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Wasserverschwendung im wasserarmen Nahen Osten

Der Wassermangel im Nahen Osten ist schon heute in vielen Ländern Grund zur Sorge. Der Klimawandel könnte die Situation noch dramatisch verschärfen. Aber die in der Bevölkerung weitverbreitete Wasserverschwendung geht weiter.

Von Birgit Kaspar | 08.12.2010
    Eine typische Szene: Ein Hausmeister schwingt gemächlich einen Gummischlauch und bewässert den gepflasterten Hauseingang. Oder den Bürgersteig. Oder gar die Straße. Täglich. Um Staub zu entfernen. In einer Region, in der das Trinkwasser jetzt schon knapp ist wie in keiner anderen. Ein Verbrechen, meint der Umweltexperte der American University in Beirut, Karim Makdissi:

    "Und niemand kommt und sagt, das ist verboten. Es sollte illegal sein. Die Politiker wollen über große Wasserstrategien sprechen, aber sie kriegen es noch nicht mal hin, die Wasserverschwendung unter Strafe zu stellen. Da sollten sofort 200 Dollar fällig sein."

    Schon heute gehören rund ein Dutzend arabischer Staaten zu den wasserärmsten der Welt. Im Jahr 2015 droht den meisten akute Wasserknappheit. Eine kürzlich veröffentlichte Studie des Arabischen Forums für Umwelt und Entwicklung – kurz AFED - warnt, dass dann pro Jahr und Kopf nur noch im Schnitt 500 Kubikmeter Wasser zur Verfügung stehen werden. Der weltweite Durchschnitt liegt hingegen bei 6000 Kubikmetern. Der prognostizierte Klimawandel mit einem Temperaturanstieg im Nahen Osten um rund zwei Grad Celsius bis 2040 und gleichzeitig sinkenden Niederschlägen wird zwar nach Ansicht von Wissenschaftlern kaum neue Probleme schaffen. Aber schon Bestehende werden sich deutlich verschärfen. Die Region sei sehr anfällig, weil sie ohnehin schon so trocken sei, meint Mohamed el-Ashry, Klimaexperte und ehemaliger Direktor des Global Environment Facility Fonds. Die Situation sei kritisch wegen der untätigen Regime, die in erster Linie mit ihrem eigenen Überleben beschäftigt seien:

    "Institutionen, die nicht nur die Lage verwalten, sondern einen Langzeitplan erarbeiten, wären der Schlüssel. Hier existieren sie praktisch nicht. Oder sie funktionieren nicht. Deshalb gibt es keine Zukunftsvision, bevor die Krise akut wird."

    85 Prozent der beschränken Wasserressourcen werden in der Landwirtschaft verbraucht, auf äußerst ineffektive Weise. Rund die Hälfte des Trinkwassers geht in maroden Leitungssystemen verloren. Nicht mal ein Viertel des verbrauchten Wassers wird recycelt. Die Folgen des Klimawandels kommen noch dazu, warnt AFED-Generalsekretär Najib Saab. Die AFED-Studie zeige, dass der sogenannte "Fruchtbare Halbmond" - also Syrien, Libanon, Israel/Palästina, Ägypten sowie Teile des Iraks - noch vor Ende dieses Jahrhunderts alle Anzeichen von Fruchtbarkeit verlieren wird. In Syrien habe bereits eine dreijährige Trockenheit rund 350.000 Menschen vom Land in die Städte getrieben. Doch die Regierungen reagieren nicht.

    "Bei der Erstellung unseres Berichtes erkannten wir, dass es für wichtige Aspekte keinerlei lokale Untersuchungen oder Daten gab."

    Die Wasserverschwendung geht derweil munter weiter. Viele Golfstaaten begrünen mit ihrem kostbaren Grundwasser die Wüste. In Saudi-Arabien werden damit Golfplätze bewässert. Der Wüstenstaat Kuwait gehört zu den Ländern mit dem höchsten Pro-Kopf-Wasserverbrauch weltweit. Denn für viel Geld entsalztes Wasser wird kostenlos abgegeben. Gleichzeitig wird recyceltes Brauchwasser ins Meer gepumpt, weil die Kuwaiter seine Wiederverwendung eklig finden. Die Reihe der Absurditäten ist endlos. Dabei müssten die Regierung jetzt handeln, betont Najib Saab:

    "Wenn man hier über Klimawandel redet, meinen die Leute, die Folgen wären nur in anderen Ländern oder auf dem Mond zu spüren. Sie sehen nicht, dass sie selbst unmittelbar betroffen sein werden."