Freitag, 29. März 2024

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Weiheämter für Frauen
"Ich glaube, dass wir eine Revolution brauchen"

Die Zahl der Kirchenaustritte in Deutschland steigt, vor allem die Frauen kritisieren fehlende Reformen in der Katholischen Kirche. Ihre Botschaft drohe so zu versickern - und sei der jungen Generation auch nicht mehr vermittelbar, kritisierte Lisa Kötter von der Initiative Maria 2.0 im Dlf.

Lisa Kötter im Gespräch mit Stefan Heinlein | 22.09.2020
Demonstrantin vor der Regionalkonferenz des Synodalen Weges in Ludwigshafen. Sie trägt ein Transparent mit der Aufschrift "Auch Frauen fühlen sich berufen". © Synodaler Weg / Klaus Landry
Jahrhunderte lang hat die katholische Kirche die Rolle der Frauen in ihren Reihen stark eingegrenzt. Das soll sich ändern, fordern Reformer. (Klaus Landry / Synodaler Weg)
Der Vatikan hat eine Kommission eingesetzt, die sich mit der zugespitzten Frage beschäftigen soll: Steht das sakramentale Amt Frauen offen? Papst Franziskus hatte betont, diese Frage sei nicht offen. Georg Bätzing, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) äußerte hingegen im Deutschlandfunk: "Das Diakonat für Frauen halte ich für sehr legitim. Ich könnte mir durchaus vorstellen, dass wir hier vom Synodalen Weg aus diese Bitte äußern, dass das hier auf der weltkirchlichen Ebene wirklich ernsthaft geprüft und eingeführt werden möge."
Für Lisa Kötter von der Initiative Maria 2.0, die Veränderungen in der Katholischen Kirche fordert, ist das noch viel zu unkonkret. Man könne nur von einer "Salamitaktik" sprechen, mit der die Katholische Kirche das Thema Diakonat der Frau angehe. Dafür bleibe aber keine Zeit mehr, "denn die Menschen hauen ab". Vor allem der jüngeren Generation sei diese Botschaft der Kirche kaum noch zu vermitteln: "Die glauben diesen Boten die Botschaft nicht mehr und die Botschaft ist uns zu kostbar."
Georg Bätzing, neuer Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, vor einem Mikrofon
Bischof Georg Bätzing: "Das Diakonat für Frauen halte ich für sehr legitim"
Seit einem halben Jahr ist der Limburger Bischof Georg Bätzing Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz. Die "Thematik Frau" hat für ihn Priorität. Frauen sollten zu Diakoninnen geweiht werden dürfen, sagte er im Dlf. Gleichberechtigung in allen Ämtern sei ein langer Weg, "den wir beginnen müssen".

Das Interview im Wortlaut:
Heinlein: Das Ziel von Maria 2.0 sind Veränderungen in der Katholischen Kirche. Geschlechtergerecht, menschenfreundlich, wahrhaftig und reformbereit – so steht es zumindest auf Ihrer Homepage. Frau Kötter, welchem dieser vier Ziele sind Sie denn bereits nähergekommen?
Kötter: Ich würde sagen, nähergekommen sind wir dem Ziel, dass gesprochen wird, denn das Frauenthema ist in den synodalen Weg eingepflegt worden, nachdem wir Maria 2.0 gegründet hatten und das eingeschlagen hat wie eine Bombe in den Medien. Und wir haben uns verändert. Wir selbst haben uns schon verändert und wir sind ja auch ein Teil der Kirche. Darum haben wir auch schon etwas Kirche verändert.
Weit von Reformbereitschaft entfernt
Heinlein: Ist die Katholische Kirche im Jahr 2020 in den Augen von Maria 2.0 weder wahrhaftig, noch reformbereit?
Kötter: Ich würde sagen, sie ist weit davon entfernt, ja. Die Dialogbereitschaft ist inzwischen da und das ist gut, denn Dialog ist immer gut. Im Dialog können wir lernen und es gibt vielleicht ein paar Menschen, ein paar Bischöfe, ein paar Mitglieder des synodalen Weges, die zum ersten Mal wirklich die andere Seite hören, live und in echt. Und das ist gut, dass man seine Blase verlässt.
Heinlein: Die Blase verlassen hat vielleicht sogar der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Georg Bätzing. Er hat sich offen gezeigt für den Zugang von Frauen zu Weiheämtern. "Das Diakonat für Frauen halte er für legitim." Das hat er bei uns im Deutschlandfunk erklärt. Ist das für Sie ein Hoffnungsschimmer?
Kötter: Na ja, es schimmert ja so herum. Herr Bätzing hat sich ja sogar schon mal geäußert in einem Satz, dass er die Weihe von Frauen als nicht unbedingt verderblich für die Kirche ansieht. Das ist kein wörtliches Zitat, aber inhaltlich. Wenn er das so sieht, dann soll er es doch auch sagen. Für mich ist dieses vorsichtige Tasten irgendwie demütigend. Sehen Sie, wir brauchen eigentlich kein paternalistisches Verständnis, kein väterliches Ja, Ja, ihr habt da so ein Gefühl von Ausgeschlossenheit. Nein! Es ist ungerecht. Wir haben nämlich die gleichen Rechte. Es sind die gleichen Menschenrechte, die Frauen wie Männer haben. Wir brauchen da kein Verständnis, sondern es ist eine Tatsache. Dieser Ausschluss ist eine Tatsache. Und dann so in der Salami-Taktik das mal zuzugestehen, dass es eventuell mal, vielleicht in 50 oder in 100 Jahren, das Diakonat der Frau geben soll – was sollen die Leute damit anfangen.
Das Problem ist – und ich glaube tatsächlich, dass das die Menschen, die nur in dieser katholischen Blase leben, nicht sehen -, wir haben keine Zeit mehr, denn die Menschen hauen ab. Die glauben diesen Boten die Botschaft nicht mehr und die Botschaft ist uns zu kostbar. Wir können es kaum noch unseren Kindern und unseren Enkelkindern vermitteln, dass wir als Frauen, zum Teil auch als divers lebende Frauen – wir haben ja auch viele Marias, die zum Beispiel in homosexuellen weiblichen Beziehungen leben, die auch Nichten haben oder Lehrerinnen sind und der jüngeren Generation kaum noch vermitteln können, warum sie eigentlich noch in so einer Kirche sind, die sie von allen Ämtern ausschließt.
"Ich glaube schon, dass wir eine Revolution brauchen"
Heinlein: Verstehe ich Sie richtig, Frau Kötter? Sie wollen keine Reformen, sondern Sie wollen eine Revolution der Katholischen Kirche?
Kötter: Diese Botschaft des Jesus von Nazareth ist eine revolutionäre Botschaft und sie könnte weltweit die Welt aus den Angeln heben, so wie sie verfasst ist. Aber die Männer haben daraus eine Herrenlehre und ein Herrenrecht gemacht. Ja, ich glaube schon, dass wir eine Revolution brauchen. Sonst versickert zumindest in der westlichen Hemisphäre die Botschaft dieser Kirche.
Heinlein: Was sagen Sie denn konservativen Katholiken, die diese Revolution ihrer Kirche gar nicht wollen, die an ihren jahrhundertealten Traditionen festhalten wollen?
Kötter: Denen sage ich: Haltet fest. Wir wollen ja niemandem irgendetwas aufzwingen. Ich glaube, dass in der Kirche viel Platz ist. Sehen Sie mal: Die Differenz zum Beispiel zwischen Pius-Brüdern und Befreiungstheologie ist sehr, sehr viel größer als zwischen evangelischen Christen und katholischen Christen. Nichts desto trotz wird jetzt aus Rom wieder erzählt, dass wir nicht gemeinsam das Abendmahl beziehungsweise die Eucharistie feiern dürfen. Das ist schon ziemlich absurd. Die Differenz innerhalb der Katholischen Kirche ist jetzt schon immens groß. Da muss auch keiner von Spaltung sprechen.
Thomas Söding, katholischer Theologe und Professor für Neutestamentliche Exegese an der Ruhr-Universität Bochum.
"Synodaler Weg": "Wir werden die Reformen hinbekommen"
Manchen scheint es, als sei der Reformprozess in der katholischen Kirche in der vergangenen Woche durch Papst Franziskus beendet worden. Doch er bleibe optimistisch, sagte der Theologe Thomas Söding im DLF. Die Kirche brauche Reformen und werde sie auch umsetzen.
"Ich halte die Macht in den Händen eines Mannes für Grund falsch"
Heinlein: Aber Sie wissen es wahrscheinlich besser als ich, Frau Kötter: Viele Katholiken, viele Mitglieder Ihrer Kirche sagen, gerade in Zeiten, wo sich so vieles so schnell verändert in unserer Gesellschaft, ist es gut, wenn meine Kirche, meine Katholische Kirche beständig bleibt und sich nicht diesem modernen Zeitgeist unterwirft.
Kötter: Genau. Aber was ist denn der Zeitgeist, Herr Heinlein? Der Zeitgeist ist doch Ausbeutung, ich, ich, ich, soviel wie möglich mir. Das Jesuanische stellt sich doch genau dem entgegen. Das ist doch Evangelisierung, die Menschenrechte zu achten, in dem anderen Gott zu sehen, was Du meinem Nächsten getan hast, das hast Du mir getan. Das ist doch gegen den Zeitgeist stemmen und genau das wollen wir ja. Wir gehen überhaupt nicht mit dem Zeitgeist. Wenn der Zeitgeist wäre, wie uns immer nachgesagt wird, dass es mehr Erbarmen geben soll mit denen, die am Rande sind, mit den Homosexuellen, mit den Diversen, mit den Geschiedenen, mit denen, die ausgeschlossen sind, die die Kirche ausschließt, was Unjesuanischeres gibt es ja überhaupt nicht. Wenn das der Zeitgeist ist, dann ist es doch gut!
Heinlein: Frau Kötter, akzeptieren Sie denn den Papst als Kirchenoberhaupt, der die Glaubensrichtung und Auslegung bestimmt?
Kötter: Der Papst ist der oberste Priester, der Monarch der Kirche. Ich halte diese monarchische Verfassung, die Macht in den Händen eines Mannes für Grund falsch. Ich glaube nie und nimmer, dass so eine Kirche von Jesus gewollt war, aber das ist ein ganz anderer Diskussionsgrund. Ich finde, dass Franziskus viele gute Sachen angestoßen hat, aber letztlich ist jeder von uns seinem Gewissen verpflichtet und nicht dem, was ein Papst sagt oder nicht sagt. Es hat nämlich sehr viele sehr grauenvolle Päpste gegeben und wenn Herr Schwaderlapp in Köln zum Beispiel sagt, die guten Prophetinnen oder die guten Frauen, die Veränderung wollen, erkennt man daran, dass sie den Papst lieben und dem Papst folgen, dann sage ich, was ist denn in Zeiten gewesen, wo es wirklich Mord und Todschlag und Hurerei in Rom gegeben hat.
Papst Franziskus: "Was sein Bild von Frauen angeht, ist er sehr südamerikanisch"
Heinlein: Frau Kötter, viele Päpste waren grauenvoll. Welches Adjektiv haben Sie denn für den amtierenden Papst Franziskus?
Kötter: Ich glaube, dass er ein Jesus-Freund ist, dass er aber auch ein Südamerikaner ist und dass er genau wie alle anderen Bischöfe und Kardinäle, die ihr Leben lang in diesem Rahmen gelebt haben, in einem Echoraum lebt. Er hat schon viele Fenster aufgemacht, was Menschenrechte angeht, aber was zum Beispiel sein Bild von Frauen angeht, ist er sehr südamerikanisch.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.