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Wearables
Kabellose Stromversorgung für vernetzte Pflaster

Als Wearables bezeichnet man kleine technische Geräte, die, am Körper angebracht, alle möglichen Parameter wie Temperatur oder Sauerstoffgehalt messen können. Mittlerweile haben Forscher dafür hauchdünne elektronische Pflaster entwickelt, die auf die Haut geklebt werden. Seit Kurzem können diese vernetzten Pflaster auch kabellos mit Energie versorgt werden.

Von Jochen Steiner | 04.08.2016
    "Metria", ein vernetztes Pflaster, klebt am 19.11.2013 in Düsseldorf (Nordrhein-Westfalen) an einem Model auf den Oberarm. Über Sensoren, die die Oberflächenspannung der Haut messen, ermittelt es Puls, Temperatur und Schrittzahlen. Diese werden über ein Handy-App auf ein persönliches Vital-Portal übertragen. Mehr als 4600 Aussteller zeigen auf der Medizin-Messe vom 20.11. bis 23.11.2013 ihre Neuheiten. Foto: Roland Weihrauch/dpa
    Mit der kabellosen Energieversorgung der vernetzten Pflaster lassen sich Strommengen von bis zu 50 Milliwatt übertragen. (picture alliance / dpa / Roland Weihrauch)
    Der Materialwissenschaftler John Rogers von der Universität von Illinois ist Meister darin, Dinge schrumpfen zu lassen. In den letzten Jahren haben er und sein Team sich darauf konzentriert, kleine, hauchdünne elektronische Pflaster zu entwickeln, die auf die Haut geklebt werden. Trotz ihrer geringen Größe sollen diese so zuverlässig Körperwerte messen, dass sie auch im Krankenhaus eingesetzt werden können, meint er:
    "Wenn man wirklich verlässliche Daten über den Gesundheitszustand erheben will, dann braucht man ein Pflaster-ähnliches Messgerät, das sich der Haut anschmiegt und diese nutzt, um verschiedene Körperwerte quantitativ zu bestimmen."
    Batterie im Pflaster kann nur wenig Strom speichern
    Die Forscher um John Rogers sind nicht die einzigen, die solch dünne Messgeräte entwickelt haben. Aber sie haben sich früh Gedanken darüber gemacht, wie die elektronischen Pflaster ohne störendes Stromkabel auskommen könnten.
    Erst vor wenigen Monaten haben sie in einer Veröffentlichung extrem dünne und flexible Batterien sowie sehr dünne Photovoltaik-Zellen vorgestellt, die direkt in die Pflaster integriert werden können. Doch die Strommenge, die damit erzeugt und gespeichert werden kann, ist eher gering. Deshalb verfolgte John Rogers nun einen anderen Ansatz:
    "Wir haben die Notwendigkeit für eine Batterie umgangen, indem wir ein Radiowellen-System einsetzen, mit dem Energie von einem Tablet, Smartphone oder RFID-Lesegerät auf das Pflaster kabellos übertragen werden kann. Das selbe System erlaubt es uns außerdem, Daten auszulesen und somit Informationen ganz ohne Kabel zu übertragen."

    Mit der kabellosen Energieversorgung lassen sich Strommengen von bis zu 50 Milliwatt übertragen. Das reiche für medizinische Anwendungen aus, so John Rogers. Diese kabellose Übermittlung von Daten und Energie ist nicht neu: Sie wird zum Beispiel bereits bei speziellen Kreditkarten mit Funk-Bezahlsystem eingesetzt.
    Der Materialwissenschaftler und seine Kollegen nutzen für ihre Zwecke die Kurzwellen-Frequenz von 13,56 Megahertz. Dies sei für Anwendungen am Patienten sicher. Zum Vergleich: Handynetze arbeiten im hochfrequenten Bereich zwischen 700 und 2.000 Megahertz.
    Der Nachteil: Geringe Übertragungsreichweite
    Die kabellose Energie- und Datenübertragung mittels Radiowellen hat Vorteile, aber auch einen Nachteil, führt Rogers aus:
    "Das Ganze läuft unbegrenzt lange, vorausgesetzt, das Pflaster ist nahe genug am Transmitter. Das ist der Nachteil daran: Das Pflaster darf nur wenige Zentimeter vom Smartphone oder Tablet entfernt sein. Bei einem RFID-Lesegerät ist es immerhin etwa ein Meter. Aber für eine Anwendung im Krankenhaus wäre das ausreichend: Der Transmitter könnte in die Matratze eingebaut werden und kabellos mit dem Patienten verbunden sein, der auf dem Bett sitzt oder liegt."
    John Rogers und sein Team haben die Technik für die kabellose Energie- und Datenübertragung - im Wesentlichen eine runde Antenne aus Kupfer und einen speziellen Chip - in ein elektronisches Pflaster integriert, das auf die Haut geklebt wird. Dieser wenige Quadratzentimeter große Streifen ist ähnlich elastisch wie die Haut und nur so dick wie ein menschliches Haar. Er besitzt zudem vier LEDs, die unterschiedliche Messungen ermöglichen:
    "Wir wollen den Sauerstoffgehalt des Blutes bestimmen. Das Licht einer roten und einer infraroten LED wird von der Haut reflektiert und von einer Fotodiode aufgefangen. Daraus lässt sich der Sauerstoffgehalt berechnen."
    Außerdem könnte das Pflaster bei Neugeborenen eine Gelbsucht frühzeitig anzeigen. Hierfür haben die Forscher eine gelbe und eine grüne LED in ihr dünnes Messgerät integriert. Damit kann der sogenannte Bilirubin-Wert ohne Kabel und ohne Blutabnahme kontrolliert werden. Erste Versuche mit Probanden hätten gezeigt, so John Rogers, dass das Pflaster sicher ist und verlässliche Daten liefert.