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Wassernotstand in Südengland

In Südengland herrscht Wassernotstand. 17 Grafschaften in den Midlands und im Südwesten wurden zu Dürrezonen erklärt. Zuvor hatten sieben Wasserversorger ihre Kunden zum Wassersparen aufgerufen. Der Mangel liegt jedoch nicht allein an zu geringem Niederschlag oder hohem Verbrauch.

Von Ruth Rach | 18.04.2012
    Bloβ nicht jeden Tag duschen. Möglichst selten die Klospülung betätigen. Und Vollbäder vermeiden. Es sei denn, man steigt mit einem Partner in die Wanne: Wassernotstand in Südengland. Die Brunnen auf dem Trafalgar Square in London sind versiegt. In den Grafschaften Sussex, Surrey, Kent und East Anglia ist schon seit Ostern ein Gartenschlauchverbot in Kraft. Auch Sprinkleranlagen dürfen nicht benutzt werden. Die Einschränkungen gelten nur für Privatpersonen. Heather Nicholas, Mitte 60, findet das nicht richtig.

    Wenn die Rentnerin ihre Gemüsebeete per Schlauch bewässert, muss sie ein Bußgeld von umgerechnet 1200 Euro befürchten. Industrielle Nutzer hingegen bräuchten – so schimpft Heather Nicholas - nicht zu sparen. Die Autowaschanlage um die Ecke, der Golfplatz am Stadtrand, sie vergeudeten weiterhin das kostbare Nass.

    Inzwischen hat sich die Wasserknappheit ausgeweitet. 35 Millionen Briten sind betroffen, das entspricht der Hälfte der Bevölkerung. Nach zwei trockenen Wintern ist der Pegelstand in Flüssen, Seen und Speicherbecken bedenklich gesunken. Lediglich in Wales und im Nordwesten der Insel flieβt noch genug Wasser. Die Situation sei noch schlimmer als die Trockenperiode von 1976, sagt die Umweltbehörde. Damals standen die Leute mit Wassereimern an Standleitungen an. Heute überlegt man sich, den kostbaren Grundstoff von Anbietern im Nordwesten Englands zu kaufen.

    Das wäre sehr teuer, sagen Kritiker. Doch nicht allein das Wetter ist schuld. Vor gut 20 Jahren hatte die konservative Premierministerin Margaret Thatcher die britische Wasserversorgung privatisiert. Ein Riesenfehler, meint Bill Randall in Brighton. Er ist der erste grüne Stadtratsvorsitzende in Groβbritannien.

    Bill Randall wäre es am liebsten, wenn die Wasserwirtschaft wieder verstaatlicht würde, oder zumindest einer zentralen Kontrolle unterstellt würde. Aber angesichts der prekären Finanzlage bestehe kein Appetit auf eine Renationalisierung.

    Bill Randall bezeichnet die Wasseranbieter in Groβbritannien als private Monopole, zum groβen Teil in ausländischer Hand. Sie haben in erster Linie die Interessen ihrer Aktionären und Manager vor Augen, so Randall, und nicht die Grundversorgung der Bevölkerung.

    Tatsächlich haben die Wasser-Gesellschaften bemerkenswert hohe Profite erwirtschaftet, und selbst nach Beginn der derzeitigen Dürreperiode Prämien in Millionenhöhe ausbezahlt. Gleichzeitig sind die Tarife innerhalb eines Jahres um bis zu acht Prozent gestiegen. Bill Randall zufolge müsste viel mehr Geld in die Erneuerung maroder Wasserleitungen gesteckt werden.

    "Durch Lecks verlieren wir weiterhin enorme Mengen an Wasser, allein in London zum Beispiel rund 26 Prozent. Unsere Infrastrukturen gehen zum Teil noch auf viktorianische Zeiten zurück. Wir Briten bezahlen quasi den Preis dafür, dass wir der industriellen Revolution weit voraus waren."

    Die Wassernot hat wieder einmal die Frage aufgeworfen, wie der Südosten der Insel, das am dichtesten besiedelte Gebiet in Groβbritannien, den wachsenden Druck auf seine Ressourcen bewältigen kann. Bis zum Jahr 2035 rechnet man dort mit einem Bevölkerungszuwachs von zehn Millionen Menschen. Wasserexperten wie Michael Norton erwarten, dass sich Städteplaner künftig sehr viel stärker an den verfügbaren Wasserressourcen orientieren müssten.

    "Durchaus vorstellbar, dass wasserreiche Regionen in Wales, im Norden Englands und in Schottland als die attraktiveren Entwicklungsstandorte der Zukunft betrachtet werden. Damit würden jahrzehntelang vernachlässigte Gegenden endlich zu Ehren kommen."

    Nach Einschätzung der britischen Umweltbehörde könnte die Dürre bis in den kommenden Winter andauern. Selbst bei anhaltenden Regenfällen würde sich der extrem niedrige Grundwasserpegel nur langsam erholen. Aber: Selbst wenn in diesem Jahr die englischen Privatrasen verdorren, die Olympischen Sommerspiele sind nicht gefährdet. Sportanlagen brauchen nicht zu sparen. Und selbst die Brunnen am Trafalgar Square werden zumindest vorübergehend sprudeln. Nicht nur, um die olympischen Touristen zu erfreuen, sondern auch Königin Elisabeth. Sie feiert im Juni ihr diamantenes Thronjubiläum.