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WDR
Ein Streik mit hörbaren Auswirkungen

Plötzlich abbrechende Nachrichten, Moderatoren im dunklen Studio - im Radio- und Fernsehprogramm des WDR war diese Woche kaum zu überhören und zu übersehen, dass die Redakteurinnen und Redakteure streiken. Seit Mai läuft dort eine neue Tarifrunde - und noch liegen beide Seiten weit auseinander.

Von Annika Schneider | 21.08.2019
Ein Mikrofon an einer WDR-Kamera am 11.11.2018 in Köln bei der Eröffnung der Karneval Session 20182019 des Kölner Karnevals auf dem Heumarkt.
Die eine oder andere WDR-Kamera steht gerade ohne Kamerafrau oder -mann da (dpa / picture alliance / Horst Galuschka)
Jingle: "WDR aktuell – aus der Region."
(Blätterrascheln)
Sprecher: "Jetzt bin ich leider in meinen Unterlagen etwas..."
Moderator: "...verrutscht! Ja, dann erlösen wir doch den Kollegen an der Stelle."
So klangen gestern die 15-Uhr-Nachrichten bei WDR 2. Kaum zu überhören, dass die Redakteurinnen und Redakteure in der Nachrichtenredaktion streiken. Festangestellte kamen nicht zur Arbeit, freie Mitarbeiter hatten ihre Dienste kurzfristig abgesagt. Unter ihnen Kameraleute, Cutterinnen und Cutter, aber auch viele Journalistinnen und Journalisten.
Die WDR-Gruppe der Gewerkschaft Verdi twitterte gestern Abend: "Stefan Brandenburg, Leiter des WDR-Newsrooms, muss seit 19:00 Uhr die Radio-Nachrichten machen und selbst sprechen, weil kein Hörfunkredakteur zur Hand ist."
Im Fernsehprogramm war der Streik ebenfalls zu sehen. Der WDR produzierte diese Woche nämlich das gemeinsame Morgenmagazin von ARD und ZDF. Dessen Moderatoren saßen morgens um halb neun im Dunkeln, weil die Technik ihnen das Licht abgedreht hatte.
Gewerkschaften fordern sechs Prozent Gehaltserhöhung
Statt Beiträge zu produzieren und Sendungen zu planen hatten sich Festangestellte und Freie vorm WDR zum Streikfrühstück versammelt. Aufgerufen hatten dazu der Deutsche Journalistenverband DJV und Verdi. Die Gewerkschaften fordern eine Erhöhung der Gehälter und Honorare um sechs Prozent, mindestens aber 150 Euro. Sie orientieren sich dabei an den jüngsten Abschlüssen im Öffentlichen Dienst.
Das WDR-Angebot liegt weit darunter: 3,6 Prozent in zwei Runden bietet der Sender dem DJV zufolge. Man äußere sich nicht zu laufenden Verhandlungen, hieß es beim WDR auf Anfrage des Deutschlandfunks. Verwaltungsdirektorin Katrin Vernau teilte aber schriftlich mit, man sehe der nächsten Verhandlungsrunde aufgeschlossen entgegen:
"Um einen erfolgreichen Abschluss zu erzielen, müssen sich beide Seiten aufeinander zu bewegen. Weiterhin gilt: Wir sind bereit zu einer Lösung, die unserer Verantwortung gegenüber den Beitragszahlern in NRW gerecht wird."
Mehr Gehalt bedeutet Kürzungen in Programm und Verwaltung
Tatsächlich müssen höhere Gehälter und Honorare de facto zu Einsparungen an anderer Stelle führen. Denn Geld bekommt der Sender durch die Rundfunkbeiträge – und die liegen seit vier Jahren konstant bei monatlich 17,50 Euro pro Haushalt und waren davor sogar gesenkt worden.
Ein Mikrofon in einem Regionalstudio 
Freie Mitarbeiter der Öffentlich-RechtlichenVersteckte Opfer des Spardrucks
Die Ministerpräsidenten wollen den Rundfunkbeitrag möglichst nicht oder nur gering anheben. Sollte der Spardruck steigen, könnten vor allem die freien Mitarbeiter von ARD, ZDF und das Deutschlandradio darunter leiden.
Ob und um wie viel der Beitrag im Jahr 2021 steigt, ist derzeit noch ein Streitpunkt zwischen den Sendern und den Bundesländern. Solange Mehreinnahmen fehlen, müssen die Sender höhere Ausgaben also durch Kürzungen im Programm und in der Verwaltung ausgleichen.
Stephan Somberg ist Gewerkschaftssekretär von Verdi NRW: "Es ist sonnenklar: Es gibt eine Wirtschaftlichkeit, die haben wir im Blick. Und wir sehen auch, dass der WDR natürlich in gewisse Maßnahmen Geld hineinplant, in manche Maßnahmen weniger. Aber wir sagen auch: Eine angemessene Lohnerhöhung muss bei den Kolleginnen und Kollegen in Form einer Gehaltserhöhung und Honorarerhöhungen ankommen."
300 und 400 WDR-Beschäftigte streiken
Der WDR hat allerdings auch noch ein anderes Thema auf den Verhandlungstisch gebracht: Wenn es nach dem Sender geht, sollen Beschäftigte in Zukunft nicht mehr alle zwei Jahre, sondern alle drei Jahre in die nächsthöhere Vergütungsstufe rutschen. Auch dagegen wehren sich die Streikenden. Zwischen 300 und 400 WDR-Beschäftigte beteiligten sich nach Gewerkschaftsangaben an der Arbeitsniederlegung. Gewerkschaftssekretär Stephan Somberg zeigte sich danach zufrieden.
"Was mich persönlich sehr, sehr gefreut hat: Es waren viele junge Kolleginnen und Kollegen mit dabei. Denn dort ist es vor allen Dingen, dass junge Leute in befristeten Arbeitsvertragsverhältnissen sind – also es ist nicht ganz leicht, sich auch zu überwinden und in einer Arbeitskampfsituation Arbeit niederzulegen und sich dann auch zu beteiligen. Es waren Volontärinnen und Volontäre mit dabei, es waren Auszubildende mit dabei – das ist auch nicht selbstverständlich."
Am Freitagnachmittag geht es in Köln in die nächste Verhandlungsrunde. Außerdem könnte es noch diese Woche weitere Streiks beim WDR geben.