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Weißrussland
Bologna-Prozess kommt nur zäh voran

Letztes Jahr wurde Weißrussland in den Bologna-Prozess aufgenommen. Dafür sollte das Land Reformen erarbeiten und Hochschulen modernisieren. Doch der Prozess stockt und ist von Intransparenz geprägt. Und eines ist ganz klar: die Regierung in Minsk will die Kontrolle nicht abgeben.

Von Daniela Siebert | 18.11.2016
    Studenten im Hörsaal nehmen an einer Vorlesung an der Universität von Minsk in Weißrussland teil. Aufgenommen im November 2002.
    Studenten während einer Vorlesung an der Universität von Minsk, der Hauptstadt Weißrusslands. (AFP / STR)
    Den Bologna-Prozess in Weißrussland, den gibt es, aber eigentlich nur auf dem Papier – das ist das etwas frustrierende Fazit des gestrigen Abends.
    Die Aufnahme seines Landes in den Europäischen Hochschulraum 2015 sei unter der Bedingung gemacht worden, dass Weißrussland einen Fahrplan abarbeite, der Reformen im Sinne des Bologna-Prozesses umfasst, sagt Vladimir Dunaev vom Unabhängigen Bologna-Komitee in Minsk. Aber:
    "Die meisten Studierenden und Professoren wissen nichts über den Bologna-Prozess und den Fahrplan. Denn der Fahrplan wurde von der Regierung nicht publiziert, weder auf Russisch, noch auf Weißrussisch."
    Geheimniskrämerei und Intransparenz sind zwei zentrale Merkmale des Bologna-Prozesses in Belarus, bilanziert Dunaev. Er sei aber tatsächlich ein Schritt Richtung Europa und bringe die überfällige Modernisierung des Hochschulsystems in Bewegung. Doch die Regierung wolle auf keinen Fall die Kontrolle verlieren und den Hochschulen mehr Autonomie geben. Auch von Mitbestimmung der Studierenden sei man noch weit entfernt. Ebenso von der Anerkennung auswärtiger Studienleistungen und –abschlüsse.
    "Der Bildungsminister hat schon 2011 versprochen, er wolle das einführen. Aber wir haben das bis heute noch nicht. Keiner weiß, wann das kommt. Der Bologna-Fahrplan sieht vor, dass wir das bis 2018 haben müssen."
    Mitbestimmung? Noch nicht bei allen etabliert
    Das Bundesbildungsministerium begleitet den Bologna-Prozess in Weißrussland. Sein Referent Frank Petrikowski ist Co-Vorsitzender eines Beratergremiums und kann in dieser Funktion ein Lied davon singen, wie zäh der Prozess ist. Im Mai habe er Studierende und Vertreter des weißrussischen Bildungsministeriums vor Ort in der Deutschen Botschaft versammelt. Bei diesem "Eisbrecher-Meeting" wie er es nennt, wurde deutlich, dass Mitbestimmung noch kein etabliertes Verfahren ist – etwa wenn es um generelle Mitspracherechte der Studierenden geht oder um die Einschränkung der zweijährigen Arbeitspflicht, die sich in Belarus an das Studium anschließt:
    "Als ich die Studierenden dann gefragt habe, was sie denn für Wünsche hätten an die weißrussische Regierung und dann die weißrussische Regierung nichts sagte, ich noch mal nachfragte, "wie reagieren Sie denn auf diese Vorwürfe" –da kamen unterschiedliche Vorwürfe in unterschiedlichen Dimensionen – und es kam halt Nichts. Mehr kann ich nicht machen."
    Bis 2018 laufe eine Überprüfung, ob Weißrussland den Fahrplan einhalte, so der Experte. Aber – das betont er auch – Bologna sei ein freiwilliger Prozess, der keine Sanktionen vorsehe. Immerhin: knapp 50% der Studiengänge seien schon so verändert, dass sie dem Bachelor entsprächen, sagt Frank Petrikowski.
    Regierungs-PR: Wir machen jetzt Bologna!
    Auch der Deutsche Akademische Austauschdienst DAAD mit Sitz in Bonn versucht den Bologna-Ideen in Weißrussland vorwärts zu helfen. Man sehe schon einen leichten Anstieg der Zahlen, sagt der Leiter des Referates für Osteuropa Thomas Prahl, es gebe jetzt ein Drittel mehr Stipendien-Bewerber aus Weißrussland. Der Prozess dort habe sowohl authentische Veränderung zur Folge als auch reine PR-Aspekte.
    "Also PR ist sicherlich im Augenblick das Gebaren der Regierung, dass man überall verkauft: Ja, wir machen jetzt Bologna! Echt ist daran, dass tatsächlich eine Reformbewegung in Gang gekommen ist, dass man Hochschulen zusammenlegt, dass man die Zahl der Studierfähigen auf ein normales Maß zurückbringt. Dass man also mehr der Qualität als der Quantität Aufmerksamkeit ist. Die Zahl der Kontakte, der gemeinsamen Projekte mit europäischen Hochschulen ist im Ansteigen."
    Zu den kleinen Schritten gehören auch die Ausreiseregelungen. Bislang brauchte jeder Akademiker, der länger als zehn Tage ins Ausland reisen wollte, eine Genehmigung vom Bildungsministerium. Das sei jetzt geändert worden, sagt Frank Petrikowski. Der Wunsch in Weißrussland zu studieren hält sich auf deutscher Seite in Grenzen: Derzeit haben lediglich 120 Personen beim DAAD ein Stipendium nach Weißrussland beantragt. Für Sommerschulen. Beliebtes Thema dann: Tschernobyl und die Folgen.