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Weingut Andres
Glühwein mit Geheimrezept

Bundesweit bis zu fünf Milliarden Euro Umsatz verzeichnen die Schausteller auf Weihnachtsmärkten in den Wochen vor Heiligabend. Absoluter Renner sind die Glühweinbuden. Beliefert werden sie auch vom Weingut Andres. Der rheinland-pfälzische Winzer setzt auf Qualität und die richtige Gewürzmischung.

Von Mirko Smiljanic | 12.12.2014
    Zu sehen sind Weihnachtsmänner und Engel auf dem Weihnachtsmarkt an der Gedächtniskirche in Berlin
    Natürlich möchten viele Händler etwas vom Kuchen abhaben, zumal Glühweinbuden etwa drei Mal mehr Umsatz erzielen als etwa Kunstgewerbestände. (picture alliance / dpa / Soeren Stache)
    Speyer am Rhein, kurz vor dem 3. Advent. Dichtgedrängt steht Bude an Bude im Schatten des mächtigen Doms, blinkende Lichter, staunende Kinderaugen. Tausende kommen zum traditionellen Weihnachtsmarkt: Einige kaufen Geschenke, viele essen Bratwürste, fast alle trinken Glühwein: "Weißer Glühwein ist etwas ganz Besonderes, der schmeckt einfach süffig und zart blumig, ein wenig nach Kirsche im Abgang", schwärmt diese Besucherin, während ihre Freundin eher den Roten mag. "Der Rote gefällt mir besser, der hat auch etwas sehr sanftes im Aroma, und der Weiße etwas Spritziges."
    Glühwein ist nicht gleich Glühwein, das hat sich mittlerweile auf Deutschlands Weihnachtsmärkten herumgesprochen. Wie aber soll man im Trubel Fusel von Qualität unterscheiden? Der Wein entscheide die Qualität – so Jürgen Andres, Juniorchef des "Weingutes Andres GbR" in Neustadt-Speyerdorf:
    "Ein guter Glühwein entsteht nur aus einem guten Grundwein, wenn der Grundwein schlecht ist, gibt es auch nur einen schlechten Glühwein," weshalb die Produktion guter Glühweine mit der Auswahl der Weine beginnt, und zwar im Keller des Weingutes. Mächtige Edelstahltanks ragen dort in die Höhe, die größten fassen 16.000 Liter, die kleinen knapp 2.000. Traditionell verarbeitet Jürgen Andres Dornfelder zu rotem Glühwein: "Für den weißen Glühwein nehmen wir die Sorte Müller-Thurgau, sie ist sehr säurearm, sie passt einfach perfekt zum weißen Glühwein".
    Geheimrezept für Glühwein
    Egal welcher Wein verarbeitet wird, zunächst passiert er einen Mikrofilter: "Im Filter werden die ganzen Trübstoffe, die restlichen Hefepartikel rausgenommen, und am Ausgang läuft dann der klare Wein in das Fass zurück", wo er zu Glühwein veredelt wird: "Als erstes kommt mal Zucker rein, um das ganze etwas süffiger zu gestalten, wir machen ihn nicht, wie der Pfälzer sagt pappsüß, dann kommen die ganz normalen Gewürze rein, das ist natürlich ein kleines Geheimrezept", mittlerweile produziert das Weingut Andres in der Wintersaison mehr als 50.000 Liter Glühwein.
    Viel Arbeit für das Familienunternehmen, in dem vier Generationen unter einem Dach arbeiten – inklusive der Erntehelfer etwa acht Personen. Rund 450.000 Euro Umsatz pro Jahr erwirtschaftet der Betrieb, und zwar auch dank eines ausgeklügelten Marketings. Einen rasant steigenden Nachfrageschub gab es 2009.
    "Als 2009 die Probe an die Selektion geschickt zum Glühweinwettbewerb, haben dann den ersten Preis gemacht zu Deutschlands bestem Glühwein. Hauptsächlich vermarkten wir Glühweine jetzt über Weihnachtsmärkte oder im Fachhandel, auch viel Gastronomie ist dabei, die dann auch Events haben zum Advent," was aber nicht reicht, sagt Ivonne Andres, ohne Internet läuft mittlerweile gar nichts.
    Glühweinbuden machen den meisten Umsatz
    Sie ist bei Facebook aktiv, vermarktet Glühweine über Onlineshops und hält ständigen digitalen Kontakt zu ihren Kunden. Der Einsatz lohnt sich, trotz der etwas höheren Preise mausern sich bei den Andres Glühweine zum zweiten Standbein: "Wir haben einmal für Weihnachtsmärkte 10-Liter-Kanister und 25-Liter-Kanister. Die werden von uns ausgeliefert beziehungsweise mit Speditionen zum Kunden gefahren," wo die Geschäfte gut laufen.
    Natürlich möchten viele Händler etwas vom Kuchen abhaben, zumal Glühweinbuden etwa drei Mal mehr Umsatz erzielen als etwa Kunstgewerbestände. Der Run auf Glühweine hat aber auch ökonomische Gründe, sagt Jürgen Andres: "Es gibt Betriebe, die machen nur Glühwein, die müssen so viel verdienen, damit sie das ganze Jahr überbrücken können."
    880 Glühweine pro Tag
    Große Stände in Spitzenlagen sollen in einer Saison bis zu 250.000 Euro umsetzen, bei kleineren ist es zwar weniger, trotzdem bleibt viel Geld hängen. Jürgen Andres verkauft seinen Dornfelder Glühwein für zwei Euro pro Liter. Dieser Liter wird für zwölf Euro an die Kunden abgegeben. Bei einem Umsatz von 10.000 Litern in 45 Tagen – der Weihnachtsmarkt in Speyer beginnt Ende November und endet am 6. Januar – müssen pro Tag nur etwa 880 Glühweine verkauft werden, um einen Umsatz von 120.000 Euro zu erzielen.
    Hinzu kommt, dass der technische Aufwand gering ist und die Standmiete erstaunlich günstig: Sechs-Meter-Stände kosten in Speyer pro Tag rund 25 Euro! Gegenrechnen muss man fairerweise aber die Kosten für das Personal, acht bis zehn Verkäufer sind es bei gut frequentierten Glühweinbuden allemal.
    Bleibt zum Schluss die Frage, warum bei solchen Gewinnmargen Jürgen Andres nicht selbst einen Stand pachtet und seine eigenen Glühweine verkauft? Der Aufwand sei einfach zu groß, er sei Winzer, und das wolle er auch bleiben!