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Weißmacher im Erbgut

Biologie. - Die Hautfarben von Menschen weltweit weisen teils erhebliche Unterschiede auf, doch aus genetischer Sicht sind die Abweichungen dabei eher gering. Neue molekularbiologische Methoden, die auf der Jahrestagung der Europäischen Gesellschaft für Humangenetik vorgestellt wurden, erhellen das Rätsel der Farbvariationen.

Von Michael Lange | 19.06.2007
    Die genetischen Unterschiede zwischen Menschen verschiedener Herkunft sind äußerst klein. Die Varianz im Erbgut der Afrikaner ist zum Beispiel viel größer als die Unterschiede zwischen Afrikanern und Europäern. Es ist nicht nur politisch gefährlich, sondern auch biologisch unsinnig von menschlichen Rassen zu reden. Das haben Forschungsergebnisse der Molekulargenetik aus den letzten zehn Jahren eindeutig gezeigt. Und dennoch gibt es Unterschiede, die jeder sehen kann. Zum Beispiel bei der Hautfarbe. Afrikaner haben fast immer dunkle, Europäer helle Haut. Die genetischen Ursachen dafür wurden erst kürzlich entdeckt. Mark Shriver von der Pennsylvania State University in den USA präsentierte die neuesten Daten bei der Tagung der Europäischen Humangenetiker in Nizza.

    "Die meisten Unterschiede in der Hautfarbe zwischen Afrikanern und Europäern können wir heute mit fünf bis zehn Genen erklären. Die beiden wichtigsten heißen SLC 20 45 und MATP. Sie allein bestimmen zur Hälfte, welche Farbe die Haut eines Menschen hat. Es gibt noch ein paar andere Gene, aber diese zwei wirken am stärksten."

    Heute wissen die Forscher: Die frühen Vorfahren des Menschen besaßen helle Haut unter ihrem Fell. Mit dem Verlust des Fells wurde die Haut dunkler: Zum Schutz des Körpers vor dem ultravioletten Licht der Sonne. Vor über 100.000 Jahren lebten die Menschen, von denen wir alle abstammen, in Ostafrika, und ihre Haut war vermutlich sehr dunkel.

    "Asiaten und Europäer haben gemeinsame Vorfahren, die einst aus Afrika auswanderten. Erst später trennten sie sich. Das lässt sich daraus schließen, dass sie unterschiedliche "Weißmacher-Gene" besitzen. Diese Gene haben sich also unabhängig voneinander entwickelt. Das bedeutet: Als die Vorfahren der Asiaten und Europäer aus Afrika kamen, waren sie noch dunkelhäutig."

    Die Ahnen der Asiaten und die der Europäer eroberten nach und nach den Norden. Ihre dunkle Haut zum Schutz vor der Sonnenstrahlung war dort nicht mehr so wichtig. Es hatte also keinen Nachteil, wenn die Hautzellen weniger Farbstoff produzierten. In beiden Auswanderergruppen ließ die Pigmentproduktion nach. Die Ursache waren unterschiedliche Veränderungen in den beiden "Weißmacher-Genen". Eine wichtige Rolle bei der Selektion dieser Gene für Hellhäutigkeit könnte auch der Vitamin D-Mangel gespielt haben. Vitamin D kann verstärkt gebildet werden, wenn das Sonnenlicht in den Körper eindringen kann. Die "Weißmacher-Gene" sorgen dafür, dass weniger Farbpigment gebildet wird. Sie lassen also mehr Sonnenlicht durch die Haut, und das erleichtert die Vitamin D-Produktion im Körper. Mark Shriver:

    "Vitamin D ist ein lebenswichtiger Nährstoff. Es gibt nur wenige Quellen, um Vitamin D mit der Nahrung aufzunehmen. Da im Norden Vitamin D fehlte, musste die Haut lichtdurchlässiger werden, um mehr Vitamin D herzustellen. Als einige der Auswanderer dann wieder in heißere Regionen kamen, wurde ihre Haut erneut dunkler: zum Beispiel in Südostasien, Südindien oder bei den amerikanischen Indianern. Sie sind viel dunkler als ihre Vorfahren aus Zentralasien."

    In der Evolution hat sich die Hautfarbe durch Mutation und Selektion einiger Gene immer wieder verändert. Ständig musste ein Kompromiss gefunden werden zwischen verschiedenen Anforderungen an den Pigmentgehalt der Haut. Je nach Klima und Ernährung fiel dieser Kompromiss dunkler oder heller aus.