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Wearables
Von Notfallstrickjacken und Schals mit Kopfhörern

Sogenannte Wearables sind technische Geräte, die man am Körper trägt oder anzieht. Dinge wie die Computer-Brille Google Glass zum Beispiel oder Fitnessarmbänder. Inzwischen entdeckt auch die Modebranche das Thema. Doch die Technologie wirft auch neue Fragen zum Datenschutz auf.

Von Daniela Siebert | 20.01.2015
    Ein Model zeigt auf der Elektronik-Messe CES (Consumer Electronics Show) das Fitness-Armbad Fitbit.
    Fitnessarmbänder zählen zum Beispiel die Schritte des Trägers. (picture-alliance / dpa / Britta Pedersen)
    Anita Tillmann zeichnet bei der Fashion Week nicht nur für wichtige Modenschauen verantwortlich, sie hat auch dafür gesorgt, dass in diesem Jahr erstmals Wearable IT thematisiert wird. Denn sie ist davon überzeugt, dass das bald keine Spielerei mehr sein wird für Freaks und Nerds, sondern Standard.
    "Hundertprozentig, und zwar relativ schnell. Also weil ich meine: Joggen ist eine schöne Volkssportart. Und wenn einer einen Schuh noch mal haben kann, der mein Gewicht dämpft, meine Herzfrequenz misst, oder mir per irgendwelchen Signalen zu verstehen gibt, dass ich zu langsam oder gegebenenfalls zu schnell laufe, und es mir hilft bei meiner Gesundheit, dann finde ich das sensationell."
    Auf der Konferenz "Fashiontech" wird es heute aber nicht nur um Optionen im Bereich der Sportbekleidung gehen, sondern etwa auch um leuchtende LED-Westen, Schmuck aus dem 3-D-Drucker und neue Kommunikationsmöglichkeiten zwischen Mensch, IT und Textilien.
    Doch noch ist vieles im Experimentierstadium. Etwa im Design Research Lab der Berliner Universität der Künste. Unter der Leitung von Professorin Gesche Joost befasst man sich dort seit vier Jahren mit Wearable IT:
    "Ich glaube wirklich, dass es ein großes Zukunftsfeld ist und es ist auch gar nicht Spielerei, was wir hier machen, sondern wir machen viel mit Patienten zum Beispiel zusammen, wir haben mit Schlaganfallpatienten zusammen eine Notfallstrickjacke entwickelt, die sie einfach nutzen können, wenn sie allein zuhause sind und Hilfe brauchen, dann brauchen sie einfach nur quasi am Bündchen zu ziehen."
    Vermarktungsgespräche mit Krankenkassen und verschiedenen Gesundheitsdienstleistern laufen bereits.
    SMS-Handschuh für Taubblinde
    Zu anderen Prototypen im Labor gehört eine Art Pulswärmer, der mit einem violetten Warnlicht anzeigt, wenn man das Handgelenk zu stark abknickt, was Menschen mit Karpaltunnelsyndrom helfen könnte, einer Nervenschädigung durch Einengung.
    Auch neu: eine Art Handschuh, auf der Handfläche mit vibrierenden Sensoren bestückt, mit dessen Hilfe taubblinde Menschen Texte formulieren und verstehen können.
    "Per Bluetooth geht das Ganze ans Handy, das heißt, als Taubblinder schreibe ich mir selber in die Hand hinein und kriege als Nicht-Taubblinder eine SMS oder eine E-Mail geschrieben und umgekehrt."
    Auch Schals, die Kopfhörer eingearbeitet haben, ein Hut, der durch Vibration im Saum Richtungsänderungen vorgibt oder Textilien, die auf Temperaturveränderung mit einem Farbwechsel reagieren, gehören zu den Neuentwicklungen. Daraus lassen sich sowohl nützliche als auch modische Produkte entwickeln. Berlins Wirtschaftsenatorin Cornelia Yzer hält Wearable IT längst für einen Zukunftsmarkt:
    "Das ist ein Trend, der in den Modebereich vordringt und hier sind wir in Berlin führend. Es gibt 20 Unternehmen, die hier unterwegs sind und auch schon Produkte bereitstellen, zum Beispiel Fahrradwesten mit Sensoren, die die Schnelligkeit des Radfahrers aufnehmen und entsprechend dann auch Zeichen geben, das hat was mit Sicherheit zu tun, aber es geht sicherlich auch darum, hippe Modetrends zu gestalten."
    Neue Datenschutz- und Überwachungsfragen
    Der Ingenieur Fabian Hemmert befasst sich an der Universität der Künste und bei der Fashion Week mit der Frage, ob unsere Gesellschaft überhaupt schon reif ist für Wearable IT. Seine Einschätzung:
    "Ja, auf jeden Fall, ich glaube, dass Wearables den Menschen als Ganzes auch sehen. Wir haben einen Körper, wir haben Arme und wir tragen Kleidung und wir können das alles nutzen, um die Bedienung der Technik reichhaltiger zu gestalten und auch sinnvoller."
    Adieu Knopfdruck sozusagen. Als Mensch, der viel am Computer sitzt und mit Kreuzschmerzen kämpft, hofft er beispielsweise auf Kleidungsstücke, die einem eine ungesunde Sitzhaltung signalisieren. Doch mit Wearable IT ziehen auch neue Datenschutz- und Überwachungsfragen am Horizont auf. Zusätzliche Digitalhygiene sei da gefragt, meint Fabian Hemmert:
    "Also mein Handy schläft nicht auf meinem Nachttisch und ich würde auch kein Wearable in mein Bett lassen."
    Ans Handgelenk der Berliner Wirtschaftssenatorin hat es Wearable IT aber schon geschafft. Sie trage regelmäßig einen Bewegungsmesser, versichert Cornelia Yzer:
    "Ich habe eine überwiegend sitzende Tätigkeit und da man sich zu wenig bewegt, schaue ich abends nach, wie viel Schritte bin ich gelaufen? Wenn ich den Eindruck habe: zu wenig, gehe ich noch mal eine Runde um den Block."