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Weimar und Buchenwald
Viele Verbindungen zwischen Stadt und KZ

Als das KZ Buchenwald eingerichtet wurde, wollte die nahe gelegene Stadt Weimar damit nicht in Verbindung gebracht werden, auch wenn sie mannigfach von dem Lager profitierte. Heute finden die Gedenkveranstaltungen zum 70. Jahrestag der Befreiung des KZs auch in Weimar statt, das auch die eigene Befreiung feiert.

Von Henry Bernhard | 11.04.2015
    Das Torgebäude des früheren KZ Buchenwald
    Das Torgebäude des früheren KZ Buchenwald (dpa / picture alliance / Sebastian Kahnert)
    Als 1937 auf dem Ettersberg nahe Weimar ein Konzentrationslager errichtet werden sollte, erhob sich Protest aus Weimar: Nicht gegen das KZ und das was darin geschehen würde, sondern gegen den Namen: Die nationalsozialistische Kulturgemeinde in Weimar protestierte beim Reichsführer SS, Heinrich Himmler, gegen den Namen "KZ Ettersberg", denn der Ettersberg stand für Goethe – und der sollte nichts mit "Gemeinschaftsfremden" und "Minderwertigen" im KZ in Verbindung gebracht werden. Himmler lenkte ein und das KZ hieß fortan "Buchenwald".
    Als Weimar 1999 Europäische Kulturstadt werden sollte, wurde aus dem Bundesinnenministerium vor der "Buchenwaldisierung" Weimars gewarnt. 60 Jahre lagen zwischen diesen Ansinnen, die einen gemeinsamen Kern haben: Das KZ Buchenwald und die Kulturstadt Weimar sollten nichts miteinander zu tun haben. Volkhard Knigge, den Leiter der Buchenwald-Gedenkstätte, schauert es noch heute, wenn er an 1999 denkt. "Wäre Weimar damals nicht im guten Sinne buchenwaldisiert worden, dann hätte es einen internationalen Aufschrei gegeben. Also diese Arbeit macht nicht grau und aschig, sondern sie schafft Freunde und öffnet die Welt."
    Verbindungen zwischen Stadt und KZ
    Weimar hat sich nach der Wiedervereinigung intensiv mit seinem Verhältnis zum Grauen in unmittelbarer Nähe der Stadt auseinandergesetzt. Es gab mannigfache Verbindungen zwischen KZ und Stadt, verwaltungstechnisch, ökonomisch, wirtschaftlich; eine Buslinie verband beide, Häftlinge arbeiteten an vielen Plätzen in Weimar, Bürger besuchten den Lagerzoo. Volkhard Knigge ist heute froh, "dass man nicht mehr so tut vor Ort, als sei man an diesen ganzen Sachen nicht beteiligt gewesen, auch als Bevölkerung nicht beteiligt gewesen, als hätte man davon nicht auch profitiert oder als hätte man dem nicht partiell oder auch ganz deutlich und laut zugestimmt."
    Heute finden die vielfältigen Gedenkveranstaltungen zum 70. Jahrestag der Befreiung des KZs weniger auf dem Lagergelände, sondern vielmehr mitten in der Stadt statt - im Deutschen Nationaltheater, im Stadtschloss, in Begegnungsstätten, Bibliotheken, im Kino. Buchenwald ist in Weimar angekommen. So erklärten vor acht Jahren alle Weimarer Stadträte einstimmig ihre besondere Verantwortung für das fortdauernde Gedenken an die nationalsozialistischen Verbrechen in ihrer Nähe und in ihrem Namen. Unterschrieben hat auch Oberbürgermeister Stefan Wolf. "Die Häftlinge haben uns eine Zeit gefragt, was passiert eigentlich, wenn wir, die letzten Zeitzeugen, nicht mehr sind. Geht man dann zum Alltag über und verdrängt dann alles. Oder wird die Erinnerung wach gehalten und die Stadt Weimar hat gegenüber den Häftlingen diese Erklärung, dieses Versprechen abgegeben, dass wir das eben nicht tun werden, sondern dafür Sorge trage werden, dass die Erinnerung an Buchenwald zur Erinnerung unserer Stadt und unseres Landes auf Dauer gehören werden."
    Auch die Befreiung der Stadt wird gefeiert
    Die Stadträte von Dachau waren schon zwei Mal in Weimar und Buchenwald, um sich zu informieren, wie eine Stadt mit ihrer dunklen Vergangenheit umgehen kann. In Weimar geht es so weit, dass die gut 80 Überlebenden, die angereist sind, im besten Hotel der Stadt wohnen - in Hitlers Heimstatt, dem "Elephanten". Für Volkhard Knigge ein wichtiges Symbol. "Ich finde es elementar, dass eine Republik, ein Freistaat und eine Stadt, und in dem Fall sage ich sogar ein Hotel in solchen Fragen Flagge zeigt. Und ich finde es gut, wenn sich diese Republik, die uns glaube ich allen am Herzen liegt, zu ihrer Geschichte in ihrer ganzen Breite verhält."
    Und so feiert die Stadt Weimar am Wochenende nicht nur die Befreiung des KZs, sondern auch die eigene, wenn Professor Robert Harmon der Thüringer Verdienstorden verliehen wird. Harmon saß auf einem der vier Jeeps der US-Army, die am 11. April nach Weimar einfuhren. 2.000 Menschen begrüßten sie damals und feierten das Kriegsende, als sich die Stadt Weimar ergab.