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Weichenstellung für deutsche Forschung
Einigung nach zähem Ringen

Bund und Länder haben über die zukünftige Finanzierung von Wissenschaft und Bildung entschieden. Klare Gewinner des Hochschulpakts, der nun „Zukunftsvertrag“ heißt, sind die außeruniversitären Forschungseinrichtungen. Der wissenschaftliche Nachwuchs muss weiter kämpfen.

Claudia van Laak im Gespräch mit Sandra Pfister | 03.05.2019
Studierende an der Universität zu Köln. Köln, 09.10.2017 | picture-alliance | Geisler-Fotopress | Verwendung weltweit
Der wissenschaftliche Nachwuchs an den Hochschulen müsse weiter Druck machen, damit Stellen entfristet werden, so Dlf-Korrespondentin Claudia van Laak (dpa / Geisler-Fotopress / picture-alliance )
Sandra Pfister: Es ist die ganz große Weichenstellung für deutsche Hochschulen und Forschungsinstitute in den kommenden Jahren. Mehr als hundert Milliarden Euro sollen demnächst fließen. Eine Zahl mit elf Nullen. Ende kommenden Jahres laufen drei Wissenschaftspakte aus, ohne die viele Unis und Forschungsinstitute alt aussehen. Ohne sie geht es nicht. Trotzdem sind diese Pakte keine Selbstläufer.
Es gab immer Streit, beim letzten Mal 2014, wäre ihre Verlängerung fast gescheitert. Heute haben sich die Wissenschaftsminister von Bund und Ländern zusammengerauft. Claudia van Laak hat das Ganze für uns verfolgt. Frau van Laak, der wichtigste Punkt ist der Hochschulpakt. Als ausgemacht gilt schon, dass der jetzt nicht mehr befristet läuft sondern, dass der Bund sich verpflichtet open end zu zahlen.
Der Bund wollte aber, dass die Länder das Geld nicht nur für Studienanfänger kriegen, sondern, dass sie auch zeigen, dass möglichst viele von ihnen einen Abschluss machen, nach Möglichkeit in der Regelstudienzeit. Wird das Geld jetzt tatsächlich an diese Bedingungen geknüpft?
Hochschulpakt heißt jetzt Zukunftsvertrag
Claudia van Laak: Ja, es wird auch an diese Bedingung geknüpft. Vielleicht zum Anfang: Wir müssen uns jetzt daran gewöhnen, dass der Hochschulpakt nicht mehr Hochschulpakt heißt, sondern "Zukunftsvertrag". Klingt vielleicht noch ein bisschen besser. Und es gibt dann drei Kriterien, nach denen das Geld verteilt wird. Erstens die Zahl der Studienanfänger, zweitens die Zahl der Absolventen und drittens: Wie lange haben diese Studierenden ihren Abschluss gebraucht? Also Regelstudienzeit plus zwei Semester ist das Kriterium.
Und vielleicht hören wir da mal die Vorsitzende der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz, das ist die Bremer Senatorin Eva Quante-Brandt. Sie lobte dies als Systemwechsel:
"Also das eine war ein Aufwuchs, ein befristeter Aufwuchs. Und jetzt sagen wir, das was im System ist, das soll gehalten werden und da soll sich die Qualität verändern und deswegen wird nicht in ein Mehr, sondern in das finanziert, was an Studierendenschaft da ist. Wo wir dann auch in der Qualität, eben, durch die Frage der Befristung, durch die Verbesserung der Betreuungsrelationen, jetzt auch tätig werden können. Das würde ich als einen Systemwechsel bezeichnen."
"Qualitätspakt Lehre wird schrumpfen"
Pfister: Der Bund hat auch gesagt vorher, die Länder sollen sich nicht arm rechnen, sondern die sollen gefälligst selbst viel Geld in die Pakte stecken. Müssen Sie das jetzt?
van Laak: Ja, aber noch nicht sofort, sondern erst ab 2024. Der Bund wird also weiter jährlich 1,88 Milliarden Euro für die Hochschulen zahlen. Die Länder haben sich da in einem Punkt nicht durchgesetzt. Sie wollten mehr als diese 1,88 Milliarden. Nämlich ein jährliches Plus vom Bund von drei Prozent. So weit ist es nicht gekommen. Erst in fünf Jahren, nämlich 2024 will der Bund dann seine Summe erhöhen, auf dann 2,05 Milliarden. Dann ist ein Punkt, das der Qualitätspakt Lehre, der wird schrumpfen und zwar von bislang 200 Millionen, dann auf jährlich 150 Millionen. Da steigen die Länder dann ab 2024 ein. Der dritte Pakt, der Pakt für Forschung und Innovation, der ist schon für die nächsten zehn Jahre vereinbart worden, nicht nur für fünf Jahre. Und er wächst jährlich um drei Prozent.
Weiter keine Planungssicherheit für wissenschaftliche Uni-Mitarbeiter
Pfister: Kommen wir noch auf einen weiteren Knackpunkt von Seiten der Länder. Sie wollen, dass der Bund seine Zuschüsse jährlich steigert, um Tariferhöhungen für Angestellte an den Unis auszugleichen. Das hört sich nach einer Petitesse an. Aber es ist keine, denn Sie sagen, eine dauerhafte Finanzierungszusage, die könnte auch zu mehr unbefristeten Stellen an den Hochschulen führen. Die dauerhafte Zusage haben sie ja jetzt, aber haben sie auch diese jährlichen Steigerungen um drei Prozent?
van Laak: Nein, die haben sie nicht. Da haben die Länder ihre Forderung nicht umsetzen können. Allerdings sagt der Bund durch diese langfristigen Finanzzusagen, die es jetzt gibt, also Verstetigung dieses Hochschulpaktes, der jetzt Zukunftsvertrag heißt, da erhalten die Hochschulen mehr Planungssicherheit und könnten die Stellen entfristen.
Es wird aber keine Vorgaben des Bundes geben nach dem Motto: Ihr bekommt nur das Geld wenn ihr auch die Stellen entfristet oder x Stellen entfristet. Sondern der Bund, der schließt mit jedem Land einen extra Vertrag, und das hat Bundesbildungsministerin Anja Karliczek heute extra verteidigt.
Außeruniversitäre Forschung als Gewinner
Pfister: Es hört sich kompliziert an. Wenn wir versuchen einen Strich drunter zu ziehen - wer hat jetzt gewonnen, wer hat verloren?
van Laak: Gewonnen hat die außeruniversitäre Forschung. Das ist ganz klar. Also Leibniz-Gemeinschaft, Helmholtz, Fraunhofer, Max-Planck. Sie erhalten eben nicht nur garantierte Etats für die nächsten zehn Jahre, bislang waren es nur fünf Jahre. Sondern eben auch diesen garantierten Aufwuchs von drei Prozent.
Wer hat verloren? Also bei dem wissenschaftlichen Nachwuchs würde ich wirklich ein Fragezeichen dran machen. Der muss wirklich weiter Druck machen, damit die Stellen entfristet* werden. Denn es könnte sein, dass sich ihr Status verbessert. Muss aber nicht - da fehlen verbindliche Vorgaben.