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Wechselvolle Geschichte eines Flughafens

Auf dem Tempelhofer Feld hielt 1722 König Friedrich Wilhelm I. die erste Militärparade ab, Flugpioniere begeisterten Schaulustige und schließlich diente es als Exerzierplatz. Als der Platz dann zu einem perfekten Standort für einen städtischen Flughafen auserkoren wurde, hagelte es jedoch Kritik.

Von Regina Kusch | 08.10.2013
    Wie das Tempelhofer Feld zu nutzen sei, darüber streiten die Berliner schon seit 100 Jahren. Als Stadtbaurat Leonard Adler nach dem Ersten Weltkrieg den ehemaligen Exerzierplatz als perfekten Standort für einen städtischen Flughafen auserkoren hatte, hagelte es massive Proteste der Anwohner aus Neukölln und Tempelhof. Adler setzte sich durch. Anstelle der geplanten Messehallen wurde auf dem Tempelhofer Feld ein Flughafen gebaut. Der bestand zu dem Zeitpunkt allerdings aus nicht viel mehr als einem Empfangsgebäude, zwei Flugzeughallen und einer Schmiede. Am 8. Oktober 1923 startete um 10 Uhr 30 die erste Maschine nach München mit zwei Passagieren und einem Piloten an Bord. Die "Vossische Zeitung" jubelte:

    "Berlin hat zusammen mit den Luftverkehrsgesellschaften hart ringen müssen, bis es sich den Platz, den bestgelegenen, den eine Hauptstadt Europas haben konnte, sicherte."

    Nach der Machtübernahme nutzten die Nationalsozialisten das Tempelhofer Feld für Massenkundgebungen, wie am sogenannten Tag der nationalen Arbeit am 1. Mai. Hitler wollte Tempelhof zu einem Weltflughafen machen. Das halbkreisförmige Abfertigungsgebäude mit den angeschlossenen Hangars nach den Plänen des Architekten Ernst Sagebiel wurde 1927 errichtet und noch vor dem Zweiten Weltkrieg in mehreren Bauabschnitten erweitert. Es gehört bis heute zu den drei größten Bauten der Welt. Während des Krieges war Tempelhof Produktionsstätte der Rüstungsindustrie, die dort Zwangsarbeiter zum Bau von Sturzkampfbombern und Radargeräten beschäftigte.

    Der Flughafen wurde 1945 von der US Air Force weitgehend unbeschädigt übernommen. Als die Sowjets im Juni 1948 Westberlin abriegelten, drohte zweieinhalb Millionen Menschen eine Hungersnot. Die vor allem von den Amerikanern eingerichtete Luftbrücke rettete die Stadt. Ein Jahr lang versorgten alliierte Flugzeuge, die zeitweise im 90-Sekunden-Takt starteten und landeten, Berlin mit Brennstoffen, Grundnahrungsmitteln und mit Süßigkeiten, weshalb sie im Volksmund "Rosinenbomber" genannt wurden.

    "Berlins Versorgung in den Westsektoren gesichert. Volle Versorgung auf dem Luftwege. Luftbrücke geschlagen. Britische Militärregierung entsendet 100 Flugzeuge mit Lebensmitteln nach Berlin. Französische Militärregierung plant Einsatz von Flugzeugen zu Lebensmitteltransporten nach Berlin."

    Zum Dank setzten die Berliner den Alliierten ein Denkmal auf dem Platz der Luftbrücke vor dem Flughafengebäude. Die zivile Luftfahrt in Tempelhof wurde 1951 wieder aufgenommen. Obwohl dort bis zu sechs Millionen Fluggäste jährlich an- und abflogen, lobten Passagiere und Piloten stets die familiäre Atmosphäre.

    "Tempelhof sieht nicht aus wie ein Flughafen. ... Es ist extrem privat. … Wenn man da fünfmal fliegt, kennt man die Menschen."
    "Das ist es eigentlich …, was den speziellen Reiz dieses Flughafens … ausmacht, dass es eben nicht so ein steriler Flughafen ist wie viele andere, die weit draußen abseits jeder Bebauung gebaut sind ... Die Bebauung rundherum, die behindert das Anflugverfahren letztendlich überhaupt nicht."

    1975 wurde in Tegel ein neuer Zivilflughafen eröffnet und der Linienverkehr wanderte dorthin ab. Als nach dem Mauerfall der Flugverkehr deutlich zunahm, wurde Tempelhof zur Entlastung Tegels wieder für kleinere Maschinen geöffnet. Nachdem Berlin, Brandenburg und der Bund sich auf den Bau eines Großflughafens in Schönefeld geeinigt hatten, entbrannte ein weiterer, jahrelanger Streit um die Schließung Tempelhofs. Ein Volksbegehren für die Erhaltung des Flughafens scheiterte. Im Oktober 2008 startete dort die letzte Maschine. Inzwischen ist das Tempelhofer Feld zu einem Eldorado für Jogger, Windskater, Fahrradfahrer und Stadtgärtner geworden, das täglich von über 7000 Besuchern genutzt wird.

    "Die Hochbeete, die sind nicht eingezäunt, niemand klaut die Tomaten von dem anderen, das ist herrlich. Und das ist was Einmaliges in Berlin."
    "Hier kann ich mich von der Arbeit entspannen und dann sagen okay. Das ist schön."
    "Es ist einfach Fläche. Das ist genau das, was fehlt in Berlin. Platz zum Denken und Gucken und Schauen und Genießen."

    Der Berliner Senat plant jetzt am Rand Wohn- und Gewerbegebäude. Eine Bürgerinitiative hat ein neues Volksbegehren angekündigt, um den ehemaligen Flughafen als Freifläche zu erhalten. Der nächste Streit um das Tempelhofer Feld hat schon begonnen.