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Wegbereiter der Klassik

Mehr als vier Jahrzehnte seines Lebens hat Georg Philipp Telemann in Hamburg gelebt. Der auch international berühmte Komponist der Barockzeit erhielt ein Angebot, Thomaskantor in Leipzig zu werden, überließ die Stelle aber einem gewissen Johann Sebastian Bach. Telemann hat ein gewaltiges Werk hinterlassen. Er durchbrach die Formenwelt des deutschen Barock und bereitete somit den Weg zu einem neuen Horizont: der Klassik.

Von Wolfram Goertz | 14.03.2006
    Was wäre gewesen, wenn . . . Ja, was wäre gewesen, wenn Georg Philipp Telemann 1722 seine Bewerbung um das Amt des Thomaskantors nicht zurückgezogen hätte? Johann Sebastian Bach wäre dann nicht nach Leipzig gegangen und hätte vielleicht nie seine großen Passionen oder die h-moll-Messe geschrieben.

    Das sind gewiss müßige Spekulationen. Die damalige Öffentlichkeit sah die Sache anders. Für sie war Telemann und nicht sein übrigens guter Freund Bach der Inbegriff des ruhmreichen, attraktiven Komponisten und Musicus. Telemann aus Hamburg galt als Weltgeist, der überall, wo er wirkte, erfolgreich war. Dass er dann 46 Jahre bis zu seinem Tod im Mai 1767 in der Hansestadt blieb, lag daran, dass er dort ideale Arbeitsbedingungen hatte.

    Seine Berufung nach Hamburg beschrieb Telemann später so:

    "Im Jahr 1721 wurde ich, nachdem Herr Joachim Gerstenbüttel seligen Todes verblichen, in Hamburg zum Directore des musikalischen Chors und Cantore des Johannei erwählt, und um Michaelis darauf, nach vorhergegangenem Einladungs-Programmate, mittelst einer Rede, in Musica in Ecclesia, feierlich eingeführet."

    Telemann wurde Direktor der Kirchenmusik an den fünf Hauptkirchen und hatte selbstverständlich die nicht immer dankbare Verpflichtung, zu jedem erdenklichen Anlass eine Motette, eine Kantate oder ein anderes Werk zu schreiben. Darüber hinaus konnte er sich mit dem Collegium musicum im weltlichen Terrain tummeln. Trotzdem fand er so viel Zeit, dass er zum Aufschwung der Hamburgischen Oper beitragen konnte. Schließlich war es Georg Philipp Telemann, der 1728 die erste deutsche Musikzeitschrift mit dem vielsagenden Titel "Der getreue Musicmeister" gründete.

    Telemann war ein sprachbegabter Mann. Nach einem Kuraufenthalt in Bad Pyrmont schenkte er dem Prinzen von Waldeck eine paar kleinere seiner Werke und schrieb in die Widmung:

    "Freimütig gestehe ich Eurer erlauchten Hoheit, dass ich beim Komponieren dieser kleinen Stücke kein anderes Verlangen hegte als nach dem Ort, der sich rühmt, unter Ihrer Herrschaft zu stehen, und dessen Preis eine halbe Welt aufwiegt."

    Geboren wurde Telemann am 14. März 1681 in Magdeburg. Schon früh hatte er durch außergewöhnliche Begabung auf sich aufmerksam gemacht. Sie war offenbar so groß, dass er sich das Komponierhandwerk im Selbstverfahren beibringen konnte. Dazu gibt es einen autobiografischen Vermerk:

    "Während dieser Zeit suchte ich das Clavier hervor / bis ich die nöthigsten Regeln des Generalbasses von mir selbst erfand / und sie in einige Execution brachte."

    Bald schon prägte sich Telemanns Stilempfinden aus. Er versuchte, deutsche Gelehrsamkeit mit italienischer Melodik zu verbinden. Der französische Stil kam bald dazu, und an seinen diversen Wirkungsorten verfeinerte er auch seine Geschäftstüchtigkeit. Als er in Frankfurt Vokalwerke schrieb, setzte er durch, dass die Besucher der Konzerte Textbücher kauften, deren Erlös ihm zukam.

    Georg Philipp Telemann hat ein gewaltiges Werk hinterlassen, leider wissen wir kaum etwas von seinen annähernd 40 Opern. Doch nicht nur von der Quantität seines Schaffens ist er alles andere als ein Kleinmeister. Telemann ist vielmehr einer derjenigen, die die Formenwelt des deutschen Barock durchbrachen und einem neuen Horizont entgegenreisten: der Klassik.