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Weißrussland
Lukaschenko lässt politische Häftlinge frei

Der weißrussische Präsident Alexander Lukaschenko begnadigt politische Häftlinge. Er hofft ihm Gegenzug, dass die EU Sanktionen gegen das Land aussetzt. Zu den unerwartet Entlassenen gehört auch der frühere Präsidentschaftskandidat Mikalaj Statkewitsch. Er will sich weiter politisch engagieren.

Von Sabine Adler | 24.08.2015
    Der ehemalige weißrussische Präsidentschaftskandidat Mikalaj (russische Schreibweise: Nikolai) Statkewitsch bei seinem Prozess 2011.
    Der ehemalige weißrussische Präsidentschaftskandidat MikalajStatkewitsch bei seinem Prozess 2011. (picture alliance / dpa / EPA / Tatyana Zenkovich)
    Am Samstagabend erhielt Marina Statkewitsch einen unerwarteten Anruf von ihrem Mann Mikalaj. Er sei frei, setze sich jetzt in den Bus nach Minsk. Mehr als viereinhalb Jahre hat die Ehefrau des populären Präsidentschaftskandidaten von 2010 auf diese Nachricht gewartet, weißrussische Oppositionelle feierten in Minsk die Ankunft eines Helden:
    "Der Diktatur geht das Geld aus, sie wird jetzt Demokratie imitieren", sagte Mikalaj Statkewitsch. "Ich werde weiter an für ein freies Weißrussland kämpfen. Aber erst mal muss ich mich einige Tage erholen. Ich will den Sommer sehen. Und ich werde mich mit den anderen Oppositionsführern treffen, wir werden beraten, wie wir jetzt vorgehen."
    Marina Statkewitsch, die Ehefrau des weißrussischen Oppositionellen Nikolai Statkevich. 
    Marina Statkewitsch, die Ehefrau des weißrussischen Oppositionellen Nikolai Statkevich. (Deutschlandradio / Sabine Adler)
    Große Angst vor einem Maidan
    Statkewitsch war vor fünf Jahren der stärkste Oppositionskandidat, ohne jedoch den Wahlsieg des autokratisch regierenden Präsident Lukaschenko je zu gefährden. Nach Massenprotesten in Minsk hatte der Amtsinhaber noch am Wahlabend alle seine Herausforderer inhaftieren lassen. Die meisten schrieben Gnadengesuche und kamen nach einigen Monaten frei, Statkewitsch weigerte sich und verbüßte fast fast Jahre seiner sechsjährigen Freiheitsstrafe, die meiste Zeit in Einzelhaft bei künstlichem Licht. Der 59-Jährige kehrt jetzt in eine Gesellschaft zurück, die sich fürchtet vor einem Maidan wie in der Ukraine und deswegen lieber den Autokraten Lukaschenko in Kauf nimmt.
    "Die weißrussische Bevölkerung blickt mit Angst auf die Folgen des Maidan in der Ukraine", sagt der Politologe Valeri Karbalewitsch. "Das hat das Regime gestärkt, die Menschen haben mehr Vertrauen in das Regime, rufen nach einer starken Macht und harten Hand. Die Ereignisse in der Ukraine haben Lukaschenko geholfen, seine Popularität zu retten, obwohl Weißrussland in einer tiefen Wirtschaftskrise steckt, die er mit den fehlenden Reformen verschuldet hat, Hauptsache es herrscht Stabilität."
    Hoffnung auf Ende der EU-Sanktionen
    Für eine erneute Kandidatur von Mikalaj Statkewitsch kommt die Haftentlassung zu spät. Bis vorigen Donnerstag mussten die Bewerber mindestens 100.000 Unterschriften gesammelt haben. Er will sich weiter politisch engagieren, sein Land zu verlassen, kommt für Statkjewitsch nicht infrage.
    "Die Agenten, die sie mir in die Gefängniszelle gesetzt haben, stellten mir ständig diese eine Frage: Ob ich ausreise werde. Nein! Warum? Ich sollte Englisch lernen, sie haben mir CDs in die Zelle gebracht. Ich habe gelernt, aber wenn ich wegfahre, dann maximal für zwei, drei Wochen."
    Unter den Oppositionellen hatte man seit einiger Zeit mit der Begnadigung der sechs politischen Gefangenen kurz vor der Wahl gerechnet. Die Bemühungen der Europäischen Union um die Freilassung waren jahrelang vergeblich. Lukaschenko hofft jetzt auf die Aufhebung der EU-Sanktionen, Minsk braucht dringend Geld. Dass er Statkewitsch und andere unbequeme Geister nicht mehr ins Gefängnis wirft, daran glaubt in Weißrussland niemand.