern wieder, stellt der Landauer Professor Ralf Schulz fest:

    "Es gibt durchaus erste Studien aus der Schweiz, die vor kurzem publiziert wurden, wo Nano-Materialien aus Wandanstrichen in Gewässern dann gefunden wurden und Berechnungen angestellt wurden, dass die Konzentrationen dieser Nanomaterialien so hoch sind, dass wenn man eine Risikobewertung, wie sie in der EU üblich ist, anwenden würde, durchaus dort mit einem nicht-vertretbaren Risiko zu rechnen ist."

    Noch weiß die Wissenschaft wenig über die möglichen Auswirkungen von Nano-Partikeln in der Umwelt. Solange das so ist, rät das Umweltbundesamt zu einem vorsichtigen Umgang mit Produkten, in denen die Nano-Teilchen zu finden sind. Wenn sie dennoch in das Wasser gelangen sollten, können Filterpflanzen in Bächen und Flüssen möglicherweise helfen, glaubt der Landauer Biologe Ralf Schulz. Pflanzen nämlich, die auch den Kleinstpartikeln durch eine breite Oberfläche die Chance bieten, sich bei ihnen anzuheften:

    "Es ist zum Beispiel bei Nanomaterialen so, dass im Gegensatz zu anderen Materialien nicht unbedingt die Konzentration entscheidend ist sondern wie viel Oberfläche dort vorhanden ist. Je kleiner die Materialien sind, steigt die Oberfläche enorm an und damit wird viel aktive Oberfläche geschaffen die reagieren kann, mit auch Oberfläche von Organismen."

    Mit ihrem künstlichen, heizbaren Wassersystem wollen die Landauer Umweltwissenschaftler schließlich auch die Auswirkungen des Klimawandels auf die Gewässer untersuchen. Dazu braucht die Fließanlage im Kellerlabor allerdings erst einmal selbst viel Energie. Schließlich müssen die Wasserräder einige Monate lang 24 Stunden lang laufen, damit sie wissenschaftlich verwertbare Ergebnisse bringen.