Freitag, 19. April 2024

Archiv

Weinanbau
Klimawandel stellt Winzer vor neue Probleme

Wein braucht Sonne und ein mildes Klima. Zu finden ist das im Rheingau. Doch der Klimawandel ist auch hier spürbar und stellt die Winzer vor neue Herausforderungen.

Von Britta Fecke | 03.11.2014
    Leise plätschert der Riesling durch die Gärröhrchen am Kopfe des riesigen Edelstahltanks. Sie stehen kühl hier im Keller des Weingut Trenz. In den rund 50 Stahlbehältern lagert die Ernte dieses Jahres. Michael Trenz, Winzer am Johannisberg im Rheingau, blickt übernächtigt und zufrieden auf die silber-glänzenden Bäuche der Behälter. In der letzten Nacht hat der junge Weingutsbesitzer mit seinen Mitarbeitern bis tief in die Nacht geerntet:
    "Wir haben jetzt 150.000 Liter eingelagert. Draußen hängt nichts mehr."
    Es musste schnell gehen in diesem Jahr, bevor der Regen kommt und die Trauben faulen. Dabei hatte alles so gut angefangen:
    "Dieses Jahr waren alle Parameter positiv und im Sommer fing es dann auch noch an zu regnen, wo wir sagten: Toll, jetzt haben wir auch das Dickenwachstum. Nur der Regen hat halt nicht mehr aufgehört und damit kam das Problem, dass die Traube irgendwann reif wurde, dicker und dicker und irgendwann aufgeplatzt ist und faul wurde."
    Regenreiche Jahre hat es immer mal gegeben und durchwachte Nächte - ernten bis zum Morgengrauen - gehören beim Weingut Trenz schon zur Familientradition. Doch jetzt müssen sich die Weinbauern umstellen. Martin Klein ist Ingenieur für Weinbau und selbst Winzer im Rheingau:
    "Grundlegend hat sich die Ernte nach vorne verschoben, also vor 20 Jahren war die Ernte des Rieslings vor Oktober undenkbar. Mittlerweile ist es so, dass man fast standardmäßig im September anfängt mit der Ernte."
    Und dann musste es diesmal auch noch sehr schnell gehen. Mit der Menge sind die Winzer im Rheingau aber dennoch zufrieden. Und nicht nur die: Das Deutsche Weininstitut schätzt die bundesweite Erntemenge auf 9,2 Millionen Hektoliter Most. Die Menge stimmt also, dennoch war es kein einfaches Jahr. Zwei Phänomene führen Winzer und Weininstitut auf den Klimawandel zurück: die frühzeitigere Ernte und die Verbreitung von neuen Schädlingen wie.
    "Der Kirsch-Essig-Fliege, die sich hier durch das erwärmende Klima breit macht und vor allem durch den letzten milden Winter hat sich diese Fliege in gewissen Parzellen gezeigt und auch dort Schaden angerichtet."
    Schadinsekten lassen die Trauben schneller verderben
    Heimisch war dieses Schadinsekt ursprünglich in Südostasien. Vor vier Jahren wurde sie das erste Mal in Spanien und in Südtirol registriert. Seit drei Jahren nun bereitet sie auch den deutschen Winzern Sorge. Bis zu 13 Generationen in nur einem Jahr können der Ernte arg zusetzten. Die Weibchen ritzen die Haut der Früchte – übrigens auch von Kirschen oder Himbeeren - an und legen ihre Eier in das Fruchtfleisch. In der beschädigten Traube droht die Gärung, Essigbildung und Fäulnis. Bei warmer Witterung lange bevor die Ernte beginnt. Doch nicht nur eingeschleppte Schadinsekten setzten den Reben zu. Michael Trenz beobachtet an einigen seiner Stöcke Infektionen, die er sonst nur aus Südafrika kannte:
    "Das stellen wir alle inzwischen fest, dass wir alle extrem darunter leiden, dass wir auch Viruskrankheiten haben, die durch die Klimaerwärmung hier rüber kommen. Dieser Virus, der noch nicht erforscht ist, aber der sich anscheinend bei einer wärmeren Temperatur mehr ausbreitet."
    Bei Befall müssen ganze Parzellen gerodet werden. Das schmerzt besonders bei alten Stöcken. Allerdings bietet der Klimawandel auch Chancen für die deutschen Winzer. Michael Trenz:
    "Es hat sich auch ausgewirkt, dass wir ein paar Sonnenscheinstunden mehr haben und somit hat sich die Qualität der deutschen Rotweine hundertprozentig verändert."
    Früher - so scherzt der Weingutsbesitzer - gab es in Deutschland eher roten Wein. Nun gibt es Rotwein und der sei inzwischen so gut, dass Weinhändler den Rotwein vom Johannisberg, dem Burgunder aus Frankreich vorziehen. Was aber vielleicht nicht nur am Klimawandel, sondern auch an den Fähigkeiten des preisgekrönten Winzers liegt. Fest steht: Die Landschaft ändert sich und mit den wärmeren Sommern den milderen Wintern auch die Sorten. Martin Klein:
    "Es werden auch von verschiedenen Kollegen andere Rebsorten angebaut. Beispielsweise auch Exoten, die man nur im Süden anbauen konnte, Cabernet Sauvignon, Chardonnay, das ist fast schon heutzutage Standard."
    Martin Klein als auch Michael Trenz bleiben ihrer langjährigen Familientradition dennoch treu und setzen weiter auf den Riesling, dem bekommen ein paar zusätzliche Sonnenstunden im Jahr auch ganz gut.