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Weihnachten in den Niederlanden
Gemeinsam gegen einsam

Weihnachten ist das Fest des Zusammenseins: Familien und Freunde verbringen gemeinsam eine gute Zeit. Doch auch für Menschen, die sich alleine fühlen, gibt es Angebote. Die „Restos van harte“ bringen einsame Menschen zusammen – jeden Mittwochabend – das ganze Jahr über.

Von Kerstin Schweighöfer | 24.12.2018
    In Amsterdam feiern Menschen jedes Jahr zusammen im Dezember das Lichterspiel am 20 hohen Weihnachtsbaum auf dem Dam, dem zentralen Platz der Stadt vor dem Königspalast.
    Fröhliche Weihnachten: Darauf hoffen diese Niederländer vor dem Amsterdamer Königspalast genauso wie die Besucher der "Restos van harte" (imago/Romy Arroyo Fernandez)
    Jeden Mittwochabend verwandelt sich das Bürgerzentrum am Jonckbloet-Platz in Den Haag in ein Restaurant. Um halb sieben geht es los, alle Tische sind besetzt. An diesem Mittwoch gibt es Kürbissuppe, Risotto mit Hühnchen und zum Nachtisch Pudding mit Sahne, verkündet Chefkoch Maarten.
    "Resto van harte" heißt dieses besondere Restaurant. Zu deutsch etwa: "von Herzen-Restaurant". Vor 14 Jahren wurde es eröffnet, speziell für einsame Menschen. Inzwischen gibt es 80 "Restos van harte" im ganzen Land. Wer soziale Kontakte sucht, kann hierher kommen. Und einmal die Woche für 7 Euro 50 essen:
    "Einsamkeit kennt keine sozialen Schichten"
    So wie Judith, 64 Jahre alt. Sie kommt schon seit vielen Jahren. "Weil ich einsam bin", sagt sie. Judith findet die Initiative gut. Obwohl ein Abend in der Woche eigentlich zu wenig sei. Heißt das, sie ist immer noch einsam? "Hmmmh….Ja!"
    Ein anderer Stammgast hat sie eines Tages überredet mitzukommen. Sonst hätte sie sich nie über die Türschwelle getraut.
    "So holen wir die Menschen aus der Isolation", sagt Ben Lachhat, der Manager des Restaurants.
    "Unsere Stammgäste sind unsere Botschafter."
    Finanziert wird das Restaurant-Projekt von Spenden und Subventionen. Ben Lachhat und sein Koch haben eine Vollzeitstelle. Unterstützt werden sie von bis zu 25 ehrenamtlichen Helfern.
    Ben Lachhat organisiert auch regelmäßig Mahlzeiten nur für Kinder. Auch die fühlen sich manchmal alleine. Wenn ihre Eltern sich scheiden lassen. Wenn sie in der Schule gemobbt werden. Und weil sich viele Menschen gerade jetzt, während der Festtage, besonders einsam fühlen, gibt es auch spezielle Weihnachtsessen:
    "Einsamkeit kennt keine sozialen Schichten, es ist keine Frage des Alters oder des Geldes. Auch in einer riesigen Villa kann man sich einsam fühlen, allein ist allein."
    Gegensteuern der Politik
    Aber Einsamkeit, so Lachhat, sei immer noch ein gesellschaftliches Tabu. Um es zu brechen, haben sich die Initiatoren der van harte-Restaurants 2008 mit 30 anderen Organisationen zur Coalitie Erbij zusammen geschlossen, zur "Koalition Dazugehören".
    Diese Vereinigung organisiert jedes Jahr im Herbst einen "Kongress gegen Einsamkeit" und die nationale "Woche gegen die Einsamkeit." Eröffnet wurde sie dieses Jahr von Königin Maxima.
    Inzwischen hat auch die Regierung das Problem erkannt - und einen landesweiten "Pakt gegen Einsamkeit" geschmiedet, so machte König Willem Alexander in seiner Thronrede im Herbst bekannt:
    "Die niederländische Gesellschaft darf nicht länger hinnehmen, dass sich mehr als die Hälfte aller Menschen über 75 in diesem Land einsam fühlt."
    Als Gegenmaßnahme bekommen einsame Menschen in Rotterdam Hausbesuch von ehrenamtlichen Helfern. Auch Supermärkte machen mit, Frisöre und Museen: So hat das Amsterdamer van Gogh-Museum mobile Ateliers im Einsatz, für Mal-Workshops in Altenheimen.
    Und für spezielle Seniorennachmittage im Museum werden die Menschen zuhause abgeholt, erzählt Marthe de Vet, beim van Gogh-Museum für das Seniorenprogramm verantwortlich:
    "Ich sehe es doch an meinen eigenen Eltern, wie schnell man im gesellschaftlichen Abseits landet, weil man bestimmte Dinge auf einmal nicht mehr kann. Eh man sich versieht, sitzt man den ganzen Tag alleine zuhause. Das ist nicht gut. Man braucht jeden Morgen einen Grund, um aufzustehen."