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Weiß: Zusätzliche Rentenleistung statt Barauszahlung

Peter Weiß gehört zu den 24 Abgeordneten der CDU, die das Betreuungsgeld kritisieren. Aus seiner Sicht setzte die Barauszahlung für eine häusliche Betreuung von Kindern ein falsches Zeichen. Er plädiert für eine zusätzliche Rentenleistung.

Peter Weiß im Gespräch mit Mario Dobovisek | 03.04.2012
    Mario Dobovisek: Schwarz-Gelb geht mit neuem Zoff in die Osterpause. Kritiker des sogenannten Betreuungsgeldes, der Herdprämie, wie sie sagen, machen mobil, weil viele Details ungeklärt seien. Doch die CSU hält stur an dem Vorhaben fest. Die Bayern warnen sogar vor einem Ende des Koalitionsfriedens. Ab 2013 soll es kommen, das Betreuungsgeld, und zwar für Eltern, die ihre Kinder unter drei Jahren nicht in den Kindergarten schicken wollen oder können.

    Am Ende könnte das Betreuungsgeld dem Steuerzahler sogar teurer zu stehen kommen als bislang erwartet, berichtet die "Financial Times Deutschland" heute. Jährlich könnten demnach Eltern von über einer Million Kindern das Betreuungsgeld in Anspruch nehmen, das wären 445.000 mehr, als die Bundesregierung derzeit annimmt. Einer derjenigen, der die Koalition nicht zur Ruhe kommen lässt, um im Bild unseres Korrespondenten zu bleiben, ist der CDU-Rentenexperte Peter Weiß. Er ist einer der inzwischen 24 Abgeordneten, die dem Betreuungsgeld ihre Zustimmung verweigern wollen, und jetzt bei uns am Telefon. Guten Morgen, Herr Weiß!

    Peter Weiß: Guten Morgen.

    Dobovisek: Das Betreuungsgeld galt bis zum Wochenende noch als beschlossen und verkündet, alle Kritik wurde zuvor diskutiert. Warum jetzt Ihr offener Widerstand?

    Weiß: Es gibt ja in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion wie auch in der FDP seit Längerem eine Diskussion über die Ausgestaltung des Betreuungsgeldes, und selbstverständlich jetzt, wo es Ernst wird und das Betreuungsgeld gesetzlich verankert und eingeführt werden soll, machen natürlich die Kolleginnen und Kollegen, die zur Ausgestaltung andere Auffassungen und Ideen haben, sich noch mal bemerkbar. Das ist ganz normal. Eine solche Frage muss ja in einer Fraktion auch ausdiskutiert werden.

    Dobovisek: Aber Ihr Widerstand kommt reichlich spät, wenn doch der Referentenentwurf für das Gesetz bis Ostern stehen soll.

    Weiß: Na ja, gut. Referentenentwurf ist ja eine Sache der Bundesregierung. Wir als Parlamentarier kommen ja dann erst richtig ins Spiel, wenn es einen Regierungsentwurf gibt. Von daher ist das nicht spät, sondern zur richtigen Zeit.

    Dobovisek: Und warum lehnen Sie das Gesetz ab?

    Weiß: Also um zunächst eines klarzustellen: Die CDU/CSU ist die Fraktion, sind die Parteien, die für echte Wahlfreiheit eintreten. Also wir wollen schon etwas dafür tun, dass auch die Erziehungsleistungen der Eltern anerkannt werden, die zeitweise oder ganz auf Berufsausübung verzichten, um sich der Kinderbetreuung zu widmen. Die Frage ist nur, was ist die angemessene Lösung dafür. Mein Vorschlag, den ich schon vor Jahren gemacht habe, ist, doch daraus eine zusätzliche Rentenleistung für diese Eltern zu begründen, denn derjenige, der arbeiten geht, erwirbt sich ja schon mal mit seinem Arbeitseinkommen einen Rentenanspruch. Wenn man Erziehungsleistung als quasi eine der Arbeitsleistung gleichwertige Leistung anerkennt, dann wäre doch ein eigener Rentenanspruch das Angemessene, und diese Idee möchte ich gerne weiterverfolgen. Die Frage ist, ob nicht die Barauszahlung einfach ein falsches Zeichen setzt, nämlich man bezahlt dafür etwas, dass jemand zu Hause bleibt. Ich glaube, das setzt einfach zurecht eine falsche Botschaft heraus.

    Dobovisek: Aber gleichzeitig würde ein erhöhter Rentenanspruch den Eltern, die auf ihren Job und damit ihr Geld verzichten, ihr Gehalt verzichten, im Moment des Verzichts nur wenig helfen. Unter anderem deshalb - wir haben es ja gehört - hält die CSU an der Auszahlung fest. Wo könnte da eine Kompromisslinie verlaufen?

    Weiß: Also ich glaube, dass die Ausgestaltung des Betreuungsgeldes bei vielen Kolleginnen und Kollegen der Koalitionsfraktionen nach wie vor ein offenes Thema ist und es deswegen darauf ankommt, dass wir noch mal über das beste Modell diskutieren und dann eine Lösung finden. Wichtig ist mir, wir wollen Wahlfreiheit, wir wollen die Erziehungsleistungen von Eltern auch anerkennen, das halte ich für notwendig und für richtig. Aber das Betreuungsgeld bringt uns in größte Definitionsschwierigkeiten, weil die Frage ist, wer soll denn bezugsberechtigt sein. Wenn nur die Tatsache, dass ich keine staatliche Kinderbetreuungseinrichtung in Anspruch nehme, bereits auslöst, dass ich einen Zahlbetrag bekomme, dann kann man sich vorstellen, dass wir eine riesige Diskussion darüber bekommen, zum Beispiel über diejenigen Eltern, die dennoch arbeiten gehen und zum Beispiel die Kinderbetreuung durch Verwandte oder andere Personen wahrnehmen lassen. Das heißt, ich glaube, dass der Teufel im Detail steckt, und dieser Teufel im Detail, der wird offenkundig werden, sobald wir in ein echtes Gesetzgebungsverfahren eintreten und nicht nur so allgemein über das Thema diskutieren.

    Dobovisek: 24 CDU-Abgeordnete, Sie eingeschlossen, wollen das Betreuungsgeld nicht mittragen. Die FDP war nie besonders angetan von dieser Idee und hat vermutlich nur auf eine Gelegenheit wie diese gewartet. Die Kanzlermehrheit allerdings besteht aus nur 19 Stimmen im Bundestag. Ist die Koalition ernsthaft in Gefahr mit diesem Kurs?

    Weiß: Nein! Jeder Abgeordnete der Koalitionsfraktionen weiß, in einer parlamentarischen Demokratie lebt eine Regierung von einer Mehrheit im Parlament, und deswegen haben wir ja in allen Fragen auch immer eine Mehrheit im Parlament gefunden.

    Dobovisek: Das heißt, Sie bellen jetzt, aber beißen nicht, wenn es auf die Abstimmung zuläuft?

    Weiß: Nun warten Sie doch mal ab, bis es auch zu unseren internen Abstimmungen der Fraktion kommt. Zuerst müssen die Regierungsfraktionen festlegen, wie sie votieren, und diese Mitgestaltung der Entscheidung der Bundestagsfraktionen dieser Koalition, die wird von uns Abgeordneten sehr ernst genommen und ernsthaft betrieben. Und dann wollen wir mal schauen, auf was sich die Fraktionen am Schluss festlegen.

    Dobovisek: Fraktionsdisziplin, eingeschränktes Rederecht für Abweichler, Beichtstuhlverfahren, alles Begriffe, die Ihnen wahrscheinlich bekannt vorkommen dürften, Herr Weiß. Gestern Nachmittag hatten wir alle Mühe, einen der inzwischen 24 Abgeordneten für ein Interview zu gewinnen. Deshalb vielen Dank an Sie für Ihre Bereitschaft. Wie groß ist der Druck, den Ihre Partei- und Fraktionsspitze Ihnen gegenüber derzeit aufbaut?

    Weiß: Also bei uns in der Fraktion wird eigentlich kein Druck aufgebaut, sondern herrscht schon ein offenes Diskussionsklima. Ich glaube, das Problem, was Sie ansprechen, liegt am folgenden: Die Kolleginnen und Kollegen, die diesen Brief an den Fraktionsvorsitzenden geschrieben haben, haben das eigentlich als einen internen Vorgang begriffen, wir schreiben unserem Fraktionsvorsitzenden einen Brief. Das geschieht ja immer wieder alle Tage. Und wir sind alle ein bisschen verwundert, die diesen Brief unterschrieben haben, dass es einige Kolleginnen und Kollegen gegeben hat, die meinten, das jetzt auch an die Presse zu geben. Eigentlich wollten wir erst intern die Diskussion führen und nicht zu einer Presseberichterstattung Anlass geben, die jetzt leider stattfindet. Gut, das ist in einer Mediendemokratie so, aber ich finde, es muss auch mal einen Raum geben, in dem man intern miteinander sich austauschen kann, ohne bereits schon in der Öffentlichkeit das Wort ergreifen zu müssen.

    Dobovisek: Die öffentliche Debatte, Herr Weiß, ist also ein Betriebsunfall?

    Weiß: Also in diesem Fall war der Brief eigentlich nicht für die Öffentlichkeit gedacht, um das ganz unumwunden und klar zu sagen. Trotzdem: Politik findet im öffentlichen Raum statt und deswegen ist es ganz okay, dass wir miteinander ein Interview führen. Ich wollte nur deutlich machen, dass die Intention des Briefes eine andere war.

    Dobovisek: Der CDU-Bundestagsabgeordnete Peter Weiß. Gemeinsam mit 23 Parteikollegen wehrt er sich gegen das sogenannte Betreuungsgeld. Vielen Dank für das Gespräch.

    Weiß: Ich danke Ihnen auch.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.